Die Gartenspottdrossel oder Amerikanische Spottdrossel (Mimus polyglottos) ist äußerst intelligent und kann individuelle Menschen in einer Menge wiedererkennen, wenn sie mit diesen schon einmal insbesondere in unangenehmer Weise zu tun hatte. Wirklich bekannt ist die Spottdrossel freilich für ihre Gesangeskunst: Sie zählt nicht umsonst zu den talentiertesten Sängerinnen im Vogelreich.

Ihr Repertoire umfasst lange komplexe Eigenkompositionen ebenso wie verblüffend akkurate Imitationen der Gesänge anderer Vögel, aber auch von Umweltgeräuschen und Tierlauten – was ihr wohl auch ihren Namen (im Englischen Mockingbird) eingebracht hat. Dabei ahmt die Spottdrosseln das Geträller der anderen Arten jedoch nicht bloß nach, sie entwickelt aus den gehörten Melodien ihre eigenen Sounds.

Die Spottdrossel behält dich im Auge!
Foto: Renee Grayson

Ein interdisziplinäres Forschungsteam hat nun erstmals entschlüsselt, wie genau die Spottdrossel ihre Imitationen aneinanderreiht. Die Wissenschafter stellten fest, dass der Singvogel bestimmt musikalischen Regeln folgt, die sich auch in menschlichen Musikstilen zeigen. Beispiele dafür fanden sie unter anderem bei Beethoven und Kendrick Lamar.

Geballtes Fachwissen

Der Gesang der Spottdrossel ist so komplex, dass für die Erforschung eine ganze Bandbreite menschlichen Fachwissens nötig war. So führten die Neurowissenschafterin Tina Roeske vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik, der Feldbiologe Dave Gammon von der Elon University und der Musiker und Philosoph David Rothenberg vom New Jersey Institute of Technology ihre wissenschaftlichen Perspektiven in einer ungewöhnlichen Studie zusammen. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal "Frontiers in Psychology" veröffentlicht.

Video: Die variantenreichen Kompositionsstrategien der Spottdrossel.
David Rothenberg

Erstautorin Roeske entwarf die Algorithmen, mit denen die Hypothesen der Arbeit getestet wurden. "Wenn man der Spottdrossel eine Weile lauscht, erkennt man, dass sie ihre imitierten Melodien nicht wahllos aneinanderreiht", erklärt sie. "Vielmehr lässt sie ähnliche Melodieschnipsel nach klaren Regeln aufeinander folgen. Um diesen Eindruck jedoch wissenschaftlich zu untersuchen, mussten wir mit quantitativen Analysen prüfen, ob die Daten unsere Behauptungen auch tatsächlich stützen."

Vier kompositorische Strategien

Die Ergebnisse waren verblüffend. Die Autoren identifizierten vier kompositorische Strategien, mit denen Spottdrosseln Melodien aneinanderreihen: Klangfarbenänderung, Tonhöhenänderung, Dehnung und Stauchung der Tonsequenzen. Die so geschaffenen klanglichen Übergänge schmeicheln nicht nur den Ohren der Singvögel, sondern auch denen der Menschen. Es überrascht daher nicht, dass Komponisten verschiedener Musikstile ähnliche musikalische Techniken nutzen. (red, 28.5.2021)