Arnon Grünberg widmet sich in seinem neuen Buch dem Nahostkonflikt.

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Arnon Grünbergs bereits fünfzehnter Roman führt uns, sehr aktuell, in die von den Israelis besetzten Gebiete der Palästinenser, nimmt dabei aber zunächst den Umweg über Amsterdam: Dort lebt der angesehene Psychiater Otto Kadoke, ein säkularer Jude in mittleren Jahren, der "alternativ" die selbstmordgefährdete Michette betreut.

Er lässt sie bei sich wohnen, als Gegenleistung führt sie Pflegedienste an seiner gebrechlichen Mutter aus, die aber in Wahrheit sein queerer Vater ist, der bald genug davon hat, sich als Mutter zu verkleiden.

Michette ihrerseits hat genug von Kadokes Therapie und vertraut sich einem Schriftsteller an, der ihre Geschichte in einen Bestseller gießt, ergänzt um die literarische Überspitzung des sexuellen Missbrauchs. Den folgenden Skandal übersteht Kadokes Karriere nicht. Er ist seine Zulassung los und auch die Pflegekraft für seinen Vater.

Zufällig steht eines Tages seine deutlich jüngere entfernte Verwandte Anat vor der Tür, die streng gläubig in den besetzten Gebieten lebt. Unglücklich geschieden freilich, weil ihr impotenter erster Ehemann ihr keine Kinder zeugen konnte, was dort aber erste Pflicht zu sein scheint. Kadoke schläft mit ihr, was ihm gefällt, und verliebt sich vielleicht sogar in sie.

Da er nichts Besseres zu tun hat, folgt er ihrer Einladung, mit Vater, Sack und Pack nach Israel zu siedeln, wo er selbst "zum Hindernis auf dem Weg zum Frieden" wird. In der Siedlung ist es heiß, die Wohnverhältnisse sind bescheiden, und Anats Küche ist richtig schmutzig, da jeden Augenblick "der Ewige" auf die Erde kommen könnte. Putzen lohnt sich da nicht mehr.

Siedler und Beduinen

Die schrulligen Seiten des Siedlertums vereint Grünberg in der Figur von Anats Mutter. Diese meint, dass eine jüdische Ehefrau ihren Ehemann unbedingt mit der Schöpfkelle verdreschen soll, damit dieser im Bett besser performt.

Und in ihren Träumen empfängt sie Anweisungen des in Brooklyn im Koma liegenden Rabbis Menachem Elieser ben Zwi: Sie soll Kadoke und Anat vor der Eheschließung beim Geschlechtsverkehr zusehen, um sich zu versichern, dass seine Manneskraft für die erwünschten zehn bis zwölf Kinder reichen wird. Schließlich lebt man dort, wie man erfährt, "wie im 18. Jahrhundert".

Spätestens als Kadoke Fahed kennenlernt – einen Beduinen, der mit einer Jüdin verheiratet ist, ihn aber gleich einmal küsst –, werden die ohnehin komplizierten Verhältnisse – die sich aktuell in neuen Kämpfen zwischen Israel und der Hamas, aber auch in israelischen Städten entladen – noch einmal komplizierter.

Die Intention des Autors Arnon Grünberg, den Nahostkonflikt aus europäischer, säkularer Sicht (Kadoke) ebenso wie aus israelischer, religiöser Sicht (Anat) zu beleuchten, kommt hinter vielen, teils bemüht lustigen Einfällen leider etwas zu kurz. (Manfred Rebhandl, ALBUM, 29.5.2021)