Schwarzarbeit und Unterentlohnung will die Baubranche mittels elektronischem Ausweis aufspüren. Ein schwieriges Unterfangen.

Foto: Imago Images

Wien – Herumgedoktert wird am Projekt "Bau-ID-Card" seit 2018. Nun hat es das Arbeitsministerium mit dem elektronischen Ausweis für mehr als 130.000 Arbeitnehmer in der Bauwirtschaft eilig. Vorige Woche wurde ein Gesetzentwurf in parlamentarische Begutachtung geschickt, mit der diese Identitätskarte auf den Weg gebracht wird.

Die Begutachtungsfrist ist mit einer Woche ungewöhnlich kurz, bis Freitag können Stellungnahmen und Bedenken gegen das von der Bauindustrie in der Wirtschaftskammer und der Gewerkschaft Bau-Holz ausgedealte Projekt eingebracht werden.

Die Konstruktion dieser Bau-ID-Card ist schlicht: Die bereits 2020 gegründete Bau-ID GmbH, eine Tochter der im Arbeitsministerium angesiedelten und von den Sozialpartnern kontrollierten Bauarbeiterurlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK), lässt die Plastikkarten samt dazugehörigen Modulen für Identitätsfeststellung, Sozialversicherungsträger, Dienstgeber etc. entwickeln. Laut Gesetzentwurf soll dieses IT-System Arbeitgebern Unterstützung bei ihren Prüf- und Dokumentationspflichten sein und Arbeitnehmern die Einschau in ihre bei der BUAK gespeicherten Daten erleichtern.

Schlichte Konstruktion

Die schlichte Konstruktion hat es freilich in sich. IT-Experten, die mit komplexen Instrumenten nach Vorbild der E-Card und unterschiedlichen Stakeholdern vertraut sind, halten diese für zu schlicht. Die Bau-ID GmbH lasse wohl ein Instrument nachbauen, das bei den großen Playern in der Baubranche und deren Subauftragnehmern längst etabliert und effektiv in Verwendung ist. Das zentrale Tool allerdings, ein Monitoringsystem, in dem die relevanten Datenbanken verknüpft sind und mit dem Lohn- und Sozialdumping-Betrüger unter den Subauftragnehmern aufgespürt werden können, ist bis dato nicht inkludiert – weder in den Markterkundungen noch in den vier Teilausschreibungen, die die Bau-ID-GmbH durchgeführt hat. Das erschließt sich aus Ausschreibungsunterlagen, die der dem STANDARD zugespielt wurden.

Keine Pflicht zur Teilnahme

Auch die für Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping zuständige Behörde, also die Finanzpolizei, ist nach derzeitigem Stand weder ein- noch angebunden. Das scheint problematisch, denn die Kontrollore der BUAK dürfen auf Baustellen zwar Kontrollen durchführen, die meist komplizierten Ermittlungen wegen Verdachts auf Lohn- und Sozialdumping (LSD) dürfen sie aber nicht durchführen.

Zudem ist die Teilnahme freiwillig, Bauunternehmen ist es laut Gesetzentwurf explizit freigestellt, ob sie mitmachen.

Strafen gedeckelt

Ob Schwarzarbeit am Bau mit diesem Vehikel je wirkungsvoll bekämpft werden kann, wie es das erklärte Ziel des Arbeitsministeriums ist, ist daher fraglich. Das dürfe allerdings nicht nur an der Bauarbeiter-ID-Card liegen, die Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker in einer parlamentarischen Anfrage als "das Kaufhaus Österreich der Ausweise" bezeichnete. Dazu trägt insbesondere das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz beitragen, das gerade reformiert wird.

Die bisher als Abschreckung konzipierten teilweise saftigen Strafen sollen bei 20.000 Euro gedeckelt werden, Mindeststrafen und Meldepflichten entfallen. Die Unterentlohnung von hundert Dienstnehmern würde dann nicht höher bestraft als jene von fünf oder zehn Arbeitnehmern – oder ein Administrativ-Vergehen wie das Nichtbereithalten von Dokumenten für vom Ausland auf Baustellen in Österreich oder zur Schulung nach Österreich entsandte Arbeitnehmer.

Nur ein Kavaliersdelikt?

Entsprechend kritisch fallen die Stellungnahmen zur Gesetznovelle aus. Arbeiterkammer und ÖGB warnen vor Verlust der abschreckenden Wirkung durch hohe Strafen, Lohn- und Sozialdumping würden zum Kavaliersdelikt. Der Europäische Gerichtshof habe im Fall Andritz nicht generell die Kumulierung von Strafzahlungen verboten, sondern lediglich die Verhältnismäßigkeit des Bußgeldes.

Ähnlich sieht das auch Arbeitsrechtler Wolfgang Mazal von der Universität Wien. Er sagt zum STANDARD. "Die Strafen müssen verhältnismäßig sein, das hat der EuGH festgehalten." Bei Administrativdelikten wie fehlenden Arbeitszeitaufzeichnungen war die Strafe überschießend, da wäre eine Relation zur wirtschaftlichen Ertragskraft der Unternehmen sinnvoll, sagt Mazal mit Verweis auf das Datenschutzrecht, wo die Höchststrafe im Verhältnis zum Unternehmensumsatz gedeckelt wird.

Viel Unterentlohnung, hohe Strafen

Bei Delikten wie Unterentlohnung hingegen sei die Verhältnismäßigkeit zur Zahl der betroffenen Dienstnehmer sinnvoll. "Es macht einen Unterschied, ob ich zwei Arbeitnehmer schädige oder 2000. Dieser Unrechtsgehalt steht einer betragsmäßigen Deckelung entgegen, die aus dem EuGH-Urteil auch nicht abgeleitet werden kann."

Auch das Arbeitsmarktservice sieht die geplante, von Industrie und Wirtschaft begrüßten Änderungen kritisch. Die bestehenden Diskrepanzen zum Ausländerbeschäftigungsgesetz würden stellenweise verschärft, heißt es wörtlich. Notwendig wären hingegen Einschränkungen gemäß der neuen EU-Entsende-Richtlinie. "Das ist insofern unverständlich, als sich beide Gesetze unter anderem mit der Entsendung bzw. Überlassung (von Dienstnehmern, Anm. d. Red.) aus dem EWR beschäftigen und aus demselben Ressort stammen", heißt es unter Verweis auf zum Verwechseln ähnliche Ausnahmetatbestände.

Zwei Gesetze im Konflikt

Der Unterschied ist gravierend: Die Entsendung/Überlassung von Arbeitskräften aus Drittstaaten muss gemäß Ausländerbeschäftigungsgesetz dem AMS gemeldet werden und ist auf vier Wochen befristet. Gemäß Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz wären Entsendungen oder Überlassungen zu Schulungszwecken nach Österreich künftig "für längere Dauer" möglich – wie auch Montagetätigkeiten. Ein Widerspruch, den das AMS als Ansprechpartner der Unternehmen ausgeräumt sehen will, weil diese Ausnahmen "wenn überhaupt, nur im Rahmen eines behördlichen Verfahrens ex ante geprüft werden können", moniert das AMS.

Vorsicht bei Nachsicht

Probleme sieht das AMS auch bei der geplanten Nachsichtsregelung. Diese sieht vor, dass Bestätigungen und Nachweise über eine bestehende Sozialversicherung im Herkunftsland des Drittstaatsarbeitnehmers nicht mehr vor oder bei Arbeitsantritt in Österreich vorliegen müssen, sondern nachgereicht werden können sollen. Diese Ausnahme existiere im Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht, daher werde in so einem Fall eine EU-Entsende- oder Überlassungsbestätigung nicht ausgestellt, stellt das AMS klar. "Erfahrungsgemäß ergeben sich Probleme nur dort, wo Arbeitnehmer aus einem Drittstaat für den Auftrag in Österreich angeworben wurde, ohne davor oder danach im Entsende-/Überlassungsmitgliedstaat beschäftigt zu sein, also keine Arbeitskraft im Sinne der Richtlinie ist." (Luise Ungerboeck, 27.5.2021)