Im April 1672 verließ die Hebamme Ana d'Avalos nach einem mehr als fünfjährigen Aufenthalt den Kaiserhof in Wien. In diesem halben Jahrzehnt hatte sie die aus Spanien stammende Kaiserin Margarita Maria Theresa bei nicht weniger als sechs Schwangerschaften begleitet. Ihrem Abschied vorausgegangen war der Tod einer Prinzessin, die nur zwei Wochen nach ihrer Geburt verstarb.

Auf Hebammensuche in Spanien

Nach der Entlassung der Hebamme beauftragte Kaiser Leopold I. seinen Botschafter in Madrid, Graf Franz Eusebius von Pötting, nach geeigneten Kandidatinnen vor Ort Ausschau zu halten. Persönliche Empfehlungen, eigene Erfahrungen mit Hebammen und Audienzen bei der spanischen Königin, die als Mutter der Kaiserin und Schwester des Kaisers persönlich in der Angelegenheit intervenierte, spielten während des Auswahlverfahrens eine wesentliche Rolle. Die Entscheidung fiel schließlich zugunsten einer gewissen Lucía Panesi, einer gebürtigen Madrilenin, deren Eltern aus Genua stammten und die ihren Beruf als Hebamme bereits 38 Jahre lang ausübte. Pötting zufolge habe sie vorzügliche Manieren, sei stets diskret und stelle mit einem jährlichen Gehalt von 200 Dublonen, täglicher Verpflegung am Hof und kostenfreier Logis für sie, ihren Ehemann, einen Sohn und zwei Diener keine unangemessen hohe Forderung.

Der Kaiser gab dazu sein Einverständnis, und Lucía Panesi erreichte im Jänner 1673 die Residenzstadt Wien, wo sie ihre Arbeit sogleich hätte aufnehmen können, denn die Monatsblutung der Kaiserin war seit drei Wochen überfällig. Lucía blieb aber keine Gelegenheit mehr, ihr Können unter Beweis zu stellen. Margarita Maria Theresa starb an den Folgen einer Erkältung und geschwächt von einer Schilddrüsenschwellung am Hals am 12. März 1673, in ihrem Leib fand man einen toten Prinzen.

Margarita Maria Theresa (1651–1673) kam fünfzehnjährig nach Wien. Nur eines ihrer Kinder, Maria Antonia (1669–1692), erreichte das Erwachsenenalter.
Foto: Gemeinfrei

Warum aber, so möchten wir fragen, kam explizit nur eine spanische Hebamme für das Kaiserpaar in Betracht? Warum konnte die Kaiserin die ursprüngliche Hebamme Ana d'Avalos, eine Neapolitanerin mit spanischen Wurzeln, nicht länger behalten? Und welche Erkenntnisse lassen sich daraus über die Bedeutung von Hebammen im 17. Jahrhundert allgemein ableiten?

Die Herkunft der Hebamme als machtpolitische Frage

In einem Brief an seinen Stellvertreter vom April 1672 erklärte der Kaiser, weshalb die Hebamme für seine Gemahlin ausdrücklich eine Spanierin sein musste. Vordergründig habe dies mit sprachlichen Gründen zu tun, da die Kaiserin nicht besonders gut mit dem Deutschen vertraut war. Tatsächlich aber waren Missgunst und latente Konflikte zwischen deutschem und spanischem Hofstaat ausschlaggebend. Die Mitglieder des letzteren hatten der Kaiserin eingeflüstert, dass nicht wenige aus dem deutschen Hofstaat lieber von Erzherzogin Claudia Felicitas, Leopolds späterer zweiter Gemahlin, regiert werden würden. Sollte nun eine deutsche Hebamme den Vorzug erhalten und ein weiteres Kind sterben, würden die Spanier "die ganze Schuld auf unsere Nation" schieben, so der Kaiser. Die Herkunft der Hebamme wurde deshalb auch zu einer (macht)politisch relevanten Frage.

Spanische Hebammen ließen sich allerdings nicht so leicht dazu überreden, ihre Heimat zu verlassen. Pötting zufolge verdienten sie, sofern Talent und Reputation es erlaubten, außergewöhnlich gut. Manche bezogen ein jährliches Gehalt von bis zu 10.000 Dukaten, die Hebamme der spanischen Königin hinterließ nach ihrem Tod gar ein Vermögen von 88.000 Dukaten, eine geradezu astronomisch hohe Summe! Hinzu kamen, wie auch bei Lucía Panesi, zusätzliche Verpflegungsrationen, freie Wohnung oder die Versorgung von Verwandten mit Posten am Hof oder in wichtigen Ämtern.

Spanische Geburtshelferinnen konnten sich diese hohen Forderungen, deren Verhandlung Pötting einige Monate in Anspruch nahm, getrost leisten, denn sie galten als äußerst versiert in ihrem Handwerk. Vor dem Hintergrund der prekären Lage des Hauses Habsburg – Kaiser Leopold I. war zum Zeitpunkt seiner Eheschließung der einzig lebende erwachsene Mann der Dynastie und musste rasch für gesunden (männlichen) Nachwuchs sorgen – war es von besonderer Relevanz, eine möglichst talentierte Hebamme auszuwählen, von deren Arbeit man sich die Geburt gesunder Erben erhoffte.

Leopold I. (1640–1705) war es erst in dritter Ehe vergönnt, Vater eines lebensfähigen (männlichen) Erben zu werden.
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Von Ana d'Avalos etwa hatte es geheißen, sie sei siebzehnfache Mutter und habe sämtliche ihrer Kinder ohne fremde Hilfe zur Welt gebracht. Kaiser Leopold I. war denn auch nach der Geburt seines ersten Sohnes (der nach vier Monaten verstarb) voll des Lobes für die Hebamme seiner Gemahlin. Sie verstehe ihr Handwerk "ex fundamento", die Witwe Kaiser Ferdinands III. und einige adelige Frauen am Hof hätten ihr Lebtag lang keine bessere gesehen. Warum also musste sie 1672 den Wiener Hof verlassen?

Vorwürfe der Schlamperei und Spionageverdacht

Als das sechste Kind zur Welt kam, so behaupteten die Hofärzte, habe Ana beim Abbinden der Nabelschnur gestümpert, wodurch in der kleinen Wunde eine eitrige Entzündung entstand, die sich zu einem Wundbrand auswuchs und das Kind schließlich tötete. So weit der Vorwurf der Fahrlässigkeit aus medizinischer Sicht.

Daneben kursierten in Wien auch sonderbare Gerüchte über geheime Absprachen zwischen der Hebamme und dem französischen Botschafter, Jacques Bretel de Grémonville, der ihr Bestechungsgelder habe zukommen lassen sollen. Frankreich stand beinahe das gesamte 17. Jahrhundert über in einer Art Dauerkonflikt mit den Habsburgern. Ob der Verdacht der Spionage gerechtfertigt war oder nicht, aus Sicht der Zeitgenossen verfügte eine kaiserliche Hebamme durch den Kontakt mit dem Körper der Kaiserin jedenfalls über Zugang zu äußerst sensibler und wertvoller Information. Der französische König Ludwig XIV. erhob selbst Ansprüche auf den spanischen Thron, weshalb jegliche (geheime) Nachricht über die Gebärfähigkeit der Kaiserin und über ihren Nachwuchs, der für gewöhnlich nach Spanien verheiratet wurde, politisch wertvoll war. Welche Spuren hatten frühere Geburten am Körper der Kaiserin hinterlassen? War sie in der Lage, abermals schwanger zu werden und gesunde Kinder zur Welt zu bringen? Antworten auf Fragen wie diese hätten Grémonville, unabhängig von der Haltbarkeit der Vorwürfe gegen ihn und Ana d'Avalos, zweifelsohne interessiert.

Hebammen waren, wie wir nicht vergessen dürfen, nicht bloß bei der Geburt selbst anwesend. Sie begleiteten Fürstinnen meist während der gesamten Dauer einer Schwangerschaft. Sie spendeten Trost in Momenten der Verunsicherung, entwarfen optimistische Szenarien für die bevorstehende Entbindung, zerstreuten Sorgen der werdenden Mutter und flößten ihr Hoffnung und Zuversicht ein. Wurde diese intime Sphäre von Vertrauen und Fürsorge auch nur gerüchteweise verletzt oder missbraucht, sah sich die Hebamme nur allzu rasch den Angriffen ihrer Umgebung ausgesetzt. Ana d'Avalos wüsste ein Lied davon zu singen: "Dass der Pöbel ein solches Odium auf sie gehabt, dass er selbe bald gesteinigt hätte", schrieb Kaiser Leopold an Pötting, "also habe ich mich entschlossen, sie heimzuschicken." (Christian Standhartinger, Wolfram Aichinger, 2.6.2021)