WKStA-Staatsanwalt Matthias Purkart behauptete im U-Ausschuss, seine Behörde werde behindert.

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Die Causa Casinos ist ein gigantischer Akt: Es gibt dutzende bekannte Beschuldigte und zahlreiche Nebenstränge. Wird gegen neue Beteiligte ermittelt, werden diese verständigt; daraufhin wird das Dokument in den Akt genommen. Bisher geschah das laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft 27 Mal – und 27 Mal ist nichts passiert.

Bei der 28. Verständigung, die in den Akt genommen wurde, leitete die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien jedoch eine Dienstaufsichtsprüfung gegen ihre Kollegen von der WKStA ein. Das könnte daran liegen, dass Nummer 28 besonders prominent ist: Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Die Verständigung über dessen Beschuldigtenstatus, die an den ÖVP-Anwalt Werner Suppan ging, gelangte – wie auch die 27 Verständigungen vor ihr – rasch in den Akt, ebenso schnell griffen andere Verfahrensteilnehmer darauf zu. Noch am selben Tag landeten die Dokumente bei Journalistinnen und Journalisten; "Falter", "Profil" und "Zackzack" stellten den Akt sogar mit Schwärzungen in seiner Gänze online. Das war der Oberstaatsanwaltschaft Wien offenbar ein Dorn im Auge, sie verlangte von der WKStA eine Erklärung für deren Vorgangsweise und die angeblich zu breit gestreute Akteneinsicht.

WKStA handelte "korrekt"

Die recht lapidare Antwort: Man habe so gehandelt wie bisher. Das stellte nun auch Justizministerin Alma Zadić (Grüne) klar: Die Dienstaufsichtsprüfung wurde beendet, die WKStA habe korrekt gehandelt. Sie folgt damit dem Urteil der Ministeriumssektion, die wiederum von der Oberstaatsanwaltschaft Wien Bericht erstattet bekam. Der Vorfall gibt den Vorwürfen der WKStA, sie werde von ihren direkten Vorgesetzten gegängelt, neue Relevanz. Staatsanwältin Christine Jilek, die zum Beispiel in der ÖVP-Schredderaffäre ermittelt hatte, verließ wegen derartiger Geschehnisse sogar die WKStA. Sie hatte eine Dienstausstellung erhalten, also eine Art von Rüge, weil sie aus Sicht der Oberstaatsanwaltschaft Wien zu viele Informationen an den U-Ausschuss übermittelt hatte. Auch hier griff das Ministerium ein und nahm die Dienstausstellung zurück.

Wie zuvor schon Jilek beklagte im U-Ausschuss auch WKStA-Staatsanwalt Matthias Purkart ein "Störfeuer" von oben, was politische Ermittlungen betrifft. Er deutete an, dass bei dem mittlerweile suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek "Dossiers" über WKStA-Staatsanwälte gefunden worden seien – Pilnaceks Anwalt reagierte auf eine STANDARD-Anfrage nicht.

ÖVP hat "kein Vertrauen"

Während die Opposition in Purkarts Aussagen ein weiteres Warnsignal bezüglich Interventionen in der Justiz sah, kritisierte die ÖVP den Oberstaatsanwalt deutlich. Der türkise Fraktionsführer Andreas Hanger gab an, "kein Vertrauen in Herrn Purkart" zu haben, weil dieser "alles und jeden im Justizsystem kritisiert" habe.

Christian Deutsch, Bundesgeschäftsführer der SPÖ, warf Hangers ÖVP deshalb "immer unverschämtere Angriffe auf die unabhängige Justiz" vor. Er verlangte von den Grünen, einer Verlängerung des Ausschusses doch noch zuzustimmen, um mehr Akten auswerten zu können. Zuvor hatte Staatsanwalt Purkart angegeben, dass man bis zum avisierten Ende des U-Ausschusses am 15. Juli noch lange nicht alle Chats ausgewertet habe.

Warten auf die Lieferung

Neue Ermittlungsakten soll der U-Ausschuss noch im Mai erhalten. Dabei handelt es sich um keine außertourliche, sondern um eine reguläre Lieferung: Alle zwei Monate schicken Staatsanwaltschaften ihre Ermittlungsakten zum Ibiza-Komplex an die Oberstaatsanwaltschaften, die sie dann kurz prüft und an den U-Ausschuss weiterleitet.

Womöglich stehen den Abgeordneten also neue Einblicke in die Verfahren gegen Blümel, Ex-Finanzminister Hartwig Löger, Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und die anderen Beschuldigten bevor. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Die nächste U-Ausschuss-Sitzung findet am 8. Juni statt. (Fabian Schmid, 26.5.2021)