Im Vergleich zu anderen Branchen kam der Buchhandel glimpflich durch die Krise. Viel Luft hat die Branche finanziell dennoch nicht.

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Wien – Sie telefonierten rund um die Uhr mit Kunden und brachten ihre Onlineshops zum Glühen. Sie breiteten Bücher für weniger internetaffine Leser auf dem Boden aus, fotografierten sie, um diesen die Wahl zu erleichtern. Sie schnürten in Akkordarbeit Pakete, deponierten Büchersackerln vor der Geschäftstür oder beim Bäcker ums Eck oder stellten diese nach Feierabend persönlich zu. Viele arbeiteten während der Lockdowns bis an die Grenzen der Selbstausbeutung. Mittlerweile zeigt sich: Die Mühe war nicht vergeblich.

Österreichs Buchhändler sehen nach mehr als einem Jahr Krise keinen Grund zu jubeln. Vor allem die ersten sechs Wochen des Stillstands erwischten viele kalt. Doch weit schneller als in anderen Branchen kehrte Leben zurück in ihre Geschäfte. Und zumindest für kurze Zeit ließ ihr Service auch den übermächtigen Rivalen Amazon alt aussehen.

Kostspieliges Onlinegeschäft

"Klar sind unsere Erträge unter Druck", sagt Helmut Zechner, Vorsitzender des Buchhändlerverbands. Zumal das Onlinegeschäft für geringere Deckungsbeiträge sorgt als stationärer Verkauf, denn die Kosten für Verpackung und Gratisversand nagen am Erlös. "Der Großteil der Betriebe kam jedoch mit einem blauen Auge durch die Pandemie", betont Zechner.

Auch Benedikt Föger, Präsident des Hauptverbands der Branche, glaubt nicht an ein Sterben kleiner Buchhändler infolge der Pandemie. "Geschäftsschließungen und Neugründungen werden sich auch künftig die Balance halten." Der stationäre Buchhandel büßte zwar im Vorjahr fast 13 Prozent an Umsatz ein. Der Buchmarkt in Summe verlor dank des boomenden Onlinehandels aber nur etwas mehr als vier Prozent an Absatz. Von Supermärkten abgesehen, kam kaum eine andere Handelsbranche so glimpflich über die Runden.

Ein hoher Grad an Digitalisierung auch kleiner Betriebe machte den Buchhandel krisenresistent. Die elaborierte Logistik ließ den Verkauf auch dann nicht versiegen, als alles rundum in Schockstarre verfiel. Und die Buchpreisbindung sorgte dafür, dass sich internationale Onlineriesen zumindest auf diesem Feld keinen Startvorteil verschaffen.

Schaden begrenzen

Kleine Händler konnten den Schaden eher begrenzen als Konzerne mit zahlreichen Filialen, ist Zechner überzeugt. Wie auch Geschäfte in Innenstädten ihre Existenz besser absicherten als jene in großen Agglomerationen.

Amazon konzentrierte sich in den ersten Monaten der Pandemie auf Ware mit hohen Erträgen. Bücher zählen nicht dazu. Der Einkauf bei Verlagen wurde für mehrere Wochen eingestellt, Auslieferungen verzögerten sich.

Es war unverhofftes Glück für kleine Händler, das zwar nicht lange währte, denn zu verlockend sind Daten über das Wesen der Konsumenten, die sich mit Büchern sammeln lassen. Doch diese wussten das Zeitfenster zu nutzen und erweiterten ihr Netz an Kunden.

Auch Hilfen der Regierung erwiesen sich als treffsicher, sind sich Föger und Zechner einig. Neben Kurzarbeit und Umsatzersatz verschaffte vor allem die Senkung der Mehrwertsteuer auf Bücher bis Jahresende der nicht gerade mit Rücklagen gesegneten Branche finanziell Luft.

In der Öffentlichkeit erhielten, angesichts des lahmgelegten Kulturbetriebs mit all seinen Film-, Theater- und Musikpremieren, literarische Neuerscheinungen eine größere Bühne.

Keinen Grund zu klagen sieht auch Thalia an seinen 37 Standorten in Österreich. Zwei kamen im Vorjahr hinzu. Die deutsche Buchhandelskette musste hierzulande beim Ergebnis Abstriche von 16 Prozent auf 8,5 Millionen Euro machen. Der Umsatz im Geschäftsjahr 2019/2020, das am 30. September endete, sank aber nur um fünf Prozent. Onlinehandel eingerechnet, dessen Umsatz in Deutschland verbucht wird, ergab sich sogar ein Zuwachs von 2,7 Prozent.

Kinderbücher statt Reiseführer

Thalia erzielt derzeit 30 Prozent des Umsatzes online, rechnet Unternehmenschef Thomas Zehetner vor. Nahezu jedem zehnten Bücherkauf in den Filialen gehe eine Bestellung via Internet voran. Zehetner zweifelt nicht daran, dass der Buchhandel, sofern er von weiteren Lockdowns verschont bleibt, rasch auf das Niveau der Jahre vor Corona zurückkehrt. Bis dahin baut das Unternehmen Abholstationen aus.

35 Prozent des gesamten Umsatzes bei Thalia basieren auf Sortimenten abseits von Literatur. Der Verkauf von E-Books, die im Urlaub für leichteres Gepäck sorgen sollen, stagnierte

Welche Bücher haben die Österreicher, während das Leben außerhalb der eigenen vier Wände erstarrte, gekauft? Vor allem Belletristik und Kinderbücher. Reiselektüre harrte besserer Zeiten. (Verena Kainrath, 28.5.2021)