"Müller tauscht mit Maier, Huber tauscht mit Schmidt": Der alte Witz über den Unterwäschetausch beim Bundesheer ist auf der Internationalen Raumstation ISS Realität. Dort müssen sich Astronauten bestimmte Kleidungsstücke teilen – und das rund 400 Kilometer von der nächsten Waschmaschine entfernt. Österreichische Forscher untersuchen nun in einem von der Esa geförderten Projekt, wie man mit Hilfe von Mikroben nicht nur die Unterwäsche im Weltraum sauber halten könnte.

Waschen mit Feuchttüchern

Auf der ISS gibt es keine herkömmliche Dusche und auch keine Waschmaschine. Die Astronauten waschen sich mit Feuchttüchern und speziellen Shampoos, die Kleidung wird länger als auf der Erde getragen, gebrauchte Wäsche entsorgt. Komplexere Kleidungsstücke wie Raumanzüge und dazugehörige Ausrüstung müssen sich die Astronauten teilen, ohne dass sie dazwischen gewaschen werden. Dazu zählt auch das sogenannte "Liquid Cooling and Ventilation Garment" (LCVG).

Bei Weltraumspaziergängen wird dieses LCVG laut Europäischer Weltraumorganisation Esa unter dem Raumanzug direkt auf der Haut getragen. Es verfügt über Kühlungsschläuche und eine Gasbelüftung, um die Astronauten während der anstrengenden körperlichen Arbeit im All wohltemperiert zu halten, und muss mit den Kollegen geteilt werden. Dieses "Unterwäsche-Sharing" wird bei längeren Missionen, etwa einer Raumstation in der Mondumlaufbahn, wohl noch zunehmen.

Der Esa-Astronaut Thomas Pesquet zieht auf der ISS seinen Raumanzug an. Darunter trägt er Unterwäsche mit eingebauter Flüssigkeitskühlung und Belüftung.
Foto: NASA/Robert Markowitz

Neue Ideen für Sauberkeit im All

Derzeit werden häufig antimikrobielle Materialien wie Silber oder Kupfer verwendet. Sie reduzieren die Vermehrung von Mikroorganismen in Kleidungsstücken, die so länger getragen werden können. "Das Problem ist, dass ihre langfristige Verwendung Hautreizungen hervorrufen kann", erklärt Seda Özdemir-Fritz vom Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF). Dieses hat sich daher mit einer neuen Idee im Rahmen der "Open Space Innovation Platform" der Esa beworben und kürzlich den Zuschlag für ein zweijähriges Forschungsvorhaben erhalten.

Gemeinsam mit dem Start-Up Vienna Textile Lab will das ÖWF im Projekt "Biocidal Advanced Coating Technology for Reducing Microbial Activity" (BACTeRMA) versuchen, mit Hilfe von Mikroorganismen Kleidungsstücke länger sauber und frisch zu halten. Dabei sollen Stoffwechselprodukte von Bakterien Textilfasern widerstandsfähiger gegen Mikroben, Pilze, usw. machen.

"Im Zuge unserer Entwicklungsarbeiten für Raumanzüge haben wir festgestellt, dass auch die darunter getragene Kleidung interessant ist – nicht nur wegen der Geruchsentwicklung, sondern auch weil die mikrobiologische Belastung gerade bei Textilien auf Dauer ein nicht zu unterschätzendes Problem ist", erklärte ÖWF-Direktor Gernot Grömer. Deshalb kooperiere man nun mit dem VTL, das sich mit bakteriellen Stoffwechselprodukten beschäftigt.

Schutz und blaue Farbe

"Mikroben produzieren unter Stress, also wenn ihnen kalt oder heiß ist, wenn sie Hunger haben usw. sogenannte sekundäre Metaboliten, um sich vor extremen Umweltbedingungen zu schützen", sagte VTL-Gründerin Karin Fleck. Diese Stoffwechselprodukte sind teilweise farbig, und das 2017 gegründete Start Up der technischen Chemikerin nutzt sie bisher primär, um organische Farben als nachhaltige und umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen synthetischen Farben zu produzieren. Für die Bakterien ist die Farbe nur ein Nebeneffekt, primär haben die Metaboliten antimikrobielle, antivirale und antifungale Eigenschaften, "und wir versuchen nun, diese auf Textilien zu übertragen".

Als Beispiel nennt Fleck das Bakterium Janthinobacterium lividum. Es lebt auf der Haut eines in Nordamerika vorkommenden Salamanders und produziert die Substanz Violacein. Diese schützt aufgrund ihrer antifungalen Wirkung nicht nur den Schwanzlurch vor Pilzattacken, sondern färbt auch verschiedenste Textilien sehr gut blau.

Mikrobiom unter Beobachtung

Für Fleck ist das Interessante an dem Projekt, dass man sich einmal Gedanken darüber macht, wie sich das Mikrobiom von Astronauten – auch in Wechselwirkung zur Kleidung – verhält. "Je mehr wir über das Projekt lernen, klingt es so, dass es im Weltraum ziemlich grindig zugeht", sagte sie und verweist darauf, dass Astronauten etwa ein viel höheres Risiko für Hautkrankheiten oder Allergien haben als auf der Erde. Bei Raumanzügen werde viel Forschung hineinsteckt, um die Astronauten vor äußeren Umwelteinflüssen zu schützen, aber bisher wurde nur wenig Zeit damit verbracht nachzudenken, wie der Kontakt zum Körper gemanagt wird.

So betont auch Esa-Materialingenieurin Malgorzata Holynska, dass die neue Initiative "eine Ergänzung ist, die für alle Arten von Textilien in der Raumfahrt nützlich sein könnte – einschließlich der Innenseite von Raumanzügen". Für Grömer geht es darum "zu zeigen, dass die Technologie des VTL auch weltraumtauglich gemacht werden kann".

Bei Regolith muss man aufpassen

Im BACTeRMA-Projekt wollen die Forscher nicht nur die Leistung der antimikrobiellen Eigenschaften in den neuen Textilien testen. Sie wollen sie auch Staub und Strahlung aussetzen, um Bedingungen zu simulieren, die die Alterung und Verschlechterung des Gewebes im Weltraum beschleunigen könnten.

In zwei weiteren Esa-Projekten arbeitet das ÖWF-Team einerseits an der Außenhülle von Raumanzügen, wo es unter anderem um Strahlungsabschirmung und mechanische Abriebs-Resistenz geht. Andererseits geht es um die Interaktion von Textilien mit Mond- und Mars-Regolith, also die staubige bis grobkörnige Schicht auf den Gesteinsplaneten des Sonnensystems. "Dieser Staub hat einige unangenehme Eigenschaften, ist hoch abrasiv (stark abschleifende Wirkung, Anm.), ein wenig giftig und recht reaktiv", so Grömer.

Für die VTL-Gründerin ist aber auch das Thema Nachhaltigkeit interessant, "speziell im Weltraum, wo Nachhaltigkeit Überleben bedeutet. Wenn man in einer Raumstation keine Kreislaufwirtschaft hat, dann ist man ewig von Nachschub abhängig – das gilt speziell für Langzeitmissionen". (red, APA, 25.5.2021)