Ein Foto der letzten regulären Regenbogenparade 2019: An die 500.000 Teilnehmer feierten rund um den Ring. Seit Corona unvorstellbar.

Foto: APA/Neubauer

Zwar beginnt mit Juni in Österreich der sogenannte Pride-Monat, und es gibt dieses Jahr das 50-jährige Ende des Totalverbots gleichgeschlechtlicher Sexualkontakte zu feiern. Regelmäßig werden allerdings auch 2021 noch Regenbogenfahnen – das Symbol der LGBTIQ-Community – gestohlen, zerrissen oder verbrannt. Erst vor wenigen Tagen wurde beispielsweise eine Regenbogen-Sitzbank in Innsbruck in den Inn geworfen worden. Und sogenannte Konversions- oder Umpolungstherapien, die Homosexualität heilen sollen, finden in Österreich nach wie vor statt.

Gesellschaftliche Herausforderungen

Yannick Shetty, LGBTIQ-Sprecher der Neos, sagt deswegen, es gebe in dem Zusammenhang ein lachendes und ein weinendes Auge: Man habe zwar rechtlich in den letzten 50 Jahren viel erreicht – wobei sich das nicht die Politik zuzuschreiben habe, sondern der Verfassungsgerichtshof –, gesellschaftlich gebe es für homo-, bi-, inter- sowie transsexuelle und queere Menschen aber nach wie vor "massive Herausforderungen". Österreich performt laut einer Umfrage der Europäischen Grundrechteagentur aus dem Jahr 2020 unterdurchschnittlich – etwa wenn es darum geht, wie viele Jugendliche in der Schule etwas über LGBTIQ-Themen hören bzw. lernen: Nur 30 Prozent bejahen das. Und 44 Prozent jener Kinder und Jugendlichen, die nicht heterosexuell sind, geben an, in der Schulzeit gemobbt worden zu sein. "Gerade im jugendlichen Alter sind viele mitten in der sexuellen Selbstfindung. Jugendliche brauchen deswegen besonderen Schutz", sagt Shetty.

Neos fordern Verbot

Die Pinken erneuern deswegen ihre Forderung, die sogenannten Umpolungstherapien zu stoppen – eine entsprechende Petition kann online unterzeichnet werden. "Es ist fatal und krank, dass es die noch immer gibt", sagt Shetty. In Deutschland habe man es mit einem konservativen Gesundheitsminister geschafft, diese "Therapien" zu verbieten. Das müsse auch in Österreich möglich sein, denn "da wird suggeriert, dass etwas an dir krankhaft ist – wobei ja genau das krank ist". Es sei bekannt, dass solche Umpolungsversuche massive Folgeschäden für betroffene Kinder und Jugendliche bedeuten, dabei sei das Suizidrisiko unter LGBTIQ-Jugendlichen ohnehin schon fünfmal höher, sagt Shetty.

Enttäuscht über die Grünen

Enttäuscht sind die Pinken vor allem von den Grünen: Diese hätten in der Regierung zwar nicht unbedingt ihre Ideale über Bord geworfen, aber sie hätten der Community gezeigt, dass sie keine verlässlichen Partner sind. "Österreich hinkt wieder einmal hinterher, was ein Verbot betrifft", sagt Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) dazu. Er wünscht sich von der Bundesregierung den Mut, solche Maßnahmen endlich zu unterbinden, und kritisiert ebenfalls, dass es meist die Gerichte waren, die wichtige Errungenschaften für die LGBTIQ-Community erreichten, zuletzt etwa die Eintragungsmöglichkeit für ein drittes Geschlecht.

2019 wurde ein SPÖ-Antrag für das Verbot der Konversionstherapien an Minderjährigen einstimmig angenommen, in der Folge entschied die Arbeitsgruppe dazu aber, dass die gesetzlichen Regelungen dafür bereits ausreichend seien, es gebe bereits Konsequenzen, wenn jemand gegen seine Berufsverpflichtungen verstoße. Zu einem gesetzlichen Verbot kam es deswegen nicht, lediglich ein Info-Schreiben mit der derzeitigen Rechtslage wurde an Behörden, Kammern und Berufsverbände verschickt. Das Problem: Shetty zufolge passieren solche "Heilungsversuche" auch außerhalb medizinisch-therapeutischer Settings, etwa bei Freikirchen oder in Feriencamps.

Safe Spaces und Sensibilisierung

Neben dem Verbot der Umpolungstherapien braucht es laut den Neos auch mehr queere Jugendzentren, um "Safe Spaces" für LGBTIQ-Jugendliche zu schaffen. Shetty, selber schwul und in Tirol aufgewachsen, betonte, dass dies besonders im ländlichen Raum notwendig sei. "Damals in Tirol war man weit entfernt von so etwas." In Wien werde derzeit an einem solchen Zentrum gearbeitet, sagt Wiederkehr.

Ein weiterer Punkt auf der pinken LGBTIQ-Agenda: Sensibilisierungsmaßnahmen gegen Homophobie, angefangen vom Sport über staatliche Institutionen wie die Polizei bis in die Schulen. "Bei Türkis-Grün passiert hier einfach zu wenig", wiederholt Shetty seine Kritik an der Bundesregierung.

Warum Pride wichtig ist

Der am Dienstag beginnende Pride-Monat sei ein ganz wichtiger Monat für die Community, sagt Shetty, "weil man – als Ausnahme der Regel – einmal sichtbarer ist als die Mehrheitsgesellschaft".

Die Regenbogenparade wird es im Gegensatz zum vergangenen Jahr aber wieder geben: Am 19. Juni zieht die Parade durch Wien – dieses Jahr übrigens zum 25. Mal –, allerdings ist es 2021 eine Fuß- und Fahrraddemo, die geschmückten Wägen wird es nicht geben. Letztes Jahr war die Parade ganz ausgefallen, stattdessen gab es einen Autokorso um den Ring.

Auch wenn das Motto "Stay safe, stay proud" laute, sei gerade im vergangenen Jahr klar geworden: Viele LGBTIQ-Menschen seien keineswegs sicher, manche nicht einmal in ihrer eigenen Familie, heißt es in einer Aussendung der Organisatorinnen und Organisatoren. Daher brauche es mehr Sichtbarkeit und Demonstrationen denn je.

Im Zeichen der Sichtbarkeit

Die Parade ist der krönende Abschluss der Vienna Pride. Dabei handelt es sich um eine mehrwöchige Veranstaltung der LGBTIQ-Community: Diskussionen, Filme, Workshops und Online-Führungen zählen dieses Jahr zum Programm, das meiste davon wird online stattfinden. 2021 liegt der Fokus der Vienna Pride auf der Sichtbarkeit: Ab Dienstag werden viele Schulen der Stadt mit Regenbogenflaggen ausgestattet, am Samstag findet die Wiener Fensterlparade statt, bei der die Organisatorinnen und Organisatoren dazu aufrufen, Fenster und Balkone zu beflaggen. Ab dem 7. Juni hissen Theater, Universitäten, Wiener Wohnen, Wigev-Spitäler und weitere Kooperationspartner die Regenbogenfahne. Und die Straßenbahnen fahren traditionell im Zeichen von Vienna Pride wieder den ganzen Juni über mit der Regenbogenfahne durch Wien. (Lara Hagen, 31.5.2021)