Obwohl man in Großbritannien mit den Impfungen weiter ist als in Österreich, steigen die Infektionszahlen aktuell wieder an.

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London/Wien – In Österreich könnte man im Moment den Eindruck haben, dass die Pandemie besiegt ist: Die Infektionszahlen sinken weiter, während die Zahl der Geimpften steigt. Bis auf das Aprilwetter scheint uns mit Junibeginn nichts mehr von einem entspannten (Früh-)Sommer abzuhalten, in dem wir uns endlich von den Corona-Einschränkungen erholen können.

In Großbritannien allerdings, das uns sowohl beim Impfen wie auch bei den Virusvarianten meist ein paar Wochen voraus war und ist, steigen aktuell die Infektionszahlen wieder leicht, obwohl dort 60 Prozent der Bevölkerung inzwischen zumindest einmal geimpft sind.

Grafik: Our World in Data

Schuld daran ist vor allem die "indische" Variante B.1.617.2, die deutlich ansteckender sein dürfte als die ohnehin schon sehr infektiöse "britische" Variante B.1.1.7.

Laut den jüngsten Hochrechnungen dürften bereits bis zu 75 Prozent aller Neuinfektionen auf die "indische" Variante zurückgehen, die erst vor wenigen Wochen in Großbritannien auftauchte, sich seitdem aber in Windeseile ausgebreitet hat – und zwar vor allem in Nordengland und Teilen Londons.

Wissenschafterinnen und Wissenschafter warnen deshalb davor, die für Juni geplanten Öffnungsschritte umzusetzen, und plädieren für etwas mehr Zuwarten. Tatsächlich ist bereits von einer möglichen dritten Welle die Rede, der man mit verstärkten Impfbemühungen in den betroffenen Regionen begegnen will. Denn der Schutz nach nur einer Impfung gegen die "indische" Variante ist relativ gering. Er dürfte aber nach dem zweiten Stich mit Biontech/Pfizer auf 88 Prozent steigen, mit Astra Zeneca auf 60 Prozent.

Weitere Welle im Herbst?

Sollte sich die "indische" Variante im Laufe des Jahres auch in Österreich durchsetzen, was zu befürchten ist, bedeutet das ein größeres Risiko für eine weitere – wenn auch kleinere – Covid-19-Infektionswelle im Herbst auch bei uns. Davor warnte zuletzt Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker.

Die Rechnung ist im Detail kompliziert, aber unter dem Strich doch recht einfach: Je ansteckender eine Virusvariante ist, desto mehr Personen müssen immunisiert sein, damit sich die Infektionen aufgrund der sogenannten Herdenimmunität nicht ausbreiten können. Falls sich B.1.671.2 auch bei uns durchsetzt, wird diese Rate auf über 80 Prozent Immunisierte in der Gesamtbevölkerung steigen.

Neue Subvariante in Vietnam

Wie schnell sich die "indische" Variante ausbreiten und weiter verändern kann, zeigte sich zuletzt in Vietnam, das von der Pandemie bisher kaum betroffen war. Dort kletterten die Infektionszahlen in der vergangenen Woche auf neue Rekordhöhen. Schuld daran war eine weitere Subvariante der "indischen" Variante B.1.671.2.

Grafik: Our World in Data

In diese hat sich eine zusätzliche Mutation eingebaut, die auch in der "britischen", aber auch in anderen Varianten vorkommt. Wie sehr diese Mutation die Eigenschaften der "indischen" Variante verändert, ist noch unklar. (Klaus Taschwer, 31.5.2021)