Bettina Glatz-Kremsner stieg unter Türkis-Blau zur Vorstandsvorsitzenden der Casinos auf. Eigentlich wollte sie Sebastian Kurz zur Finanzministerin machen.

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Je tiefer die Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in der Glücksspielbranche graben, desto mehr merkwürdige Vorgänge kommen ans Tageslicht. Glücksspielkonzerne, ob die teilstaatliche Casinos Austria AG (Casag), Novomatic, die tschechische Sazka oder Peter Zanonis Concord Card Casinos, hatten Begehrlichkeiten – und bei Vertretern der türkis-blauen Regierung stießen sie auf offene Ohren.

Zum Beispiel beim damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Der war schon länger mit dem Unternehmer Peter Zanoni bekannt, der mehrere Pokerkasinos betrieb und in heftigen Streitigkeiten mit der Finanz steckte. Die besteuerte nämlich den Topf, nicht die Gewinne. Zanoni beklagte, dadurch keinen Profit machen zu können; Strache wollte sich kümmern.

Kurz vor den türkis-blauen Regierungsverhandlungen fragte Strache dann per SMS nach, wie er Zanoni helfen könnte. Während der Regierungszeit kümmerte er sich immer wieder um dessen Anliegen und erinnerte Regierungskollegen immer wieder an die Angelegenheit.

Einen Hebel sah Strache im Finanzministerium, wo die FPÖ in Form von Staatssekretär Hubert Fuchs vertreten war. Dort hatte man beim Thema Glücksspiel ganz andere Sorgen; im Hintergrund schwelte ein Eigentümerstreit zwischen Republik, Sazka und Novomatic rund um die Zukunft der Casinos Austria AG.

Zanoni-Hilfe als "politischer Wille" der FPÖ

Deren Vorstandsmitglied Bettina Glatz-Kremsner war damals Vizeparteiobfrau der ÖVP; Kanzler Sebastian Kurz hätte sie eigentlich als Finanzministerin gesehen, sie blieb aber bei der Casag. In dieser Funktion traf sie am 15. März 2018 Fuchs und einen seiner Fachreferenten, um über Glücksspielgesetze zu sprechen. Wieder einmal Thema war: Peter Zanoni.

Die FPÖ sollte gewissen Begehrlichkeiten der Casag – allen voran das IP-Blocking ausländischer Anbieter – nur zustimmen, wenn auch an Zanoni gedacht werde. Offenbar war der Wunsch der Casag nach einem neuen Gesetz so groß, dass Glatz-Kremsner zustimmte, einen Gesetzesantrag zu entwerfen, der Zanoni helfe.

"Sie teilte uns mit, dass sie zusammenschreiben würde, wie er das formulieren müsste, damit er seine Lizenzen verlängert bekommen würde", gab Fuchs' Fachreferent in seiner Einvernahme an. Eine Woche später holte er dann ein mit dem Stempel von Glatz-Kremsner versehenes Kuvert von der Casag ab, in dem sich der Gesetzesantrag für Zanoni befand – eingebracht wurde er nie, obwohl Strache weiter Druck machte.

Aufstieg zur Casinos-Chefin

Seither ist viel Zeit vergangen: Zanonis Steuerschulden betragen mehrere Hundert Millionen Euro, seine Kasinos wurden deshalb auch durchsucht, es gilt die Unschuldsvermutung. Glatz-Kremsner stieg zur Vorstandsvorsitzenden der Casag auf. Kurz nach ihrer Bestellung im März 2019 folgte das Ibiza-Video, dann Ermittlungen samt U-Ausschuss. Das brachte die erfahrene Managerin nun in einige Turbulenzen: Die WKStA verdächtigt Glatz-Kremsner der Falschaussage; weshalb sie Mitte Mai 2021 erneut einvernommen wurde. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Dort fragten sie die Ermittler direkt, ob "Sie oder jemand anders von der Casag selbst aktiv auf eine Lösung hingewirkt hätten", nachdem sie mit Fuchs den politischen Willen der FPÖ bezüglich Zanoni erfahren hatte. "Nein, aktiv habe ich nicht mitgewirkt", antwortete Glatz-Kremsner – offenbar nicht in Kenntnis der Aussagen von Fuchs' Fachreferent samt Übergabe des von ihr gestempelten Kuverts an die WKStA. Am 28. Mai folgte nun eine neuerliche schriftliche "Ergänzung" ihrer Aussage: Fuchs habe sie eingeladen, einen Novellierungsvorschlag seitens Casag und Tochterfirma Lotterien zu erstellen; sie habe das "intern diskutiert". Man kam zu dem Ergebnis, dass die Vorteile von IP-Blocking den Nachteil von Zanonis weiterem Betrieb übersteige; der zuständige Casag-Mitarbeiter schrieb daraufhin einen Entwurf. "Es ist davon auszugehen, dass dieser Textvorschlag" an Fuchs' Fachreferent übergeben wurde, heißt es.

Gegen Zanoni und Strache wird wegen Bestechlichkeit ermittelt, es geht dabei um Urlaube – beide bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung. "Die Ungerechtigkeiten, die in diesem Zusammenhang geschehen sind, wurden nicht nur von Herrn Strache, sondern auch von Universitätsprofessoren und der SPÖ Simmering völlig zu Recht kritisiert", sagte Straches Anwalt auf Anfrage; Zanoni wollte sich nicht äußern.

Auch nach dem Ibiza-Video machte Strache noch für Zanoni Stimmung, zum Beispiel bei Norbert Hofer. Doch der erwiderte kühl: "Lieber HC! Es tut mir leid. Ich werde ihm (...) unmöglich helfen können und ich möchte gerade in dieser Situation besser keinen Kontakt zu einem Casinobetreiber." (Fabian Schmid, 31.5.2021)