Der Aufbruch ins All steht vor dem realen Hintergrund der drohenden Klimakatastrophe hoch im Kurs.

Foto: Nasa Ames Research Center

Viel ist in den letzten Wochen die Rede vom Neustart, vom Aufbruch in eine postpandemische Zeit. In eine Welt, die sich aus der Corona-Starre löst und sich an einer Neudefinition von "Normalität" versucht. Wie wird die aussehen? Wird sie eine bessere sein?

Anhaltspunkte für die Zukunft, nicht nur unmittelbar nach Corona, bietet ein Genre, das sich dem Aufbruch in neue Welten schon immer mit Leidenschaft gewidmet hat: die Science-Fiction. Dort kennt man sich aus mit Weltuntergängen und Zäsuren. Wie oft ist in einschlägigen Werken die Erde und mit ihr die Menschheit bereits bedroht gewesen oder gar vernichtet worden: durch kosmische Katastrophen, durch Atomkriege, den Angriff von Außerirdischen.

Auch das Thema Seuche kommt hier nicht zu kurz. Das eine oder andere Zombievirus lässt grüßen. Die Handlungen spielen dementsprechend oft in postapokalyptischen Landschaften. Dystopien und (seltener) Utopien wurden, mal elaboriert, mal holzschnittartig, entworfen.

Es ist vor allem der gewaltige Raum um die Welt mit seinen unendlichen Weiten, der als Projektionsfläche der Werke zahlreicher Science-Fiction-Autorinnen und -Autoren dient. Als letzter Zufluchtsort für eine gefährdete Spezies. Mit Raumschiffen, die zu fremden Planeten aufbrechen, und Raumstationen als Außenposten dieser "last frontier" des Homo sapiens.

Climate-Fiction

Tatsächlich herrscht ganz real wieder ein gestiegenes Interesse am Weltraum – siehe den Wettlauf der Nationen, auch einiger Milliardäre, zum Mars. Was jahrzehntelang Teil des Sci-Fi-Universums war, scheint Common Sense geworden zu sein: Mars or bust. Allerdings ohne die kleinen grünen Männchen.

Das kann auch vor dem Hintergrund einer weitaus größeren globalen Katastrophe gesehen werden: des Klimawandels. Der kommt zwar nicht so unmittelbar daher wie ein Virus, wirft seine dunklen Schatten aber bereits voraus. Kein Wunder, dass es im Angesicht dieser Gefahr mit Climate-Fiction eine eigene Unterkategorie der Science-Fiction gibt, die sich mit genau diesem Thema auseinandersetzt.

"Die Erde ist in so vieler Hinsicht bedroht, dass es mir schwerfällt, optimistisch zu sein", schrieb einer, der nicht im Verdacht stand, ein Fantast zu sein: Stephen Hawking. Das Jahrhundertgenie, das sich auch mit Science-Fiction beschäftigte und selbst einen Auftritt in Star Trek hatte, zeichnete im Angesicht des Klimawandels ein Zukunftsbild der Erde, das dem Zustand der Venus gleicht. Mit Schwefelsäureregen und einer Temperatur von über 250 Grad Celsius, menschliches Leben wäre nicht mehr möglich.

Summe alter Träume

Es bleibe uns laut Hawking keine andere Wahl mehr, als auf andere Welten auszuweichen, sprich, das Weltall zu besiedeln. Aber wie soll das bei all den technologischen Hindernissen und Grenzen, die uns auferlegt sind, gelingen? Wasser, Luft, Nahrung, unsere Physiognomie ... der Mensch ist letztendlich ein zerbrechliches Wesen. Strahlung, Kälte, Vakuum: Das Universum selbst scheint uns nicht gerade mit offenen Armen zu empfangen, es ist lebensfeindlich und leer. Eine "Scheißgegend", um die Science Busters zu zitieren.

Die Science-Fiction allerdings überspringt diese Limitierungen, schafft Welten, in denen unsere Spezies mithilfe hochentwickelter Technologie, Gentechnik, KI etc. jene Grenzen überwindet, die uns auferlegt sind. Sie nimmt im Wesentlichen einen wissenschaftlichen Sachverhalt auf und denkt diesen weiter.

Ist nicht auch die Welt, in der wir leben, die Summe der Träume vergangener Generationen, wie Sir Arthur C. Clarke sagte? Zeigten wir einem Menschen der Antike einen Düsenjet, er würde das Ding für Magie halten. Dabei ist es doch im Wesentlichen Physik. Lässt man sich vom Quantenphysiker Anton Zeilinger die Quantenverschränkung oder die Teleportation erklären, kommt man auch als Mensch des 21. Jahrhunderts ins Staunen.

Oder man denkt als Sci-Fi-Fan gleich ans Beamen, die Teleportation von Materie über große Distanzen, wie man sie aus Star Trek kennt. Wobei Zeilinger Lichtteilchen, also Informationen teleportiert, nicht Materie.

Faktenbasiert

Clarke wiederum war nicht nur Physiker, sondern auch Science-Fiction-Autor. Aus seiner Feder stammen etliche Klassiker der Sci-Fi-Literatur. Unter anderem schrieb er 2001: Odyssee im Weltraum, das später von Stanley Kubrick verfilmt wurde. Clarke stand dem Regisseur als Berater zur Seite. Das Werk zeigt auch sehr schön, welche Hoffnungen man damals mit dem neuen Jahrtausend verband. Clarke ging offenbar davon aus, dass sich die Menschheit bereits einen Posten in der Nähe des Saturns geschaffen habe.

Ein Gedanke, der auch bei Christopher Nolans Interstellar aufgegriffen wird. Auch in diesem Film blicken die Menschen gegen Ende der Erzählung von einer Raumstation auf die Ringe des Saturns. Bereit für den nächsten Schritt: mithilfe eines Wurmlochs erdähnliche Exoplaneten zu besiedeln. Denn die Erde ist in dieser nicht näher definierten Zukunft durch Klimaveränderungen unbewohnbar geworden.

Auch Nolan stand mit dem Astrophysiker und späteren Nobelpreisträger Kip Thorne ein wissenschaftlicher Beirat zur Seite. Er hat zwei Richtlinien festgelegt: Nichts dürfe geltende physikalische Gesetze verletzen, und Spekulationen müssen einen wissenschaftlichen Ursprung haben. Faktenbasierte Science-Fiction sozusagen.

Auf den Heimatplaneten achten

Mit Durchhaltevermögen, Neugier, Entdeckergeist und vielleicht auch einer Portion Existenzangst: Wissenschafter wie der österreichische Astrophysiker Gernot Grömer sind sich sicher, dass der Mensch in wenigen Jahrzehnten eine Vorhut in Form einer Station auf dem Mars haben wird.

"Mit (Raum-)Schiffen, einer Schar von wagemutigen Frauen und Männern und einem weiten Horizont" werde es gelingen, die Vision vom Aufbruch in neue Welten zu realisieren.

Bis es so weit ist, sollten wir besser auf unseren Heimatplaneten achtgeben. Elaborierte Ideen dafür gibt es schon – zum Beispiel Sonnenschutzsegel rund um die Erde. Das klingt doch verdammt nach Science-Fiction. Noch. (Markus Böhm, RONDO exklusiv, 29.7.2021)