Franco Foda hat hohe Erwartungen an sich selbst: "Wir müssen wieder gemeinsam als Team arbeiten."
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Das ÖFB-Team hat in Bad Tatzmannsdorf die EM-Vorbereitung aufgenommen. Am 2. Juni wird in Middlesbrough gegen England geprobt, vier Tage später in Wien gegen die Slowakei. Danach wird das Base Camp in Seefeld bezogen. Erster EM-Einsatz: 13. Juni in Bukarest gegen Nordmazedonien.

STANDARD: Was ist das Minimalziel für die EM?

Foda: Ich halte nicht viel von Ankündigungen. Wir wollen ein Spiel gewinnen, das ist noch keiner österreichischen Nationalmannschaft bei einer EM gelungen, das wäre historisch. Am besten gleich zum Auftakt gegen Nordmazedonien, es ist die wichtigste Partie. Schaffen wird das, könnten wir den Schwung, die Energie mitnehmen und neue Ziele definieren. Alle Mannschaften wollen die Gruppenphase überstehen. Das ist völlig normal.

STANDARD: Die Gruppe C mit den Niederlanden, der Ukraine, Nordmazedonien und Österreich ist international gesehen nicht gerade spektakulär. Sogar Ihr niederländischer Kollege Frank de Boer sagt, seine Mannschaft zähle nicht zu den Favoriten. So hart es auch klingen mag: Wäre es nicht blamabel, in der Gruppenphase zu scheitern? Zumal auch die vier besten Dritten weiterkommen.

Foda: In der Gruppe sind die Niederlande der Favorit, dann ist alles ausgeglichen. Nordmazedonien hat Qualitäten, hat Deutschland geschlagen. Die Ukraine kann auf Topspieler zurückgreifen. Entscheidend ist, dass wir unsere Leistung abrufen. So, wie wir es in der Qualifikation gemacht haben. Wir müssen an unserem Spiel arbeiten, an die Grenzen gehen. Im Vorfeld über mögliche Szenarien zu reden, ist sinnlos. Wir müssen einen klaren Blick bewahren, Kleinigkeiten entscheiden. Hätte Alaba 2016 gegen Ungarn in der zweiten Minute nicht die Stange, sondern ins Tor getroffen, dann wäre vermutlich immer noch Marcel Koller Teamchef – und nicht ich. Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt liegen eng beisammen.

STANDARD: Wer ist der Topfavorit?

Foda: Bei Turnieren gibt es oft Überraschungen, das macht die Faszination aus. Ich denke an Griechenland 2004 oder Dänemark 1992. Die sind aus der Burgerbude oder dem Urlaub gekommen und wurden Europameister. Topfavoriten sind die üblichen Verdächtigen. Frankreich, Spanien, Italien, Belgien, England, Deutschland, eventuell Dänemark und die Niederlande.

STANDARD: Der jüngste Lehrgang, die WM-Quali, war nicht gerade ein Mutmacher. 2:2 Schottland, 3:1 Färöer und als Tiefpunkt das 0:4 gegen Dänemark. Welche Lehren haben Sie gezogen? Selbstkritik?

Foda: In Schottland hätten wir gewinnen müssen, gegen Färöer haben wir gewonnen, der Sieg hätte höher ausfallen können. Schlecht war Dänemark, das sollte nicht passieren. Wir haben uns selbst reflektiert, im Betreuerstab sachlich und ruhig analysiert. Die erste Halbzeit war ja noch in Ordnung, beide Teams hatten keine Torchancen.

STANDARD: War die zweite Halbzeit ein kollektiver Aussetzer?

Foda: Ja. Nach dem 0:1 hat uns der Glaube an die eigene Qualität gefehlt. Wir waren im Kollektiv nicht in der Lage, das Spiel zu drehen. Wir wurden im eigenen Stadion ausgekontert, hatten keine Staffelung in Breite und Tiefe. Wir haben in der Quali gut gegen den Ball gearbeitet, haben wenig zugelassen, dynamisch nach vorn gespielt. Das müssen wir adaptieren, wir dürfen nicht so viel quer und zurückspielen. Wir müssen wieder gemeinsam verteidigen, gemeinsam angreifen, als Team arbeiten.

STANDARD: Speziell in den sozialen Medien, aber auch von Fachleuten, werden Sie kritisiert. Das Team spiele langweilig, unattraktiv, kein Pressing, es sei kein System, kein Plan erkennbar, heißt es. Was entgegnen Sie?

Foda: Ich bin in den sozialen Netzwerken nicht unterwegs.

STANDARD: Okay, es gibt acht Millionen Teamchefs, aber der Stellenwert der Nationalmannschaft scheint gesunken zu sein. Stimmen Sie dem zu?

Foda: Ich kann damit nichts anfangen. Seit fast eineinhalb Jahren befinden wir uns wegen Corona in einer Extremsituation. Es herrscht nirgendwo eine Euphorie, dass die EM stattfindet. Das Nationalteam genießt dennoch einen Stellenwert, die Leute werden es unterstützen. Wir hatten sowohl in der EM-Qualifikation als auch in der Nations League einige gute Spiele mit einigen guten Phasen, aber natürlich war nicht alles optimal, keine Frage. Und trotzdem waren wir erfolgreich. Es gibt eben Gegner, die versuchen, unser Spiel zu zerstören. Das gelingt manchen. Es gibt weniger Räume, weniger Platz.

STANDARD: VieIe Spieler zeigen bei ihren Vereinen bessere Leistungen.

Foda: Im Verein ist es anders, da bist du täglich im gewohnten Umfeld, kennst die Abläufe. Messi spielt in Argentinien auch nicht so wie in Barcelona. Und Lewandowski macht für Polen nicht so viele Tore wie für die Bayern.

STANDARD: Im 26-Mann-Kader stehen lediglich zwei Spieler aus der österreichischen Bundesliga – Tormann Alexander Schlager und Andreas Ulmer. Ein Armutszeugnis?

Foda: Nein, das sagt nichts über unsere Liga aus. Es heißt, dass viele gute Spieler früh aus Österreich ins Ausland wechseln. Vor zehn Jahren war das nicht so. Und Red Bull Salzburg hat eben viele Legionäre.

STANDARD: Gibt es für Sie Schlüsselspieler, die den Unterschied ausmachen, die fast unverzichtbar sind?

Foda: Du hast eine gewisse Achse. Hinteregger, Alaba, Kapitän Baumgartlinger über Sabitzer bis hin zu Arnautovic. Zuletzt haben immer einige gefehlt. Was wir nicht haben, sind Blöcke, Gerüste von einem Verein. England hat viele Spieler von Manchester City, Deutschland von Bayern, die Niederlande von Ajax, die Ukraine von Dynamo Kiew.

STANDARD: Österreich zählt zu den wenigen Teams, die keine klare Nummer eins haben. Ist das nicht fahrlässig? Brauchen nicht gerade Torhüter das Gefühl von Sicherheit und Vertrauen? Es ist schon ziemlich spät, oder?

Foda: Das ist ein Thema, das die Öffentlichkeit beschäftigt. Wir haben klare Abläufen, haben zu allen Torwarten Vertrauen, werden vor der EM eine Nummer eins bekanntgeben. Robert Almer ist unser Torwarttrainer, er analysiert und beobachtet sie, macht Vorschläge. Dann entscheiden wir gemeinsam.

STANDARD: Schlager, Pervan und Bachmann stehen zur Auswahl. Fehlt ein außergewöhnlicher Keeper?

Foda: Ich rede nicht über einzelne Spieler, wir glauben an alle drei.

STANDARD: Wird in den Tests gegen England und Slowakei noch probiert, gewechselt?

Foda: Vor dem Spiel gegen Nordmazedonien herrscht Klarheit.

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"Was wir nicht haben, sind Blöcke, Gerüste von einem Verein."
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STANDARD: Jürgen Säumel ist der neue Co-Trainer. Seine Aufgaben?

Foda: Er übernimmt die Agenden von Imre Szabics, macht die Spielvorbereitung, die Videoanalysen und unterstützt die Trainingsarbeit auf dem Platz.

STANDARD: Es ist eine spezielle EM. Wegen Corona wird sie in einer Blase abgewickelt. Es wird in elf Länden gekickt, das Flair geht verloren. Es ist wie in einer Qualifikation, nach jeder Partie fliegt man heim. Ist es schwierig, ein Feeling aufzubauen?

Foda: Ich persönlich und auch die Mannschaft verspüren Vorfreude. Die Anspannung wächst. Aber wie gesagt, man hat im Moment nicht das Gefühl, dass eine große Veranstaltung naht. Es sind zwar wieder Zuschauer erlaubt, aber keiner weiß, wie er einreisen und wieder ausreisen kann. Das macht die Menschen unsicher. Keine Ahnung, ob eine Stimmung aufkommt. Ich hoffe es sehr. Bei der WM in Russland haben unterschiedliche Fankulturen miteinander gefeiert, da ging es auch um soziale Aspekte, um den Austausch. Es ist für alle Neuland unter erschwerten Bedingungen. Trotzdem ist es ein Großereignis.

STANDARD: Werden alle Spieler geimpft sein?

Foda: Ich weiß nicht, ob manche bereits bei ihren Vereinen geimpft wurden. Das klärt unser Arzt ab.

STANDARD: Geht es nicht auch um Ihren Job, verspüren Sie Druck?

Foda: Nein. Ich habe eine hohe Erwartung an mich selbst, stecke mir die höchsten Ziele. Weil ich der Meinung bin, nur wenn du an das Große glaubst, kannst du es erreichen. Ich bereite die Mannschaft wie immer vor, wir haben unsere Ziele immer erreicht. Letztendlich zählt das Ergebnis. Wird auch schön gespielt, was ich anstrebe, ist es perfekt.

STANDARD: Hat Österreich eine gute, aber keine sehr gute Mannschaft?

Foda: Wenn alle Mann an Bord und fit sind, ist vieles möglich, da kann man sich mit den Allerbesten messen. Ob gut, sehr gut oder gar überragend, wird auf dem Platz entschieden – nicht beim Reden. (Christian Hackl, 29.5.2021)