Voll Stolz darf ich verkünden: Ich war dabei. Ich habe mit eigenen Augen und Ohren gesehen und gehört, wie Sebastian Kurz am 24. 6. 2020 vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss sich bemüht hat, die Wahrheit zu sagen. Unter anderem ging es um die Frage, ob der Bundeskanzler die Ernennung von Thomas Schmid zum Öbag-Chef veranlasst hat. Heute kennen wir aus den Chats von Kurz an Schmid die Antwort: "Kriegst eh alles, was Du willst!"

Damals kannte man diese Antwort noch nicht. Und so behauptete Kurz, er hätte diese Ernennung nicht veranlasst, sondern wäre nur darüber informiert gewesen. Eine bemerkenswerte Interpretation, mit der man es vielleicht bei der nächsten Verkehrskontrolle versuchen könnte. Dem Vorhalt, man wäre viel zu schnell unterwegs gewesen, begegne man mit: "Ja, aber ich habe diese Geschwindigkeitsüberschreitung nicht veranlasst. Ich wurde nur von meinem Tachometer darüber informiert."

Ebenso bemerkenswert, was der Kanzler – unmittelbar nach Bekanntgabe der Ermittlungen gegen ihn – über seine Aussagen vor dem U-Ausschuss gemeint hat: "Ich habe mich stets bemüht, mich bestmöglich zu erinnern und auch wahrheitsgemäße Angaben zu machen."

Das stimmt. Ich kann bezeugen, dass bei seinen Aussagen auch wahrheitsgemäße Angaben dabei waren. Ein paar davon, die man auch im offiziellen Parlamentsprotokoll nachlesen kann, möchte ich hier zitieren: "Anscheinend ist das im Regierungsprogramm, aber ich kenn mich da nicht im Detail aus." "Wenn etwas im Ministerrat beschlossen worden ist, dann muss ich das irgendwie mitbekommen haben, weil ich ja mitgestimmt habe."

"Ich habe mich stets bemüht, mich bestmöglich zu erinnern und auch wahrheitsgemäße Angaben zu machen", so Kanzler Kurz.
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Probieren geht über Studieren

Das klingt nach einer ehrlichen Beschreibung der Grundeinstellung, mit der Kurz seiner politischen Verantwortung nachkommt. "Als Bundeskanzler hat man relativ viel zu tun, in unterschiedlichsten Fragen." "Es gibt natürlich immer wieder Vereinbarungen, die getroffen werden."

Auch das wird wohl so stimmen. "Wir probieren als Partei natürlich immer, uns an die Regeln zu halten." Glaubhaft. Schon in seiner Jugend galt für Kurz: Probieren geht über Studieren. "Mir übergeben laufend irgendwelche Personen irgendwelche Papiere oder sonst etwas." Klingt realistisch. Vor allem das "sonst etwas". "Es kann leicht sein, dass es so einen Termin gegeben hat, aber ich weiß weder, wann, noch, wer da genau dabei war."

Wer noch nie mit so einem Gefühl in einem fremden Bett aufgewacht ist, werfe den ersten Stein. "Keine Ahnung." "Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht beurteilen. Sie werden mir glauben – auch mein Tag hat nur 24 Stunden." Wir glauben ihm. Bei dieser Selbsteinschätzung sogar jedes Wort.

Und auch dort, wo er sich nicht ganz sicher ist: "Da steht Bundesparteiobmann darunter. Ich glaube, das bin ich." Mithilfe eines Rechtsgutachtens argumentiert der Kanzler nun, er hätte deshalb nicht gelogen, weil ihm "klar sein musste, dass eine vorsätzliche Falschaussage vor dem U-Ausschuss unweigerlich eine Strafanzeige nach sich gezogen hätte".

In diesem Sinn könnte man es bei der Verkehrskontrolle auch so probieren: "Ich kann gar nicht zu schnell gefahren sein, weil mir klar sein musste, dass das eine Anzeige nach sich ziehen würde." (Florian Scheuba, 27.5.2021)