Nachdem er einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht hatte, fand die Polizei bei einem 32-Jährigen im Keller seines Hauses auch 367 Cannabispflanzen – aus denen er sich Tee brühte, wie er vor Gericht sagt.

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Wien – Zwischen vier und acht Gramm Kokain habe er am Schluss täglich konsumiert, sagt der Angeklagte Stefan J. zu Richterin Petra Sattlberger. Als er am 8. Jänner in Wien-Donaustadt eine 70-jährige Fußgängerin totgefahren und deren Gatten schwer verletzt hatte, will der 32-Jährige aber nicht vom weißen Pulver beeinträchtig gewesen sein – dafür von Schmerz- und Beruhigungsmitteln.

"Ich habe mein Leben aus den Augen verloren", sagt der zwischen 2011 und 2018 sechsfach Vorbestrafte. Von 2016 bis 2018 absolvierte er eine vom Gericht verordnete Drogentherapie, gebracht hat sie wenig. 2018 eröffnete der Angestellte außerhalb Wiens mit einem Freund eine mittlerweile in den Konkurs geschlitterte Discothek, ab dann fing der Kokainkonsum an.

Mix an Drogen und Medikamenten

Zum Koks kam Cannabis, vom Arzt verschriebene THC-hältige Mittel, Schmerzmedikamente und Beruhigungsmittel. "Das Haus hat mein Leben gerettet", verrät er der Richterin. "Das Haus?", ist Sattlberger kurz verwirrt. J. deutet auf den Boden – er meint die Justizanstalt Wien-Josefstadt, in der er seit 10. Jänner in Untersuchungshaft sitzt.

Am 4. Jänner habe er einen epileptischen Anfall erlitten und sich nicht rühren können. Seine Frau habe ihm ein weiteres Beruhigungsmittel besorgt. "Aber das war schrecklich", sagt er heute. "Ich habe mich wie ein Zombie gefühlt." Was ihn nicht daran hinderte, vier Tage später in seinen 3er-BMW zu steigen, um einen Freund von Floridsdorf nach Donaustadt zu fahren. Obwohl ihm der Führerschein 2020 zum zweiten Mal abgenommen worden war. Und er die Kennzeichen seines Autos fälschlicherweise als gestohlen gemeldet hatte.

Mit 60 km/h in der Tempo-30-Zone

J. schätzt, dass er mit rund 60 km/h in der Tempo-30-Zone unterwegs gewesen sei, als er links abbiegen wollte. "Die waren auf einmal da – ich weiß nicht, wo die hergekommen sind" ist alles, was er zum Unfall sagen kann. Das Ehepaar R. wollte die Straße überqueren – Frau R. starb nach dem Zusammenprall noch an der Unfallsstelle, ihr Mann wird noch Monate oder Jahre an seinen Verletzungsfolgen laborieren.

"Ich war unter Schock. Vollkommen am Ende. Und feig", gibt der Angeklagte zu. "Feig. Ganz richtig", stimmt die Richterin zu. Denn anstatt sich um die Verunglückten zu kümmern, fuhr J. in eine Garage und wechselte in sein Zweitfahrzeug. Den Freund brachte er noch nach Hause, erwischt wurde er, als er zwei Tage später zurück zum Unfallauto kam.

Der Staatsanwalt wirft ihm noch andere Delikte vor, die im Zuge der Ermittlungen auftauchten. So pflegte J. eine Cannabisplantage mit 367 Pflänzchen. "Ich habe mir mehrmals am Tag einen Tee aus den Blättern gemacht", beteuert der Angeklagte. "Aus den Pflanzen hätte man 2,5 Kilo gewinnen können. Das ist halt recht viel", gibt Sattlberger zu bedenken. J. bleibt dabei; dass er bereits mehrere Vorstrafen wegen Hanfzucht hat, wirkt ungünstig.

Gefälschte Ausweise und Waffe als Mitbringsel

Vier gefälschte Personalausweise sowie ein echter slowakischer Führerschein samt Personalausweis wurden ebenso sichergestellt. "Die habe ich in Thailand gekauft. Als Souvenir", behauptet der Angeklagte dazu. "Ich wollte sie aber nie benutzen!" – "Wozu kauft man dann sowas? Dummheit?" – "Dummheit. Ja", lautet ein weiterer Dialog zwischen Richterin und Angeklagtem. Ein anderes Reisemitbringsel besorgte er sich in der Tschechischen Republik: eine Stahlrute, die in Österreich eine verbotene Waffe ist.

Der toxikologische Gutachter Wolfgang Bicker kann die Schilderung, dass J. in den Tagen vor dem Unfall kein Kokain mehr konsumiert habe, nicht widerlegen. In der Blutprobe hätten sich zwar noch Abbauprodukte gefunden, dass sei bei regelmäßigem Konsum aber normal. Die Analyse der Haarwurzeln zeigten einen hohen Wert an Cannabiskonsum und einen sehr hohen Wert bei Kokain.

Psychiater hält Angeklagten für gefährlich

Interessant ist das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann. Der hält fest, dass J. zum Unfallszeitpunkt zurechnungsfähig gewesen sein müsse. Er sieht aber die Voraussetzung für eine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gegeben. Nicht weil er zurechnungsunfähig, sondern weil er gefährlich sei. Denn die bisherigen Maßnahmen wie Verurteilungen und Führerscheinmaßnahmen hätten gezeigt, dass J. sein Verhalten nicht ändere.

Weder der Staatsanwalt noch die Richterin schließen sich dieser Ansicht an. Sattlberger verurteilt J. wegen grob fahrlässiger Tötung zu 20 Monaten unbedingter Haft, weitere 32 Monate aus diversen Vorstrafen widerruft sie. Der Angeklagte und Verteidiger Michael Schnarch akzeptieren die insgesamt 52 Monate Gefängnis, auch der Staatsanwalt ist einverstanden, die Entscheidung daher rechtskräftig. Eine Einweisung scheint Sattlberger nicht gerechtfertigt, da es sich dennoch um ein Fahrlässigkeitsdelikt handle. (Michael Möseneder, 25.5.2021)