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Der in Belarus (Weißrussland) festgenommene Blogger Roman Protassewitsch ist nach Aussage seiner Mutter in der Haft schwer misshandelt worden.

Foto: REUTERS/Stringer/File Photo

Minsk – Der in Belarus (Weißrussland) festgenommene Blogger Roman Protassewitsch (Kopf des Tages) ist nach Aussage seiner Mutter in der Haft schwer misshandelt worden. In einem von der belarussischen Staatspropaganda verbreiteten Video aus dem Untersuchungsgefängnis in Minsk seien im Gesicht ihres Sohnes deutliche Spuren von Gewaltanwendung erkennbar, sagte Natalia Protassewitsch am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Die EU beschloss indes ein Flug- und Landeverbot für belarussische Airlines.

"Ich bin keine Chirurgin, aber es ist sicher, dass sie ihn auf die Nase geschlagen und diese möglicherweise gebrochen haben", so die Mutter des Oppositionellen. Außerdem sei die linke Wange des 26-Jährigen geschwollen und hänge nach unten. "Selbst unter der Schminke sieht man eine gelbliche Färbung – vermutlich wurden Blutergüsse mit Puder überdeckt." Am Hals seien zudem Würgemale zu erkennen. "So wie es aussieht, haben sie ihn gewürgt, um aus ihm Beweise herauszuprügeln."

Flugzeug zum Landen gezwungen

Behörden der autoritär regierten Republik hatten am Sonntag ein Flugzeug auf dem Weg von Athen nach Vilnius zur Landung gezwungen – angeblich wegen einer Bombendrohung. An Bord der Maschine war auch der von Belarus international gesuchte Protassewitsch. Er und seine Freundin wurden in Minsk festgenommen. Am Montag war Protassewitsch in einem Video aus der Untersuchungshaft zu sehen. Er beteuerte darin, dass korrekt mit ihm umgegangen werde. In dem Film bekannte sich der Blogger auch dazu, Massenunruhen organisiert zu haben.

Die Vorwürfe seien haltlos, das Geständnis sei aus ihrem Sohn herausgepresst worden, sagte Natalia Protassewitsch, die mit ihrem Mann im polnischen Exil in Wroclaw (Breslau) lebt. "Er liest das entweder vom Blatt ab, oder man hat ihn gezwungen, es auswendig zu lernen." Ihr Sohn sei ein sehr starker Mensch, so die 46-Jährige. Allerdings sei auch seine Freundin in Haft. Die Ermittler könnten die junge Frau misshandeln, um ihren Sohn zu brechen, fürchtet sie.

Merkel erschüttert

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich erschüttert über das Video. Die Aufnahmen seien besorgniserregend, sagte Merkel vor Journalisten. Es müsse nun noch dringlicher alles dafür getan werden, dass Protassewitsch freikomme. "Wir werden dafür alle uns zur Verfügung stehenden Kanäle nutzen", so Merkel. Der deutsche Außenminister Heiko Maas fordert ernste Konsequenzen für Lukaschenko aus den jüngsten Ereignissen in Belarus.

Weitere Sanktionen denkbar

Die EU hatte sich in der Nacht auf Dienstag auf ein Flug- und Landeverbot gegen belarussische Airlines geeinigt. Dies ist Teil eines neuen Sanktionspakets gegen Belarus. Damit erweitert die EU auch die bestehende Liste mit Personen und Unternehmen, gegen die Vermögenssperren und Einreiseverbote gelten.

Auch die USA erwägen Sanktionen. US-Präsident Biden erklärte, er habe sein Team angewiesen, "angemessene Optionen" zu entwickeln, "um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen". Die russische Regierung verwahrte sich unterdessen gegen Mutmaßungen, sie sei in die Vorfälle verwickelt. Alle Behauptungen, Russland habe etwas damit zu tun, seien es nicht wert, darauf zu reagieren, sagte der Sprecher des Präsidialamtes, Dmitri Peskow, am Dienstag in Moskau.

Aktivist fordert vollständige Isolierung von Belarus

Der weißrussische Aktivist und Mitstreiter von Protassewitsch, Stepan Swetlow, hat den Westen zur vollständigen Isolation der belarussischen Führung aufgerufen. "Seit acht Monaten verspricht man uns Unterstützung, aber in Wahrheit gibt es keine erkennbare Unterstützung", beklagte Swetlow im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Er forderte die Einstufung des weißrussischen "Regimes" als "terroristisch".

Die Festnahme Protassewitschs habe den Westen zwar gezwungen, weitreichendere Maßnahmen gegen die Minsker Führung einzuleiten, sagte Swetlow. Dies reiche jedoch nicht aus. Er forderte die Unterbrechung "aller" diplomatischen, wirtschaftlichen und Handelsbeziehungen zwischen westlichen Staaten und der Regierung in Minsk.

Swetlow ist der Gründer des Telegram-Nachrichtenkanals "Nexta", über den nach der von massiven Betrugsvorwürfen begleiteten Präsidentschaftswahl im August des vergangenen Jahres Hunderttausende Demonstranten mobilisiert worden waren. (APA, dpa, 25.5.2021)