"An der Saale hellem Strande" heißt der "Polizeiruf 110" mit den neuen Ermittlern Michael Lehmann, gespielt von Peter Schneider (li.), und Peter Kurth als Kommissar Henry Koitzsch. Die Story aber ist düster.

Foto: MDR/filmpool fiction/Felix Abrah

Es gibt wieder einen runden TV-Geburtstag. Im Herbst 2020 wurde der Tatort 50 Jahre alt, Ende Juni ist es beim Polizeiruf 110 so weit. Die erste Folge wurde am 27. Juni 1971 im DDR-Fernsehen ausgestrahlt. Die Feierlichkeiten beginnen jetzt schon, am Sonntag kehrt der Polizeiruf mit neuen Ermittlern nach Halle (Sachsen-Anhalt) zurück: Peter Schneider spielt Michael Lehmann, Peter Kurth ist als Kommissar Henry Koitzsch zu sehen – um 20.15 Uhr in der ARD.

STANDARD: Der neue "Polizeiruf 110" kommt aus Halle an der Saale, wo Sie zur Schule gingen. Gibt es weitere Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und Kommissar Michael Lehmann?

Schneider: Ich war in Halle von 1985 bis 1990 einmal pro Woche an der Spezialschule für Musik als Externer. Ich habe zwei Kinder, der Kommissar drei, wir sind Familienmenschen. Abgesehen davon sehe ich wenig Überschneidungen. Aber ich freue mich natürlich sehr, dass Halle wieder einen Polizeiruf hat.

STANDARD: Sie ermitteln gemeinsam mit Peter Kurth. Der spielt den raubeinigen, trinkfesten Kommissar Henry Koitzsch, der auch mal ausflippt. Hätten Sie für Ihren Charakter auch gern mehr Kanten?

Schneider: Gar nicht. Ich finde diese Konstellation gut. Beide Ermittler sind sehr geerdete, empathische Menschen, die aufeinander aufpassen. Es ist fast wie eine Vater-Sohn-Beziehung, so etwas gibt es ja öfters bei der Kripo. Das haben die Drehbuchschreiber gut beobachtet.

STANDARD: Der "Polizeiruf 110" wurde ab 1971 im DDR-Fernsehen ausgestrahlt und überlebte die Wende. Wie viel DDR steckt in der Jubiläumsfolge?

Schneider: Es wird einiges über Menschen erzählt, die die Wende 1989 als großen Einschnitt erlebt und dabei nicht unbedingt gewonnen haben. Das ist spezifisch für den Osten, wo eine ganze Republik verarbeiten musste, dass ein System plötzlich nichts mehr galt, und man vieles neu lernen musste.

STANDARD: Sie stammen aus Leipzig. Wie haben Sie 1989 erlebt?

Schneider: Das war schon eine einmalige Sache – zu merken, dass auch innerhalb eines Staates und einer Gesellschaft nichts feststeht, dass plötzlich alles ganz anders kommen kann. Aus dieser historischen Erfahrung kann man viel lernen, sie macht einen irgendwie auch weniger angreifbar.

STANDARD: Haben Sie schon als Kind in der DDR den "Polizeiruf" gesehen?

Schneider: Ja natürlich, ich bin mit dem Polizeiruf aufgewachsen. Der gehörte im Osten zur Fernseh-Sozialisation wie im Westen der Tatort. Ich bin auch sehr froh, dass der Polizeiruf es ins gesamtdeutsche Fernsehen geschafft hat, so wie das Sandmännchen.

STANDARD: "Polizeiruf" oder "Tatort", wie beantworten Sie denn diese Gretchenfrage?

Schneider: Natürlich gibt es auch ganz tolle Tatort-Filme. Aber mir ist der Polizeiruf emotional näher als der Tatort. Im Polizeiruf sind zwar die Fälle nicht so spektakulär und die Jagden nicht ganz so wild. Es geht vielleicht mehr um die Menschen und um deren Sozialisation. Die Figuren bekommen Raum und können erzählen, wie sie zu dem wurden, was sie sind. Es wird ja kein Mensch schon böse oder kriminell geboren. Aber so etwas kann man natürlich auch in Duisburg erzählen.

STANDARD: Apropos Duisburg. Mochten Sie den legendären Ruhrpott-Kommissar Schimanski?

Schneider: Ich war totaler Fan, das war ein sehr volksnaher Kommissar. Wir hatten ja in der DDR auch einen "Schimanski des Ostens": Leutnant Thomas Grawe, gespielt von Andreas Schmidt-Schaller.

STANDARD: Der fiel zwar ab 1986 als Ostermittler aus der Reihe, so wild wie Schimanski war er aber dann doch nicht.

Schneider: Für DDR-Verhältnisse war er ganz schön wild. Mehr ging damals nicht. Im DDR-Polizeiruf wurde der Staat ja immer auch sehr gut dargestellt. Mich freut es jedenfalls sehr, dass Andreas Schmidt-Schaller alias Thomas Grawe in unserem Polizeiruf als mein Schwiegervater wieder dabei ist. (Birgit Baumann, 29.5.2021)