Hermann Erlach (47) kam nach Stationen in großen Beraterhäusern 2015 zu Microsoft und ist seit Mai Geschäftsführer in Österreich.
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Mit der Ankündigung, in den kommenden zwei bis vier Jahren rund eine Milliarde Euro in den Aufbau von Data-Centers zu investieren und damit nicht nur 29.000 zusätzliche Jobs im Bereich der IT zu schaffen, sondern für die heimische Wirtschaft ein großes Stück digitaler Infrastruktur aufzubauen, hat sich die österreichische Niederlassung des US-Giganten Microsoft hierzulande in eine Pole-Position des "Digitalisierungsschubs" gebracht.

Zudem hat Microsoft gemeinsam mit dem Arbeitsmarktservice und verschiedenen Bildungspartnern in den kommenden drei Jahren vor, 125.000 Menschen pro bono in der sogenannten Digital Literacy zu schulen, und ist in zahlreichen Schulprojekten aktiv. Hermann Erlach, seit Mai neuer Microsoft-Boss in Österreich mit rund 350 Mitarbeitern, 4000 Partnern und einem kolportierten Umsatz von rund einer halben Milliarde Euro (der Konzern, der im ersten Quartal des Jahres bei umgerechnet rund 35,5 Mrd. Euro Umsatz etwa 15,5 Mrd. Gewinn auswies, legt die Länder nicht einzeln offen), erklärt die Strategie. Wichtig ist ihm, jetzt "in der ausklingenden Pandemie" nicht "wieder in das alte Schema der Arbeitswelt zurückzufallen".

STANDARD: Microsoft investiert kräftig in die Unterstützung der Digitalisierung – ist das Teil des Business-Developments?

Erlach: Da geht es nicht um unsere Produkte, sondern um Change-Management. Die schönste Autobahn nützt ja nicht, wenn niemand darauf fahren kann. Es gibt die Plattformen, aber wir Menschen hinken ein bisschen hinterher – dass sich aber möglichst viele in der digitalen Welt gut bewegen können, ist Grundlage unseres Wachstums. Wir sind ein österreichisches Unternehmen. Das muss uns ein Anliegen sein – wir sehen ja, dass sich fast alle Berufsbilder extrem verändern. Routinetätigkeiten werden stark automatisiert. In unserer internationalen Untersuchung gemeinsam mit der Economist Intelligence Unit gehen wir davon aus, dass 50 Prozent der Arbeitsstunden 2025 von Maschinen erledigt werden. Wir müssen aber jetzt etwas tun – es geht um einen Umbau der Arbeitswelt und vor allem um ein Upskilling.

STANDARD: Derzeit ist die Paradoxie am Arbeitsmarkt extrem: auf der einen Seite Arbeitslosigkeit und Angst vor Automatisierung und auf der anderen Seite Mangel an IT-Fachleuten. Ist die erhoffte schöne neue Arbeitswelt ein Elitenprogramm?

Erlach: Wir als Menschen – und das ist die schöne Vision – müssen in den Kreativbereich. Wenn wir da Menschen zurücklassen und nicht mitnehmen, dann haben wir ein gesellschaftliches Problem. Es kann nicht jede und jeder in alles umgeschult werden, das ist richtig. Allerdings sehen wir all die Berufsbilder, die jetzt gerade entstehen, ja noch gar nicht klar. Es wird nicht alles "high demand" sein, da entsteht gerade sehr viel. Und jede oder jeder, die oder den wir upskillen können, ist ein Gewinn. Das ist meine Überzeugung. Was wir aber auch tun müssen, ist, die geistige Mobilität zu fördern, das Mindset zu öffnen, wir wollen Funken versprühen, um umzudenken, sich zu entscheiden, umzuschulen.

STANDARD: Wie erleben Sie die Fragen bei Ihren Kunden?

Erlach: Ein riesiges Thema ist natürlich die IT-Sicherheit. Viele KMUs sind verzweifelt, werden erpresst, ihre Daten werden abgesaugt. Aber auch für die Unternehmenskulturen ist die New World of Work Mainstream geworden. Einige denken, nach Corona kann ich wieder zurück. Das hat mit dem Mindset von Managern zu tun, die ihre Leute kontrollieren wollen. Ich glaube, das geht absolut nicht. Das Arbeitsumfeld, die Arbeitsorganisation muss komplett neu gedacht werden. Homeoffice ist nur ein kleiner Teil davon. Pandemiebedingtes Homeoffice und neue Arbeitswelt sind auch nicht dasselbe. Wirklich umdenken bedeutet, Arbeit nach Impact zu definieren und zu bewerten, nicht nach Arbeitszeit und schon gar nicht nach Präsenzleistung. Mitarbeiter werden zufriedener, wenn die Arbeit so neu organisiert wird. Vor allem die nachkommenden Generationen fordern das auch ein.

STANDARD: Das Arbeitsrecht definiert im Wesentlichen aber Zeit versus Geld zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ...

Erlach: Das Arbeitsrecht braucht wohl auch modernere Strukturen. Wir arbeiten auch mit dem Arbeitsminister zusammen, wenn es um die Grundlagen für die neue Arbeitswelt geht.

STANDARD: Wellbeing ist das neue Zauberwort guter Unternehmenskultur in der neuen Arbeitswelt. Was ist aus Ihrer Sicht gemeint?

Erlach: Digitalisierung lässt Datenmengen und die notwendige Kommunikation explodieren. Wir kennen das alle, wie anstrengend es ist, dauernd auf diversen Kanälen unterwegs zu sein. Da müssen wir auch vom reinen Produktivitätsthema weg. Jemand, der täglich hunderte Mails beantwortet plus auf vielen Kanälen kommuniziert, dem wird es mittelfristig nicht gut gehen. Da kann und sollte auch mittels Technologie – Priorisierungen, Präferenzen, Pauseneinstellungen – dagegen gearbeitet werden. Das Thema ist riesig und geht bis zu neuen Zielvereinbarungen und Erhebungen, was die Einzelnen brauchen, um ihren Impact zu leisten und ihre Arbeit als sinnvoll zu erleben. (Karin Bauer, 4.6.2021)