Schwimmen ist in den österreichischen Lehrplänen verpflichtend für alle Schulstufen vorgesehen.

Foto: APA/dpa/Sina Schuldt

In diesem Jahr wird es aller Voraussicht nach mehr Nichtschwimmer geben als in den Jahren zuvor. Darin sind sich Expertinnen und Experten einig. Durch die Corona-Pandemie waren die Schwimmbäder in den vergangenen eineinhalb Jahren weitgehend geschlossen, der Schwimmunterricht ist meist ausgefallen. Das damit Entgangene wieder aufzuholen werde nahezu unmöglich sein, sagt etwa Schwimmlehrer Martin Grunert vom Dachverband der österreichischen Schwimmschulen.

Dabei gab es schon vor der Pandemie einigen Verbesserungsbedarf. Einer Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit zufolge konnten im Jahr 2019 rund 700.000 Menschen laut eigenen Angaben nicht schwimmen, das sind rund acht Prozent der Österreicher. Bei den unter 19-Jährigen sind sogar 34 Prozent Nichtschwimmer.

"Wir haben zwei Jahrgänge verloren, bis zum Sommer können wir das nie aufholen", sagt Schwimmlehrer Grunert. Schon allein deshalb, weil die Regeln für Schwimmbecken nach wie vor streng sind. Derzeit darf nur eine Schwimmerin oder ein Schwimmer pro zwanzig Quadratmeter Längen ziehen. "Manche Bäder sperren da gar nicht erst auf", sagt Grunert. Er kann mit seiner Schwimmschule derzeit nur zwanzig Prozent der üblichen Kurse anbieten. "Es gibt zu wenig Wasserflächen. Das war schon immer ein Problem, und durch die Corona-Auflagen wird das weiter verschärft." Ab 10. Juni dürfte sich die Situation aber bessern, dann wird die Abstandsregel auf zehn Quadratmeter pro Person gesenkt.

Verpflichtend laut Lehrplan

Schwimmen ist in den österreichischen Lehrplänen verpflichtend für alle Schulstufen vorgesehen. Alle Volksschullehrer sowie die Sport- und Bewegungspädagogen müssen eine Ausbildung in dem Bereich absolvieren. Ob und in welcher Form die Schülerinnen und Schüler die im Lehrplan vorgesehenen Ziele dann tatsächlich erreichen, hängt dabei oft davon ab, ob ein Bad in der Nähe der Schule ist und wie der Schwimmunterricht im Bundesland organisiert ist.

Laut der bereits erwähnten Studie des KFV bekommen siebzig Prozent jener Kinder, die Schwimmen lernen, dies von Mutter oder Vater beigebracht. Wie so oft hängt die Bildung also auch in diesem Fall vom Elternhaus ab. Je höher das Bildungs- und Einkommensniveau, desto eher können Kinder schwimmen, heißt es in der Studie.

Hälfte ohne Wassererfahrung

Das entspricht nicht ganz den Erfahrungen von Elisabeth Kellner. Sie ist bei der Bildungsdirektion Wien seit vielen Jahren für die Organisation der Schwimmkurse verantwortlich. "Die Hälfte der Kinder, die zu uns kommt, hat keine Wassererfahrung. Das zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten", sagt sie. Auch der Migrationshintergrund spiele keine Rolle.

In Wien mussten bisher alle dritten Volksschulklassen einen Schwimmkurs absolvieren. Durch die Corona-Krise hat es die Bildungsdirektion den Schulen freigestellt, ob sie heuer die dritten oder die vierten Klassen schicken. So können jene dritten Klassen, die im vergangenen Jahr nicht die Möglichkeit eines Kurses hatten, doch noch zum Zug kommen. Dass so trotzdem einige Jahrgänge kein Training besuchen können, bestreitet Kellner nicht. "Wir haben einfach nicht die Kapazität, um doppelt so viele Schülerinnen und Schüler zu unterrichten."

Rund 40 Tote pro Jahr

Warum so viele Eltern ihren Kindern das Schwimmen nicht beibringen, ist für Kellner unverständlich. Eine ihrer Erklärungen: "Vielen ist nicht bewusst, wie gefährlich Wasser ist. Ein Kleinkind kann in einer Lacke ertrinken." Der Grund: Kinder unter fünf Jahren können ihren im Vergleich zum restlichen Körper schweren Kopf nicht selbstständig aus dem Wasser ziehen. Sie verfallen in eine Starre mit Atemsperre und ertrinken lautlos. 2019 starben in Österreich 38 Personen durch Ertrinken, fünf davon waren unter 16 Jahre alt.

Am besten sei es, wenn das Kind erst einmal lerne, sich über Wasser zu halten, und danach einen Schwimmkurs besuche, sagt Kellner. Unbedingt notwendig seien solche professionellen Trainings aber nicht: "Man kann beim Lernen nicht so viel falsch machen, dass es ungesund wäre."

Schwimmlehrer wollen mehr Anerkennung

In der Steiermark gibt es keine zentral organisierten Schwimmkurse wie in Wien. Volksschuldirektorin Katharina Rettenbacher bietet den Kindern an ihrer Schule in der Ramsau deshalb die freiwillige Möglichkeit eines Privatkurses schon in der ersten Klasse an. "Die Kinder kommen mit sehr unterschiedlichen Schwimmkenntnissen zu uns in die Schule, da hilft uns die zusätzliche Unterstützung sehr", sagt sie. Im Schwimmkurs gebe es neben der Klassenlehrerin zwei professionelle Schwimmlehrer. Möglich ist dieser Schwimmunterricht, weil die Eltern ihn zusätzlich bezahlen und weil das örtliche Schwimmbad in Gehweite ist.

Einer der Schwimmlehrer, mit denen Rettenbacher zusammenarbeitet, ist Grunert. Der Vorteil professioneller Kurse sei, dass die Kinder mit ihm ganz anders umgehen würden als mit Mama oder Papa, meint er. Außerdem wüssten Schwimmlehrer mehr über Körperhaltung, Atemtechnik und Fehlstellungen von Füßen oder Beinen. Grunert hat vor kurzem den Dachverband der österreichischen Schwimmschulen gegründet. Er will mehr Anerkennung für seinen Berufsstand erreichen. "Die Corona-Krise hat gezeigt, dass wir kaum eine Lobby haben. Dabei ist Schwimmen die einzige Sportart, die Leben rettet", sagt er. (Lisa Kogelnik, 31.5.2021)