Lukas Weißhaidinger will in Tokio angreifen.

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Südstadt – Exakt zwei Monate vor dem olympischen Wettkampf in Tokio ist eine von Österreichs größten Medaillenhoffnungen für die Sommerspiele aktuell noch recht entspannt. Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger hat seine Weite von 68,40 m beim Saison-Auftakt vor rund zwei Wochen in Eisenstadt Zuversicht und Selbstvertrauen gegeben. Am nächsten Montag in Turku wird sein Leistungsniveau erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie auch im internationalen Vergleich auf die Probe gestellt.

Weißhaidinger sieht jedenfalls das Gerüst für eine gute Saison gegeben, aufgebaut hat er es gemeinsam mit seinem Coach Gregor Högler. Das Duo nimmt vor der Reise nach Finnland beim Liese-Prokop-Memorial am Donnerstag in St. Pölten die Technik vermehrt in den Fokus, dann in Skandinavien geht es primär um ein gutes Abschneiden im direkten Duell mit den härtesten Konkurrenten. "Das wird der erste wirkliche Showdown werden", umriss Weißhaidinger die Bedeutung von Turku.

So richtig wichtig sei für ihn aber nur Olympia – da kommen auch die Diamond-League-Antreten am 1. Juli in Oslo und am 4. Juli in Stockholm, die eher aus dem Training heraus erfolgen, nicht heran. Freilich ist die Teilnahme beim Finalmeeting im September in Zürich auch ein Wunsch des 29-Jährigen: "Ich würde gerne einmal im Letzigrund-Stadion werfen." Davor soll es nach EM- und WM-Bronze für den Rio-Sechsten 2016 auch auf olympischer Ebene zumindest Rang drei werden.

Die Dichte in der Weltspitze ist in der Corona-Zeit allerdings angewachsen. "Es bewegen sich zehn Athleten innerhalb von eineinhalb Prozent", führte Högler am Montag bei einem Medientermin am Wurffeld des BSFZ Südstadt aus. "Das wird auch Tagesverfassung sein." Weißhaidinger pflegte es noch drastischer auszudrücken: "Es wird ein absolutes Gemetzel um die Medaillen, die Qualität hat irrsinnig angezogen." Högler betonte, dass heuer schon 22 Athleten über 65 m geworfen haben.

Hatte Weißhaidinger in Eisenstadt Jahresweltbestleistung markiert, ist er keine zwei Wochen später bereits von einigen Aktiven überflügelt worden. Denen voran steht Daniel Stahl, auf den Weltmeister trifft der ÖLV-Athlet in Turku. Selbst der Schwede wird ob der gesteigerten Konkurrenz wohl schon in der Olympia-Qualifikation am 30. Juli auf der Hut sein müssen, Weißhaidinger umso mehr. Denn die Ausscheidung für das Top-12-Finale tags darauf sei nicht sein bester Freund, meinte der Oberösterreicher.

Der schlimmste Tag

Mehrmals bei Großevents hatte er den Aufstieg knapp geschafft, diesmal aber dürfen erst gar keine Zweifel aufkommen. "Es wird ein Muss sein, diesmal die Qualifikation um einiges fokussierter zu werfen als in den letzten Jahren", erklärte Weißhaidinger. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man da mit 63 m weiterkommen kann." Högler fürchtet die Qualifikation richtiggehend: "Für mich ist das immer der schlimmste Tag. Diesmal muss er gleich voll draufhauen, die Quali-Weite werfen und dann gehen."

Der Ex-Speerwerfer findet Gefallen daran, mit seinem Schützling im Training Grenzen auszuloten und sich so möglichst einen erlaubten Vorteil zu verschaffen. "Wenn man neue Weiten werfen will oder Rekorde, muss man auch neue Wege gehen. Das ist ein Tanz auf des Messers Schneide", führte der 48-Jährige aus. "Ich schwanke immer zwischen Euphorie und Vorsicht. Wichtig ist, die Technik weiter auszuarbeiten. Wir haben wieder Schritte gemacht, die ihn (Weißhaidinger, Anm.) konstanter werfen lassen."

Ein Trainingsbaustein ist die täglich von Weißhaidinger für wenige Minuten besuchte Kältekammer, durch Temperaturen bis minus 110 Grad wird die Regeneration positiv beeinflusst. Högler: "Das ist der Rolls Royce der Kälte." Zum anderen bietet die Analyse jedes Trainingswurfs durch acht biomechanische Kameras professionelle Bedingungen. "Luki wirft eine Technik, die kein anderer wirft", verdeutlichte Högler die Wichtigkeit des Systems, wie die Kältekammer vom Sportministerium finanziert.

Wegen anderer Hebel als andere Topathleten müsse sich Weißhaidinger mehr auf die Kraft und Dynamik seiner Beine verlassen, der Schwerpunkt im Wurf ist speziell bedeutend. "Das normale klassische Diskuswerfen ist nicht der Weg, wie wir gewinnen", erläuterte Högler. Doch diese Technik berge ein gewisses Risiko in sich. "Er kann damit gewinnen, aber auch Zwölfter werden." Freilich sei man umfassend vorbereitet. Regen beim Wettkampf würde andere aus der Bahn werfen, nicht Weißhaidinger.

Wie das Wetter in der japanischen Hauptstadt sein wird, werden Weißhaidinger und Högler erst zwei Tage vor der Qualifikation merken. Denn erst am 28. Juli wird das Duo in Tokio landen. "Ich finde es extrem gut, kurz vorher anzureisen", meinte Högler. "Dann es scheint logistisch sehr kompliziert zu werden, dem muss man den Athleten nicht zu lange aussetzen." Auch die Corona-Infektionsgefahr werde minimiert. Vor der Abreise werden sich beide in eine selbst gewählte Quarantäne begeben. (APA, 31.5.2021)