Und fast immer sind es Herren und keine Damen in "Oeconomia": Spitzenbankiers und Topmanager bei der Verrichtung ihres Tagewerks – der Wertschöpfung.

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Auf die Frage nach der Herkunft des Geldes gibt es natürlich auch einfache Antworten. Nicht selten sind das aber Witze. Das Geld kommt aus dem Automaten. Jaja, haha. In Wahrheit kommt das Geld in die Welt, wie die Welt in die Welt gekommen ist: mit einer einfachen Ansage. Es werde Licht, es werde Geld. Bitte nicht fragen, was vorher war. Der Dokumentarfilm Oeconomia von Carmen Losmann unterlässt solche Rückfragen tatsächlich sehr konsequent. Mit systemkritischer Beharrlichkeit geht es hier um die Zusammenhänge von Geldschöpfung, Verschuldung und Unternehmensgewinnen.

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Das klingt zuerst einmal ziemlich trocken und ist es auch: Losmann versucht, mit Wirtschaftswissenschaft ein breiteres Publikum zu erreichen. Ihre Intuition ist dabei durchaus nachvollziehbar. Der Kapitalismus wirkt angreifbar, viele Menschen verspüren ein Unbehagen über die Weise, wie das Wirtschaftsleben heute organisiert ist. Da lohnt es sich, der Sache wirklich auf den Grund zu gehen.

Losmann wählt dafür einen naheliegenden Weg. Sie befragt Menschen in den Chefetagen. Sie hat mit Spitzenbankiers und Topmanagern gesprochen, sie hat Sitzungen gefilmt, dabei aber auch immer wieder detailliert verhandeln müssen, was aufgenommen werden darf und was nicht (bei der Vermögensverwaltung Pimco durfte sie "die Herren von außen im transparenten Sitzungsraum filmen", aber nicht, was drinnen besprochen wurde). Sie hat aber doch jede Menge Toppersonal vor die Kamera und vor der Kamera mit ihren Fragen in Verlegenheit gebracht. Denn mehr als nur einmal konnten die Männer (es sind fast ausschließlich Männer) die Ausgangsfrage nicht beantworten: Wie kommt Geld in die Welt?

Verbissen und unhistorisch

Losmann zeigt auch eine zivilgesellschaftliche Frankfurter Gruppe, in der über Wirtschaft diskutiert wird. Dort tauchen die Argumente auf, die die Filmemacherin sich zu eigen gemacht hat für ihre Recherche: "Mit diesem Film bin ich in eine schwierige Sache geraten."

Das trifft dann in einer zweifachen Weise auch auf das Publikum zu. Denn Losmann schafft es zwar, den Kapitalismus immer wieder intellektuell nackt zu machen, indem sie ihre Interviewpartner auf dem falschen Fuß erwischt, also bei unzureichenden Erklärungen für das, was in der Wirtschaft geschieht. Sie geht aber selbst so verbissen auf ihr implizites Theorem los, dass das zunehmend stärkere Verschuldungssystem des heutigen Kapitalismus ausweglos in die Krise führen muss, dass wichtige Dinge ausgespart bleiben. Am meisten verblüfft an Oeconomia, wie unhistorisch Losmann denkt. Man muss ja nicht gleich mit Marx von ursprünglichen Akkumulationen sprechen, aber Profite haben nicht nur mit Schulden zu tun, sondern auch mit Ausbeutungen – und Innovationen. (Bert Rebhandl, 26.5.2021)