Ziemlich peinlich, wenn der Rektor der Uni Wien das Logo der Uni von der Präsentation einer "Islamlandkarte Österreich" zurückzieht. Einen Tag nachdem Integrationsministerin Susanne Raab ebendiese Landkarte stolz als Produkt der bei ihr angesiedelten "Dokumentationsstelle Politischer Islam" vorgestellt hat. Noch peinlicher, wenn der Rektor als Begründung angibt, das stünde nicht im Einklang mit den "inhaltlichen Positionen" der Uni.

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP).
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wir haben es hier wieder einmal mit einer – kontraproduktiven – türkisen Inszenierung zu tun. Eine "Landkarte", auf der über 600 muslimische Vereine aufgelistet sind, teils mit veralteten Angaben (die Liste gibt es schon länger), teils mit Privatadressen von Funktionären, trägt nicht besonders zur Aufklärung über das muslimische Leben bei – außer man betrachtet die Reaktion etlicher Bürger ("Wahnsinn, so viel Islamistenvereine gibt es!") als wünschenswert. Der Verdacht besteht, dass Ministerin Raab jetzt einmal irgendein Ergebnis der vor einem Jahr gegründeten "Dokumentationsstelle Politischer Islam" vorzeigen wollte.

Gut, jetzt wissen wir, dass eine Religion mit 700.000 Mitgliedern viele Vereine hat; aber die "Landkarte" unterscheidet nicht klar zwischen harmlos und weniger harmlos. Man kann sich den Aufschrei vorstellen, wenn plötzlich alle christlichen oder jüdischen Organisationen unter "politischer Katholizismus" oder "politisches Judentum" aufgelistet würden.

Nützlicher Überblick

Raab präsentierte die Landkarte gemeinsam mit den anerkannten islamischen Religionswissenschaftern Ednan Aslan (Uni Wien) und Mouhanad Khorchide (Uni Münster). Die beiden eher liberalen Muslime sitzen auch im Beirat der "Beobachtungsstelle Politischer Islam". Aslan versuchte, die Liste als nützlichen Überblick darzustellen und als Versuch, "die Muslime sichtbar zu machen". Khorchide verweist darauf, dass das viel wichtigere Forschungsergebnis drei Dossiers über drei große muslimische Vereine seien, nämlich die Atib (die von der türkischen Regierung beherrscht wird), Millî Görüş (eine nationalreligiösen Bewegung), und die ebenfalls türkischen Grauen Wölfe, die klar rechtsextrem sind. Das wäre doch der eigentliche Leistungsbeweis der "Dokumentationsstelle", meinte Khorchide. Das hätte er aber Raab sagen müssen.

Die Dossiers über die drei Vereine sind interessant, aber nicht brandneu. Dass die Atib eng mit der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet verbunden ist, wusste man. Ein Vertreter der Saadet-Partei ist bei den Palästina-Demos im Mai durch antisemitische Parolen aufgefallen. Wie sehr Saadet noch mit Millî Görüş zusammenhängt, ist unklar. Am detailliertesten ist die Studie über die Ülkücü-(Graue Wölfe-)Bewegung, bei der sich "Jugendkultur mit einer gewaltverherrlichenden, antisemitischen und rassistischen Ideologie bzw. mit Elementen des Islamismus vermengt". Die kurden-, armenier- und judenfeindliche Bewegung ist kürzlich in Wien-Favoriten bei Demos aufgetreten.

Es gibt selbstverständlich einen politischen Islam. Und er ist gefährlich, kein Zweifel – vor allem, wenn sich die Söhne türkischer und arabischer Einwanderer dritter Generation organisieren und verbünden. Aber mit solchen "Landkarten" wird man seiner nicht Herr werden können. Apropos: Was wurde eigentlich aus der großen Razzia gegen die Muslimbrüder vom vergangenen Spätherbst – die auch laut interner Analyse des Verfassungsschutzes so viel Personal erforderte, dass für die Observierung des islamistischen Attentäters vom 2. November leider keine Ressourcen frei waren? (Hans Rauscher, 29.5.2021)