Die im EU-Exil lebende belarussische Oppositionspolitkerin Swetlana Tichanowskaja hat die Europäische Union aufgefordert, den Druck auf das Regime von Langzeitmachthaber Alexander Lukaschenko in Minsk weiter zu erhöhen. Mit der Entführung einer Ryanair-Maschine und der Verhaftung des oppositionellen Bloggers Roman Protassewitsch und dessen Freundin Sofia Sapega "hat Lukaschenko eine Linie überschritten", sagte Tichanowskaja am Mittwoch in einer Videoschaltung mit dem Auswärtigen Ausschuss des Europäischen Parlaments.

Tichanowskaja: Lukaschenko ist eine Bedrohung der gesamten internationalen Gemeinschaft.
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Der belarusissche Machthaber "ist spätestens jetzt als Bedrohung auch der gesamten internationalen Gemeinschaft, ihres Friedens und ihrer Sicherheit zu betrachten", meinte die Politikerin, die nach der Präsidentenwahl im vergangenen August zum Verlassen des Landes gezwungen worden war.

Die bisherige Antwort der EU an Lukaschenko sei zwar "legitim und stark", räumte Tichanowskaja ein; doch sie müsse auch darauf hinweisen, dass nicht nur einzelne Oppositionelle, sondern die gesamte Bevölkerung in der Freiheit eingeschränkt seien. Tichanowskaja bezeichnete die Präsidentenwahl von 2020 als "gefälschten Wahnsinn".

Appell zu mehr Stärke der EU

Die bisherige Strategie des Westens, die Tichanowskaja unter dem Motto "abwarten und zuschauen" zusammenfasste, funktioniere längst nicht mehr. Die bisherige Politik der langsamen Steigerung von Druck habe nur zu noch mehr Gewalt und Unterdrückung durch das Regime geführt.

"Stellen Sie bitte sicher, dass sich die Antwort Europas nicht auf den Ryanair-Vorfall beschränkt, sondern eine Antwort ist auf die verheerende Lage im gesamten Land", appellierte Tichanowskaja ans den EU-Ausschuss. Die EU bat sie, ihre Politik der Nichtanerkennung Lukaschenkos als Präsident weiter zu betreiben – und zwar in "öffentlicher und starker Art und Weise".

Zu einem solchen Instrumentarium gehörte nach ihrer Ansicht, so die Exilpolitikerin, der Stopp aller Auslandsinvestitionen, vor allem im Bereich der Holzwirtschaft. Die EU sei gut beraten, die belasrussische Zivilgesellschaft nach Kräften zu unterstützen und ein "Notfallpaket" für den Erhalt und Betrieb unabhängiger Medien zu schnüren.

Tichanowskaja warnte auch vor Moskau: Russlands Präsident Wladimir Putin werde für eigene Zwecke versuchen, die Schwächen seines Verbündeten Lukaschenko auszunützen. Dieser Aspekt dürfe nicht übersehen werden. (gian, 26.5.2021)