Der Nest Hub weiß schon, was Fuchsia ist – bald soll er auch darauf laufen.

Foto: Proschofsky / STANDARD

Fast fünf Jahre ist es mittlerweile her, da machten erste Berichte über ein mysteriöses neues Google-Projekt die Runde. Unter dem Namen "Fuchsia" arbeite das Unternehmen hinter verschlossenen Türen an einem von Grund auf neu entwickelten Betriebssystem. Über die Jahre wurden zwar weite Teile des Codes freigegeben, Googles Geheimniskrämerei blieb aber aufrecht. Fragen zur weiteren Zukunft ließ man jedenfalls regelmäßig unkommentiert.

Fuchsia ist da

Umso überraschender kommt nun eine aktuelle Nachricht: Google hat vor kurzem eine erste Version von Fuchsia OS freigegeben. Als Startplattform hat man dabei den Nest Hub der ersten Generation auserkoren, also das smarte Display von Google selbst. Auf diesem lief bisher das Linux-basierte "Cast OS", das mittels Update nun komplett durch Fuchsia ausgetauscht wird. Das berichtet nicht nur 9to5Google, mittlerweile haben auch mehrere Fuchsia-Entwickler den Launch via Twitter bestätigt.

Rein äußerlich sollte sich dadurch übrigens nichts ändern. Der Nest Hub verwendet für die Darstellung der Oberfläche nämlich Googles UI-Toolkit Flutter, das sowohl unter Linux als auch Fuchsia rennt. Die relevanten Neuerungen finden also unter der für die Nutzer sichtbaren Ebene statt. Dort sind sie aber dafür äußerst interessant. Während Android und Chrome OS sowie viele aktuelle Betriebssysteme anderer Hersteller auf einem Linux-Kern basieren, wurde Fuchsia OS wirklich von Grund auf neu entwickelt. So verwendet es etwa einen eigenen Mikrokernel namens Zircon.

Wechsel am offenen Herzen

Dass Fuchsia OS nun auf dem Nest Hub sein Debüt gibt, erscheint als logische Wahl. Immerhin kann man bei diesem vergleichsweise einfach einen Wechsel vornehmen, ohne dass die Nutzer viel davon bemerken – gibt es bei dem smarten Display doch auch keine Möglichkeit, eigene Anwendungen zu installieren. Das System ist also vollständig abgeschlossen, womit Google die Kompatibilität der laufenden Software sehr einfach selbst testen kann. Bei Smartphones oder Laptops wäre ein solcher Wechsel mit erheblich größeren Problemen verbunden.

Abzuwarten gilt es noch, ob sich daraus auch für die Nutzer merkliche Vorteile ergeben. Denn auch wenn Google den Rollout bestätigt, geht dieser wohl doch sehr langsam vor sich. Bisher scheint jedenfalls das Update auch noch bei keinem der Tester bekannterer Tech-Seiten angekommen zu sein, womit auch kein direkter Vergleich möglich ist. Interessant wäre dieser vor allem in Hinblick auf die Performance des Geräts, immerhin könnte hier – und beim thematisch direkt damit verbundenen Speicherverbrauch – eine neue Plattform den größten Unterschied machen. Wer selbst auf ein solches Update hoffen will, muss in den Einstellungen in der Google-Home-App das "Preview Programm" aktivieren. Für sämtliche Nest Hubs soll die neue Software dann irgendwann im Verlauf der "kommenden Monate" erhältlich sein, gibt sich Google vage.

Testlauf

Insofern ist der Wechsel auf Fuchsia OS in diesem klar kontrollierten Umfeld auch als eine Art Testlauf zu sehen, um Erfahrungen zu sammeln, wie sich das Betriebssystem im Alltagseinsatz schlägt. Denn so logisch das aktuelle Einsatzgebiet auch sein mag: Fuchsia ist von Grund auf für unterschiedlichste Einsatzgebiete ausgelegt – von Geräten aus dem Bereich des "Internet der Dinge" über Smartphones bis zu Laptops.

Genau aus diesem Grund wurde Fuchsia in der Vergangenheit immer wieder als potenzieller Nachfolger für Android oder Chrome OS gehandelt. Fürs Erste scheint das aber nicht auf dem Plan zu stehen – und selbst wenn, wäre das wohl ein langfristiges Projekt. Und auch dann wäre Fuchsia zumindest zunächst kein kompletter Ersatz für das, was die meisten als Android verstehen, sondern eher ein neuer Unterbau – also vor allem ein Ersatz für den Linux-Kernel und andere Betriebssystemkomponenten.

Spekulationen

Sollte sich Fuchsia OS bewähren, wäre aber so ein Basiswechsel bei Android zumindest nicht undenkbar. Dass man darüber durchaus ernsthaft nachdenkt, war schon vor Jahren aus Google-Kreisen gegenüber dem STANDARD zu hören. Der Grund dafür ist die komplizierte Treibersituation unter Linux, die einen der zentralen Schwachpunkt im Android-Update-System darstellt. Google hat zwar in den vergangenen Jahren viel Zeit darin investiert, um diese Defizite im Zusammenspiel mit proprietären Komponenten der Hardwarehersteller abzufedern. All das hat aber natürlich einen gewissen Overhead zur Folge und stellt auch keine perfekte Lösung dar, was den langfristigen Hardware-Support deutlich erschwert.

Doch auch oberhalb dieser Ebene findet sich im Quellcode von Fuchsia – das Betriebssystem ist Open Source – einiges Interessantes. So arbeitet Google sowohl an Android- als auch an Linux-Kompatibilität. Eine eigene grafische Oberfläche namens Armadillo wurde zwar 2018 offiziell eingestellt, möglich wäre aber natürlich, dass Google hinter verschlossenen Türen weiter an solchen Komponenten arbeitet.

Ausblick

Es gibt also viel Potenzial, die nähere Zukunft dürfte für Fuchsia aber zunächst deutlich bescheidener aussehen. Auch wenn es bislang keine offizielle Ankündigung in diese Richtung gibt, so erscheint logisch, dass früher oder später weitere Nest-Geräte auf Fuchsia-OS umgestellt werden – allen voran andere smarte Displays wie der Nest Hub der zweiten Generation und der größere Nest Hub Max. Immerhin hat Google hier allein schon aus Wartungsgründen ein Interesse daran, eine einheitliche Softwarebasis zu etablieren.

Noch nichts für Entwickler

Bezeichnend ist übrigens auch, dass Google auf der erst in der Vorwoche abgehaltenen Entwicklerkonferenz I/O Fuchsia mit keinem Wort erwähnt hat. Das ist in diesem Fall aber durchaus folgerichtig. Immerhin gibt es für Entwickler in dieser Hinsicht ja noch nichts anzukündigen – bei den aktuellen Einsatzgebieten sind externe Schnittstellen irrelevant. Das erklärt dann wohl auch, warum es zum jetzigen Launch keine große Ankündigung durch Google gibt. Eine solche erfolgt wohl erst, wenn man dann auch Entwicklungs-Tools für Fuchsia OS parat hat und somit das System für eine breitere Nutzung bereithält. (Andreas Proschofsky, 26.5.2021)