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Huawei-Gründer Ren Zhengfei will angesichts eines Zusammenbruchs des bisherigen Smartphone-Geschäfts sein Unternehmen neu aufstellen.

Foto: ALY SONG / REUTERS

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Smartphone-Absätze von Huawei sind innerhalb der vergangenen Monate massiv eingebrochen. War das Unternehmen noch vor nicht allzu langer Zeit auf dem besten Weg, Samsung die Topposition am Smartphone-Markt abzunehmen, schafft man es mittlerweile nicht einmal mehr in die Top Five des weltweiten Rankings. Selbst wenn man die vor einigen Monaten ausgelagerte Tochterfirma Honor noch dazuzählt, geht sich derzeit nur mehr ein einstelliger Prozentbetrag aus. Und auch im Heimatland China, durch das man lange Einbußen in anderen Regionen auffangen konnte, geht es massiv bergab. Im ersten Quartal 2021 halbierte sich der dortige Marktanteil von Huawei im Jahresvergleich.

Spurensuche

Die Ursachen für all das sind kein großes Geheimnis: Der vor rund zwei Jahren ausgesprochene Handelsbann durch die USA hat dem Unternehmen massiv zugesetzt – und zwar Schritt für Schritt. Der erste große Schlag war das aus dem Bann resultierende Verbot, Google-Dienste auf Huawei- und Honor-Smartphones auszuliefern. Dies führte dazu, dass das Geschäft in westlichen Märkten massiv einbrach, vor allem auch nachdem die Konsumenten irgendwann einmal feststellten, dass auf ihren neu gekauften Smartphones viele gewohnte Services fehlten. Huaweis Bemühungen, dies durch Eigenentwicklungen auszugleichen, waren nur von sehr begrenztem Erfolg gekrönt.

Für den chinesischen Markt war dies hingegen egal: Da Google aus prinzipiellen Gründen nicht in China aktiv ist – im Gegensatz zu Firmen wie Apple oder Microsoft will man sich den staatlichen Überwachungsauflagen nicht unterwerfen –, änderte sich im Kernland des Hardwareherstellers durch den US-Bann wenig.

Ein Jahr später folgte dann aber eine weitere Verschärfung der US-Regierung, die sich für Huawei als noch schädlicher herausstellen sollte. So wurde auch Chipherstellern jegliche Kooperation mit dem chinesischen Konzern untersagt, wenn sie US-Technologien in ihren Produkten einsetzten – und das sind praktisch alle. Nur wenige Monate danach hatte Huawei schon echte Probleme, genügend Chips zu bekommen, und das Unternehmen selbst ließ durchblicken, dass der Kirin 990 der letzten High-End-SoC aus eigener Entwicklung sein könnte.

Unabhängigkeitserklärung

Doch so einfach will sich Huawei nicht geschlagen geben, und das Rezept zum – erhofften – Erfolg heißt dabei "Unabhängigkeit". So will das Unternehmen bereits in wenigen Tagen der Öffentlichkeit ein komplett neues Betriebssystem namens Harmony OS präsentieren. Also so zumindest das Versprechen des Unternehmens, das allerdings mit einiger Vorsicht zu genießen ist. Hatte eine Analyse von Ars Technica doch erst vor wenigen Wochen gezeigt, dass es sich bei Harmony OS in Wirklichkeit erst recht wieder um einen nur leicht modifizierten Android-Abkömmling handelt. Der Code sei größtenteils direkt aus dem Android Open Source Project (AOSP) übernommen, auch die Oberfläche unterscheide sich praktisch nicht von dem, was man von aktuellen Huawei-Smartphones kenne.

Ein Teaser-Video kündigt die Enthüllung von Harmony OS für den 2. Juni an.
Huawei Mobile

Insofern darf durchaus mit Spannung abgewartet werden, was Huawei beim Launch Event am 2. Juni Neues anzubieten hat – und vor allem auch, was man dann in Wirklichkeit liefert. Eine weitere Android-Variante ohne Google-Dienste dürfte jedenfalls in westlichen Märkten kaum die erhoffte Kehrtwende bringen. In einem Mail an US-Medien wehrte sich Huawei denn auch rasch gegen eine solche Darstellung, und verwies auf eine komplett neue Oberfläche, die die sich von früheren Testversionen von Harmony OS unterscheiden solle. Damit schießt man natürlich zielsicher an der Kritik vorbei, denn an der Basisstruktur des Systems würde das exakt nichts ändern.

Alles Software ...

Parallel dazu berichtete die Nachrichtenagentur Reuters vor einigen Tagen, dass sich Huawei angesichts der Probleme mit der Hardwarefertigung künftig ganz auf die Softwareentwicklung und den Aufbau eigener Ökosysteme konzentrieren wolle. Man wolle auf diesem Weg "mehr Unabhängigkeit und Autonomie" erzielen, heißt es in Berufung auf ein internes Memo von Huawei-Gründer Ren Zhengfei. Dazu zählt man neben Harmony OS unter anderem auch das KI-System Mindspore.

... außer der Hardware natürlich

Doch ganz so einfach scheint man sich auch im Hardwarebereich nicht geschlagen geben zu wollen. So ist unlängst durchgesickert, dass die Huawei-Tochter Hisilicon an der Entwicklung neuer Prozessoren arbeitet. Statt der sowohl bei Smartphones als auch bei aktuellen Macs genutzten ARM-Architektur soll man dabei aber auf RISC-V setzen. Dabei handelt es sich um eine in Teilen offene Architektur, bei der sich viele der rechtlichen Probleme, die es bei der ARM-Nutzung für Huawei gibt, nicht stellen.

Unter dem Namen Hi3861 hat Hisilicon auch bereits eine passende Entwicklerplatine im Angebot, die nicht zuletzt für jene, die an der Harmony-OS-Entwicklung interessiert sind, gedacht ist. Allerdings muss man hier die Erwartungen gleich einmal etwas zurückschrauben: Hi3861 ist von der Leistungsfähigkeit eher mit einem schwächeren Raspberry Pi vergleichbar, und somit auch vor allem für Einsätze im Bereich des Internets der Dinge gedacht. Soll doch Harmony OS auch dort reüssieren – zumindest wenn es nach den Hoffnungen von Huawei geht. Und wer weiß: Wenn dieser Plan aufgeht, vielleicht interessiert man sich dann ja auch für stärkere Chips auf RISC-V-Basis. (Andreas Proschofsky, 28.05.2021)