Datenschutz ist ein Grundrecht, bedeutet aber nicht, Datenverarbeitung zu unterbinden, erinnern Harald Oberhofer, Gerhard Schwarz, Michael Stampfer, Michael Strassnig von der Plattform Registerforschung. Konstruktive Lösungen wären möglich gewesen, sagen sie. Im Gastkommentar lassen sie die Debatte um den grünen Pass Revue passieren.

Die Opposition hatte Datenschutzbedenken beim grünen Pass, letztlich stimmten SPÖ wie auch die Neos zu: VP-Klubchef August Wöginger im Gespräch mit der SP-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner.
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"La commedia è finita", so endet "Pagliacci", eine Tragödie, der es nicht an Bajazzos mangelt. Geltungsdrang, Eifersucht, Intrigen und Raserei zwingen sie in ihr Schicksal. Das Blutbad ist unausweichlich. Kunstsinnige Menschen erinnert dieses Libretto womöglich an die vorwöchige politische und mediale Diskussion zur geplanten Novelle des Epidemiegesetzes.

Diese sollte die Verknüpfung des Epidemiologischen Meldesystems und des elektronischen Impfpasses mit sozioökonomischen Daten des Dachverbands der Sozialversicherungsträger und der Statistik Austria ermöglichen. Eine lange gehegte Forderung der Wissenschaft, die es etwa erlauben würde – unter Wahrung des Datenschutzes – herauszufinden, welche Berufe mit einem hohen Covid-19-Infektionsrisiko einhergehen. Auch die Effektivität des Impfschutzes könnte untersucht werden.

Kein Wunsch der Wissenschaft

Generell ließen sich anhand eines wissenschaftlichen Datenzugangs Krankheitsursachen, Therapien, aber auch Probleme des Gesundheitswesens viel besser analysieren als zurzeit. Dabei geht es um generelle, nicht personenbezogene Erkenntnisse. An Lieschen Müllers Impfung und ob sie nun 5G empfangen kann, ist die Wissenschaft nicht interessiert.

Die im Entwurf vorgesehene Rückübermittlung verknüpfter Daten an das Gesundheitsministerium ist definitiv kein Wunsch der Wissenschaft – schon gar nicht in einer Form, die dem Ministerium weitere Verknüpfungen mit anderen Datenbeständen erlauben würde. Im Gegenteil: Wer immer diesen Geniestreich in die Novelle eingebracht hat, Österreichs Wissenschaft ist dieser Person zu großem Undank verpflichtet, denn dieser war der Aufhänger für eine Schmiere in drei Akten. Am Ende gingen die Wissenschaft und die Gesellschaft als Verlierer ab.

Erster Akt: Krieg der Schrebergärtner

Das Gesundheitswesen ist in Österreich einer der größten Budgetposten. Gleichzeitig ist es äußerst unübersichtlich organisiert. So verfügt etwa das Gesundheitsministerium mit der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) über eine ausgelagerte Forschungsabteilung. Im Dachverband der Sozialversicherungsträger, dem alle Sozialversicherungen angehören, werden die Sozialversicherungsdaten mal mehr, mal weniger eifersüchtig gehütet. Die Elga GmbH wiederum betreibt die IT-Infrastruktur der elektronischen Gesundheitsakte und des elektronischen Impfpasses. Ihre Eigentümer sind Bund, Sozialversicherungen und Länder. Letztere verfügen vor allem auch im Spitalsbereich über weitreichende Kompetenzen.

In diesem Wirrwarr versucht jede Institution ihren Schrebergarten zu behaupten und auszuweiten. Die vorgeschlagene Novelle hätte das Ministerium und die GÖG gestärkt. Fast naturgemäß stellte sich der Dachverband dagegen, um sich ein paar Tage später als alternativer zentraler Datenverarbeiter ins Spiel zu bringen. "Honi soit qui mal y pense!" ("Beschämt sei, wer schlecht darüber denkt").

Zweiter Akt: Ein kleines bisschen Horrorshow

Auf der Suche nach Aufmerksamkeit und Förderern drängte nun eine der bekannteren heimischen Datenschutzorganisationen ins Rampenlicht: Die Novelle des Epidemiegesetzes würde ein "Superdatenregister" schaffen, mit dessen Informationen versicherte Personen erpresst werden könnten. Im Lampenfieber vergaß man leider auf den Hinweis, dass dies strafbar wäre und datenschutzrechtliche Sicherheitsmechanismen greifen.

Vor lauter Aufregung hatten die Datenschützer auch keine Ideen, wie datenbasierte Wissenschaft in Österreich an den internationalen Standard anschließen könnte. In zahlreichen anderen EU-Staaten, die denselben datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen unterliegen, hat die Wissenschaft seit vielen Jahren Zugang zu genau solchen Daten. Für Österreich dagegen gilt: "Lasciate ogni speranza, voi ch'entrate!" ("Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!").

Dritter Akt: Der Chor der Journalisten

Seit dem Beginn der Covid-Pandemie kritisierten die Medien fehlende Daten zur Pandemiebekämpfung. Sie wähnten Österreich zu Recht in einem Blindflug durch die Krise. Das war nun alles schnell vergessen. Der Pelz sollte gewaschen werden, ohne ihn zu benetzen. Umso weniger ein Journalist oder eine Journalistin von Datenschutz oder Wissenschaft verstand, umso klarer war das Verdikt: Ein "Superdatenregister" wäre gefährlich und nicht zielführend. Dem konnten sich politische Akteure mit einem Gespür für den drehenden Wind nur anschließen.

Datenschutz ist ein Grundrecht. Sein konkreter Umfang ergibt sich aus Rechtsgüterabwägungen: Was zählt mehr, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder der Datenschutz? In den Redaktionen war man sich rasch einig. Es ist übrigens nicht das Ziel der Datenschutzgrundverordnung, die Datenverarbeitung zu unterbinden. Ganz im Gegenteil möchte sie die – insbesondere wissenschaftliche – Datenverarbeitung fördern, indem sie deren Rahmen festlegt.

Epilog: Morgen wird wie heute sein

Schrebergärtner des Gesundheitswesens, selbstlose Datenschützer und wankelmütige Medien und Politik haben das "Superdatenregister" beerdigt und feiern ihren Pyrrhussieg: "Let's all drink to the death of a clown." Wen juckt es, dass wir auch in der nächsten Krise blind sein werden? Die kommt erst in ein paar Jahren. Wer dann noch nicht in Pension ist, kann tränenreich das Fehlen wichtiger Daten bejammern. Konstruktive Lösungen wären möglich gewesen. Ihr Ausbleiben ist das Versagen der Politik, aber auch all der Nebendarsteller, die ihr eigenes Spielchen auf Kosten der Allgemeinheit treiben. (Harald Oberhofer, Gerhard Schwarz, Michael Stampfer, Michael Strassnig, 27.5.2021)