ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker hatte Teile der WKStA im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Gernot Blümel scharf kritisiert. Jetzt geriet sie selbst ins Visier der Korruptionsstaatsanwälte.

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Die Liste jener ÖVP-Politikerinnen und -Politiker, gegen die Korruptionsermittlungen laufen, ist um einen Namen länger: Nun ist die türkise Justizsprecherin Michaela Steinacker selbst ins Visier der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gelangt. Die Ermittler sehen eine konkrete Anfangsverdachtslage betreffend Steinackers Tätigkeit bei der Raiffeisen Evolution Project Development GmbH. Die Immobilienmanagerin war im Jahr 2013 in das Unternehmen geholt worden, um es zu sanieren und zu restrukturieren.

Offenbar erfolgreich: Denn im Jahr 2017 übernahm die Strabag, zuvor Minderheitsgesellschafter, die Firma komplett und benannte sie um. Damit schieden die bisherigen Gesellschafter aus; konkret Tochterfirmen der Raiffeisenbank International AG, der Raiffeisenholding NÖ-Wien sowie der Uniqa Insurance AG. Auch Steinacker verließ dann das Unternehmen.

Whistleblower-Meldung

Während dieser Zeit war die Wienerin schon Abgeordnete der ÖVP. Deren damaliger Obmann Michael Spindelegger hatte Steinacker bei der Nationalratswahl 2013 als Listenzweite geholt. Dass sie auch politisch tätig wird, war also bei Steinackers Antritt bei der Raiffeisen Evolution schon klar.

Eine Hinweisgeberin behauptete nun im Whistleblower-System der WKStA, dass hinter Steinackers Tätigkeit bei der Immobilienfirma eine "verdeckte Parteispende" gesteckt sei. Ihre Entlohnung sei, so der Vorwurf, "mit dem tatsächlichen Arbeitsausmaß sowie der konkret ausgeübten Tätigkeiten nicht im Einklang gestanden". Dazu lieferte die Whistleblowerin Dokumente und "detaillierte" Hinweise.

Vor allem habe Steinacker laut der Hinweisgeberin "in dieser Zeit beinahe ausschließlich für die Österreichische Volkspartei gearbeitet", wie Recherchen von STANDARD und ORF zeigen. Deshalb wird nun gegen damalige Manager der Raiffeisen Evolution wegen Untreue ermittelt, Steinacker wird ebenso verdächtigt – bevor die WKStA gegen sie weiterermittelt, muss allerdings der Immunitätsausschuss des Nationalrats befasst werden. Diesbezüglich langte nun ein Schreiben bei Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ein, das an die Mitglieder des Immunitätsausschusses weitergeleitet wurde.

ÖVP: "Rein politisch motiviert"

Diese müssen nun klären, ob die Vorwürfe gegen Steinacker in Zusammenhang mit ihrer politischen Tätigkeit stehen; dann mit einer Mehrheit ausliefern oder das Ersuchen der WKStA ablehnen. Die ÖVP wies das Begehren inhaltlich zurück. Es handle sich um ein "offensichtlich rein politisch motiviertes Auslieferungsbegehren", sagte der Abgeordnete Friedrich Ofenauer.

Er warf der WKStA vor, grundsätzlich die "Arbeit als Nationalratsabgeordnete mit jener für eine Partei" zu verwechseln. Abgesehen davon habe Steinacker ihre Pflichten aus ihrem Dienstvertrag "stets ordnungsgemäß und mit ausdrücklicher Zustimmung des Unternehmens" erfüllt.

Der Ermittlungsverdacht stelle infrage, ob Abgeordnete neben ihrer politischen Tätigkeit überhaupt noch einen Beruf ausüben könnten – das sei aber sinnvoll, solle das Parlament doch "die Bevölkerung stark abbilden".

Entscheidet sich die ÖVP, gegen das Auslieferungsbegehren zu stimmen, könnte das die türkis-grüne Koalition auf die Probe stellen. Ihre Stimmen würden dann vermutlich entscheiden, ob für Steinacker politische Immunität gilt oder ob ermittelt werden kann. Als die WKStA ein Auslieferungsbegehren bezüglich Ermittlungen gegen Norbert Hofer an den Nationalrat stellte, stimmte die FPÖ seiner "Verfolgung" selbst zu, um die Vorwürfe klären zu können. Auch diesen Weg könnte die ÖVP wählen.

Scharfe Kritik der FPÖ

Für FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker zeigt der Fall Steinacker Hinweise auf ein "illegales ÖVP-Finanzierungsmodell". Er forderte ein rasches Zusammentreten des Immunitätsausschusses, um eine Auslieferung zu ermöglichen. Die Justizsprecherin der Grpnen, Agnes Sirkka Prammer, sagte: "Wieder einmal kommt als Reaktion auf potenzielle Ermittlungen gegen eine ÖVP-Politikerin reflexartig die Unterstellung, die Justiz arbeite politisch motiviert. Das muss endlich aufhören", forderte sie. Ähnlich äußerte sich SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim.

Die ÖVP war zuletzt wegen des Verdachts auf Korruption zusehends unter Druck geraten. Die Ermittlungen gegen Finanzminister Gernot Blümel haben mit Bestechlichkeit zu tun, gesucht wird nach einer Parteispende des Glücksspielkonzerns Novomatic – dass es eine solche gab, wird von ÖVP und Novomatic bestritten. Gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger wird im Zusammenhang mit einer Spende der Uniqa-Tochter Premiqamed ermittelt. Die WKStA hat hier den Verdacht, dass Teile der türkis-blauen Gesundheitsreform aufgrund der Spenden des Privatklinikbetreibers durchgeführt wurden; die Beteiligten bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

Nun geraten also auch Teile des Raiffeisen-Universums in die aktuellen Ermittlungen. Steinacker war vor 2013 bei der Raiffeisenholding NÖ-Wien tätig gewesen, danach eben bei der Raiffeisen Evolution, an der die Holding Anteile hielt. Von dort heißt es, dass man als Minderheitsgesellschafter operativ mit Steinackers Entlohnung nicht in Berührung gekommen war. Gegen Steinacker war zuvor im Zusammenhang mit ihrem Job bei der ÖBB Immobilien GmbH ermittelt worden, das Verfahren wurde eingestellt. (Fabian Schmid, 25.5.2021)