Ein Videostudio gibt es nicht mehr nur in traditionellen Medienhäusern. Auch die Wirtschaftskammer hat mittlerweile ein eigenes.

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"Fertig werden wir nicht mehr in diesem Leben", sagt Eva Weissenberger. Auch wenn ihr Newsroom der Wirtschaftskammer Österreich mit fast 43 Vollzeitkräften auf 553 Quadratmetern längst im Vollbetrieb arbeitet – samt Video- und Podcast-Studio. "So, wie sich Kommunikation ständig ändert, gibt es in dieser Arbeit kein ,fertig‘. Wir müssen unsere Prozesse und Skills ständig anpassen, wie es die Redaktionen von Medien tun müssen", sagt die Kommunikationschefin der Wirtschaftskammer.

Weissenberger war Chefredakteurin der Kleinen Zeitung in Kärnten und von News, arbeitete im ORF und war Podcast-Unternehmerin. Seit 2019 baut sie am Newsroom für die sehr föderal organisierte Standesvertretung und ihre weltweit 110 Außenwirtschaftsbüros. Zuständig für interne und externe Kommunikation, Marketing, Veranstaltungen. Nur drei der 43 Mitarbeitenden sind klassische Pressesprecher.

Immer mehr große und mittelständische Unternehmen – und Kammern – bündeln ihre internen und externen Kommunikationskanäle in sogenannten Corporate Newsrooms oder Corporate Mediahouses. "Sie sollen eine gemeinsame Geschichte authentisch erzählen", sagt Markus Schindler, Managing Partner der Strategie- und Kommunikationsberatung Panta Rhei. Etwa über ein Produkt oder das Innenleben der Firma in Artikeln, Newslettern, Social-Media-Videos oder im Intranet. Und wenn ein Shitstorm hereinbricht, kann auch synchron reagiert werden. Seit gut fünf Jahren berät und begleitet Panta Rhei Betriebe bei der Errichtung von Corporate Mediahouses. Anfangs zeigten laut Schindler besonders die Marketingabteilungen Widerstand, aus Angst, an Einfluss zu verlieren. Mittlerweile sei das aber weniger geworden.

Vorreiter

Wohl auch, weil große Unternehmen zeigen, dass es funktioniert. International gilt Siemens als Vorreiter, aber auch die Kommunikationsabteilungen großer Fußballvereine, die ihre Fans auf mehreren Kanälen mit Insights – in Message-Control-Manier – versorgen.

In Deutschland haben etwa die Deutsche Post, Deutsche Bank, Bosch und der Frankfurter Flughafen einen Newsroom. Hierzulande gehört die Wien Energie, die 2017 ihre Kommunikation umstrukturierte, zu den Pionieren. Auch die Voest, ÖBB, Arbeiterkammer oder A1 haben solche Abteilungen. Die Erste Bank arbeitet gerade daran.

"Die Digitalisierung hat die Kommunikation grundlegend verändert", sagt Weissenberger. Sie ist mit einer Vielzahl an Kanälen komplexer und ungleich schneller geworden. Wer da gehört werden will, müsse auf die veränderte Kommunikationslandschaft reagieren, ist Schindler überzeugt. "Um diese Herausforderungen zu meistern, haben sich Institutionen ein Beispiel am Journalismus genommen und ihre Arbeit genauso organisiert, wie es Medien tun", erklärt Weissenberger. Also etwa an Themen orientiert die Kanäle zu bespielen – in Content-Marketing, PR, Grafikdesign, Social Media, Event- und Produktmanagement oder der Telefonzentrale. Das steigere Output wie Synergien "enorm" und vermeide Doppelgleisigkeiten.

Auch bei der Wien Energie wollte man Silodenken aufweichen. Wegen der Informationsvielfalt brauchte es "eine ‚Kommandozentrale‘, wo die Themen fokussiert abgearbeitet werden", sagt Astrid Salmhofer, Leiterin der Unternehmenskommunikation. Der Newsroom liegt im Content- und Channel-Management, eingegliedert sind auch Angestellte aus Public Affairs und Brand-Management. Er sei aber offen für alle Fachabteilungen.

Gehört werden

Mit der Arbeitsweise könne man Themen "da draußen" besser aufgreifen und nutzen, um "eigenen Themen Aktualität und Relevanz zu geben". Zum Beispiel überlege man, wo die Wien Energie anknüpfen könne, wenn eine Klimakonferenz stattfindet. Oft griffen dann auch Journalisten Inhalte aus den Social-Media-Kanälen der Wien Energie auf und fragten nach Infos dazu.

Zu den Neulingen unter den Corporate Newsrooms gehört jener der Uniqa-Versicherung, der im Jänner in Betrieb genommen wurde. Er steht für Klara Trautner, Head of Channel-Desk, vor allem für "eine neue Denkweise, wie Themen bewertet, aufbereitet und über verschiedene Kanäle veröffentlicht werden." Sie leitet in Doppelspitze mit Sonja Schwarz, Head of Content-Desk, den Newsroom agil und mit Scrum- und Kanban-Methoden.

In der Praxis sieht das so aus: Content-Manager verantworten Themenbereiche und entwickeln mit internen und externen Experten Schwerpunkte und Storylines. Die Channel-Manager bereiten dann die Themen auf und sind zuständig für die Anliegen der Zielgruppen, Erfolgsanalyse und Optimierung.

Change-Prozess

Mit einem Newsroom gehen Change-Prozesse einher. Neue Rollen müssen geschaffen, Tools und Monitoring implementiert werden. Wichtig sei laut Kommunikationsberater Schindler, dass nicht nur Strukturen aufgebaut werden, sondern auch das Mindset: "Kommunikationsstrukturen müssen als Unternehmensstrukturen gesehen und Kommunikation als Managementthema verstanden werden."

Als Konkurrenz zu traditionellen Medien möchten sich die befragten Vertreterinnen der Kommunikationsabteilungen nicht sehen. "Medien ordnen Themen kritisch ein und gestalten den Diskurs. Mit dem Newsroom können wir am Diskurs noch besser teilnehmen und relevante Inhalte liefern", sagt Salmhofer. Die Zusammenarbeit werde so gestärkt. Auch Schindler findet, dass die betrieblichen Redaktionen keine Konkurrenz sind: "Sie haben auch eine andere Aufgabe." Dass dabei aber (vorwiegend) jene Informationen, die den Betrieb in ein gutes Licht rücken, verbreitet werden, scheint erwartbar. (Harald Fidler, Gudrun Ostermann, Selina Thaler, 1.6.2021)