Marta Pelizzola hat Viren als Anwendungsbeispiel für ihre methodische Arbeit gewählt.

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B.1.617, B.1.1.7. und B.1.351 – bei der Geschwindigkeit neuer Mutationen, die beim Virus Sars-CoV-2 auftreten, ist es schwierig, mitzukommen. Der Prozess, der dahintersteht? Evolution. Schließlich versucht jeder Organismus, sich an seine Umwelt anzupassen. Und diese ändert sich stetig.

Die evolutionären Prozesse werden im Feld der Populationsgenetik untersucht. Die Vienna Graduate School of Population Genetics tut das aus mehreren Perspektiven. Eine davon vertritt Marta Pelizzola. Als PhD-Studentin am Institut für Populationsgenetik der Veterinärmedizinischen Universität Wien nähert sie sich dieser Dynamik mit ihrem Hintergrund in Mathematik und Statistik.

Hitze, Kälte, Höhe: All das kann Stress auf eine Population ausüben und dazu führen, dass sich ihre Genetik verändert. Während andere Studierende der Graduate School Fliegen und Pflanzen betrachten, hat Pelizzola Viren als Anwendungsbeispiel für ihre methodische Arbeit gewählt. Genauer gesagt: HI-Viren. "Wir haben dafür Daten von einem infizierten Patienten genommen und uns angesehen, wie sich das Virus über die Zeit verändert hat", sagt die Mathematikerin. HIV eignet sich besonders, weil das Virus besonders schnell mutiert.

Haplotypen

Pelizzola blickt dabei auf Haplotypen. So nennt man verschiedene Kopien eines Individuums, also verschiedene genetische Muster auf dem gleichen Chromosom. Nun kann man sich diese Haplotypen über die Zeit ansehen und versuchen, die Veränderungen des Virus im Körper des Patienten nachzuvollziehen. "Manchmal hat man nicht die Informationen jedes einzelnen Haplotyps in einer Population. Wir mussten die gesamte genetische Information entwirren."

Die neue Methode, die Pelizzola gemeinsam mit einem Team rund um ihren Doktoratsbetreuer Andreas Futschik an der Johannes-Kepler-Universität Linz entwickelt hat, wurde im renommierten Journal "Nature Computational Science" veröffentlicht. Sie arbeiteten dabei mit Daten sequenzierter Allele, also der DNA an bestimmten Stellen des Chromosoms, die zwischen Individuen einer Art variieren kann und wiederum einen Haplotyp ergibt. Anstatt jeden Haplotyp einzeln zu betrachten, nahmen sie die gesamte Information für jede Position auf der DNA. Und für jede Position auf der DNA gibt es nur jeweils zwei Allele.

"Das heißt, dass wir jeden Abschnitt des Haplotyps entweder mit 0 oder 1 bezeichnen konnten", sagt Pelizzola. Ein gewaltiger Vorteil für eine statistische Analyse. So konnten sie für jeden Zeitpunkt feststellen, wie viele Haplotypen in der Population gefunden werden können. Und somit auch, wie viele Haplotypen insgesamt vorkamen.

Bevor sie nach Wien kam, studierte Pelizzola Stochastik und Data Science an der Universität Turin. Ein Erasmus-Jahr brachte sie an die JKU in Linz. Dort gefiel es ihr auch fachlich so gut, dass sie in Österreich bleiben wollte. Die entwickelte Methode könnte in Zukunft nicht nur für Viren, sondern auch für höhere Organismen angewendet werden und etwa die Präzisionsmedizin verbessern, wie Pelizzola hofft: "Ich mag den Gedanken, dass auch Statistik in der Behandlung von Menschen helfen kann." (Katharina Kropshofer, 31.5.2021)