Amazon ging auf Safari: Eine der bekanntesten Trademarks der Unterhaltungsindustrie, der MGM-Löwe, gehört nun dem Onlinehändler.

Foto: AFP

In ihrer besten Zeit um 1940 waren die amerikanischen Filmstudios der klassischen Ära ein Oligopol. Das Geschäft mit dem Kino machten damals Firmen wie Warner, Paramount und Fox untereinander aus. Über allen die erfolgreichste und effizienteste dieser Filmfabriken: Metro-Goldwyn-Mayer (MGM) mit ihrem legendären Produzenten Irving Thalberg. Wer heute einen Schwarz-Weiß-Film aus dieser Zeit sieht, sieht mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Produkt dieser Firmen, die alle auch eine charakteristische Signation hatten und die Kunst des Kinos mit Corporate Identity verbanden.

Kampf um Medienmacht

Der Niedergang dieses Systems begann damit, dass die Studios gerichtlich gezwungen wurden, ihre Kinos zu verkaufen. Eine klassische kartellbehördliche Entscheidung, mit der das Oligopol von Produktion und Vertrieb zerschlagen werden sollte. Es ist also nicht ohne Ironie, dass Fox oder MGM Jahrzehnte später Spielmasse in einem neuen, noch viel größeren Kampf um Medienmacht geworden sind. Wenn Amazon nun MGM kauft, für 8,45 Milliarden Dollar, dann bekommt der Onlinehändler nicht nur den brüllenden Löwen, also eine der bekanntesten Trademarks der Unterhaltungsindustrie, sondern vor allem eine "Bibliothek". So bezeichnet man die Sammlung der Filmschätze, die im Lauf der Jahrzehnte aufgelaufen sind.

Bei MGM reicht die Bibliothek von Erich von Stroheim über James Bond bis zu Peter Jacksons Hobbit. Und nun ist es der Vertrieb, der sich eine Produktion kauft und das Oligopol von der anderen Seite her wieder zusammenbaut. Amazon zielt ja schon lange mehr als deutlich darauf ab, sich als Universallieferant zu positionieren. Und da spielt der dazugehörige Streamingdienst Prime eine wesentliche Rolle.

Lizenzlage oft kompliziert

Amazon Prime Video vor allem macht eine Mitgliedschaft attraktiv. Bisher war die Preisgestaltung für Prime so, dass man sich das auch neben Netflix leisten konnte. Bald aber dürften die Tarife steigen. Zu den bitteren Wahrheiten gehört dabei auch, dass Amazon an den 4.000 Filmen von MGM vielleicht gar nicht wirklich interessiert ist. Es geht wohl vor allem um die Rosinen. Bei den Bond-Filmen ist die Lizenzlage noch dazu kompliziert, weil andere Verträge hineinspielen.

Als der Fernsehkanal Turner Classic Movies in den 90er-Jahren damit begann, alte Filme auszustrahlen, wurde der Öffentlichkeit zum ersten Mal in Ansätzen das Ausmaß der alten Bestände von Warner, RKO und zum Teil auch MGM vertraut. Turner strahlte viele auch seltene Filme aus, machte aber auch durch Narreteien auf sich aufmerksam wie den Versuch einer nachträglichen Farbgebung für die Schwarz-Weiß-Filme.

Inzwischen konkurrieren die Plattformen, angeführt von Netflix, massiv mit den Fernsehsendern. Und Disney hat mit dem Erwerb von Fox vorgemacht, was Amazon nun mit MGM nachzuholen versucht. Auf Disney+ sind allerdings die Kinoklassiker von 20th Century Fox bisher kaum angekommen. Der Traum vieler Filmfreunde von einer großen digitalen Bibliothek der siebenten Kunst wird wohl mit den Konkurrenzkämpfen im neuen Plattform-Oligopol endgültig zunichtegemacht. (Bert Rebhandl, 28.5.2021)