Stets werden Dinosaurier als die prominentesten Opfer des fatalen Asteroideneinschlags vor 66 Millionen Jahren genannt. Die Folgen des Zusammentreffens mit einem vermutlich über 15 Kilometer großen Kometenkern reichten freilich weit über diese Tiergruppe hinaus: Mindestens 75 Prozent aller Pflanzen- und Tierarten starben im anschließenden Weltenbrand oder binnen weniger Tausend Jahre aus. Die größten luftatmenden Tiere, die die Katastrophe an der Kreide-Paläogen-Grenze überlebten, waren Meeresschildkröten und Krokodile.

Heute zeugen noch die Überreste des Chicxulub-Kraters im Golf von Mexiko von der Wucht des Impakts: Das dank einer mächtigen Sedimentschicht gut erhaltene Loch in der Erdkruste ist etwa 150 Kilometer breit und zehn Kilometer tief. Andernorts lieferte die Geologie ebenfalls Belege für gewaltige Tsunamis, weltweite Buschfeuer und eine jahrelange Verdunkelung des Himmels. Praktisch alle Ökosysteme waren betroffen, viele gingen gänzlich zugrunde, andere – wie etwa Süßwasserlebensräume – erfuhren radikale Veränderungen unter hohem Artenverlust.

Ein Ereignis mit schwerwiegenden Folgen für den Planeten – doch der Einfluss des Menschen ist in einigen Bereichen noch gravierender.
Illustr.: NASA/Fredrik

Nun hat die Erde wieder mit ähnlichen Aussterberaten zu kämpfen, die Krise der Biodiversität gehört zu den größten Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. Um Prognosen zu erleichtern, das Tempo des aktuellen Aussterbens einzuordnen und die Erholungsphase vorherzusagen, verglichen Forscher die heutige Krise mit dem letzten globalen Massensterben am Beispiel von Süßwasserschnecken.

Die Resultate sind ernüchternd: Das internationale Team mit Beteiligung des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien belegte anhand von Fossilienanalysen und Aussterbedaten, dass der moderne Verfall der Süßwasser-Ökosysteme jenen vor 66 Millionen Jahren deutlich in den Schatten stellt.

Artenreiches Süßwasser

Süßwasser-Ökosysteme zeichnen sich durch eine hohe Artenvielfalt aus. Während sie nur ein Prozent der Erdoberfläche bedecken, beherbergen sie etwa zehn Prozent des globalen Artenreichtums. Doch die Aussterberaten in diesen Ökosystemen seien "alarmierend hoch", schreibt das Forscherteam um Thomas Neubauer und Thomas Wilke von der Universität Gießen, dem auch der Paläontologe Mathias Harzhauser vom NHM angehörte, in seiner Arbeit.

Die Forscher sammelten in der Studie Daten von tausenden fossilen und lebenden Süßwasser-Schneckenarten Europas aus den vergangenen 200 Millionen Jahren. Damit konnten sie im Fachjournal "Communications Earth & Environment" zeigen, wie schnell neue Arten entstehen und wie lange die Erholungsphasen nach großen Aussterbeereignissen dauern.

Moderne Schäden an Süßwasser-Ökosystemen – hier der Volvi-See in Nordgriechenland – bringen Arten schneller zum Verschwinden als der Asteroideneinschlag vor 66 Millionen Jahren.
Foto: NHM Wien

Abwärtstrend

Der Studie zufolge waren die Auswirkungen an Kreide-Paläogen-Grenze stärker als bisher vermutet und hätten fast das Ende für das Leben im Süßwasser bedeutet. Als "wesentlich erschreckender" bezeichnen die Forscher allerdings, dass diese Krise von der vorhergesagten zukünftigen Aussterbewelle noch übertroffen wird. Ihren Angaben zufolge ist die prognostizierte Aussterberate von Süßwasserschnecken um drei Größenordnungen höher als beim Asteroideneinschlag.

Demnach ist bereits 2120 wahrscheinlich ein Drittel der heute lebenden Süßwasserarten verschwunden. "Das Tempo, mit dem wir heute Arten verlieren, ist beispiellos und wurde in der Vergangenheit noch nicht einmal bei größten Aussterbungskrisen erreicht", meint Neubauer.

Zwölf Millionen Jahre bis zur völligen Erholung

Die Wissenschafter weisen darauf hin, dass die Ökosysteme nach dem Asteroiden-Impakt fast fünf Millionen Jahre benötigten, um sich einigermaßen zu erholen, erst nach zwölf Millionen Jahren sei das Gleichgewicht zwischen Entstehen und Verschwinden von Arten wieder erreicht worden. "Wir denken in geologisch gesehen lächerlich kurzen Zeitspannen, und dabei wird unser Handeln noch für Millionen von Jahren das Leben auf der Erde beeinflussen – selbst wenn es dann schon längst keine Menschen mehr geben wird", so Harzhauser. (red, APA, 26.5.2021)