Bausünden sind die Leidenschaft der deutschen Architekturhistorikerin Turit Fröbe. Seit 20 Jahren fotografiert sie Häuser, die als architektonisch fragwürdig gelten. Mehrere Bücher hat sie dazu verfasst, jüngst Eigenwillige Eigenheime. Die Bausünden der anderen. Immer öfter bleibt der Blick der Urbanistin an Gartenzäunen hängen: "Früher waren die Fassaden die Träger der Bausünden. Heute geht das Engagement Richtung Garten", sagt sie.

Denn auch am Gartenzaun kann man sich "kreativ" austoben, etwa in Form von Betonformsteinen. Seit einigen Jahren wird laut Fröbe häufig zu einem Sichtschutz mit Fototapete, die in Doppelstabmattenzäune gefädelt wird, gegriffen. Beliebte Motive: Efeu oder Mauerwerk. Unlängst hat Fröbe in Berlin eine Fototapete mit einem neuen Motiv – die Abbildung eines Walds – erspäht. "Da hab ich mich fast zu Tode gefreut", sagt sie und klingt dabei ehrlich begeistert über so viel Geschmacklosigkeit.

Immergrüne Fototapete aus dem Baumarkt: Nicht nur Häuser, auch Gartenzäune haben das Zeug zur Bausünde, meint Turit Fröbe.
Foto: Turit Fröbe

Doch auch die Alternativen sind eine Herausforderung. Gegen die ohnehin stark klischeebelastete Thujenhecke spricht so einiges. "Die hat ein Problem bei uns", sagt Landschaftsplaner Joachim Kräftner. Er meint damit, dass sie häufig von Schädlingen befallen wird.

Auch sonst lässt die Hecke keine Freude aufkommen: "Ich habe in 25 Jahren keine Thujenhecke gesetzt und werde das auch nicht machen", sagt Landschaftsplanerin Ulrike Seher von Gruenhoch3.

Wildsträucher, Ziergräser

Kräftner empfiehlt stattdessen eine Wildstrauchhecke mit Rosen, Feldahorn, Holunder und Weißdorn für Insekten. Auch hohe Ziergräser könnten als Abschirmung im Sommer reichen.

Der Nachteil der Pflanzen: Man braucht Platz, den es auf kleinen Parzellen oft nicht gibt. Daher wird es am Ende der Zaun, mit dem der Mensch einst sein Territorium abgesteckt hat, um sich vor der Wildnis zu schützen. Nur sind es heute die Blicke der Nachbarn: "Bei vielen meiner Kunden steht der Sichtschutz im Vordergrund", sagt Seher. Mitunter kämen Anfragen für drei bis vier Meter hohe Zäune.

Dieses Haus versteckt sich hinter einem modularen Sichtschutz aus Beton.
Foto: Turit Fröbe

Der Zaun sei ein wesentliches Gestaltungselement im Garten, betont Seher – aber nur eines von vielen. In Kundengesprächen gehe es darum, die Aufmerksamkeit weg vom Zaun zu lenken. Durch gute Gliederung des Gartens sei am Ende die Abgrenzung nach außen oft nicht mehr wichtig. Etwa weil man im künftigen Sitzbereich ohnehin versteckt bleibt. Oft ergeben sich Zaun-Ideen auch mit Blick auf das Material, das beim Haus zum Einsatz kam.

"Aus einer Angst heraus" würden sich Menschen aber auch selbst oft "viel wegnehmen". Denn wer sich vor allen Blicken schützt, beraubt sich um Aus- und Weitblicke. "Man muss nicht immer gleich als Erstes nach dem Einzug eine Grenze ziehen", sagt Seher. "Oft entstehen Freundschaften mit den Nachbarn, und dann kommen ganz andere Ideen für einen Zaun." Stehen die mannshohen Zäune, ist es zu spät: "Nachbarschaft ist dann kaum noch möglich, weil man sich komplett aus dem sozialen Miteinander ausgrenzt", sagt Kräftner.

Bankerl vor dem Haus

Gartenzäune beschäftigen auch die Linzer Wohnpsychologin Barbara Perfahl: "Das Bedürfnis nach Privatsphäre ist auch kulturell bedingt", sagt sie. Hierzulande werden Gärten als erweiterter Wohnraum begriffen. Dass man diese abgrenzen möchte, findet Perfahl nachvollziehbar. Für gute Nachbarschaft sei aber wichtig, dass es andere, halböffentliche Bereiche gibt, in denen man sich treffen kann – etwa ein Bankerl vor dem Haus.

Dass ein Zaun sinnvoll ist, wird von niemandem in Abrede gestellt. Doch Landschaftsplanerin Seher wirbt für mehr Kreativität: "Als Sichtschutz kann auch eine Sitznische dienen. Oder man kann einen Teil des Zauns dichter machen, einen Teil lockerer." Und vielleicht, meint ihr Kollege Kräftner, braucht es den Schutz nicht auf jeder Seite des Gartens.

Trotzdem wird viele der Weg zum Gartenzaun weiter in den nächsten Baumarkt und vielleicht auch zur Fototapete führen: "Der dezidierte Wunsch eines Hausbesitzers, einen gestalterisch wertvollen Zaun zu entwickeln, kommt selten vor", sagt Kräftner. Turit Fröbe wird die Arbeit deshalb wohl nicht ausgehen. (Franziska Zoidl, 29.5.2021)