Auch in der OMV-Zentrale in Wien wird derzeit gerechnet, bis wann der CO2-Ausstoß noch wie stark gesenkt werden kann. Die Strategie, die das Unternehmen künftig umzusetzen gedenkt, wird darüber mitentscheiden.

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Kein Politiker mit Verstand dürfe das Klimaabkommen umsetzen. "Unsere Wirtschaft würde sonst am Krückstock gehen", sagte Lee Raymond, Chef von Exxon Mobil. Das war 1997. Damals wurde gerade das erste verbindliche internationale Klimaabkommen in der japanischen Kaiserstadt Kioto unterzeichnet. Raymond war nicht der Einzige, der seinem Zorn über das Kioto-Protokoll wortgewaltig Ausdruck verlieh.

Knapp ein Vierteljahrhundert später sieht es deutlich anders aus. Klimaschutz ist in den meisten Unternehmen inzwischen Chefsache. Insbesondere in börsennotierten Konzernen und stark mit fossilen Energien in Verbindung stehenden Unternehmen ist der Druck enorm. Investoren schauen immer stärker auf den CO2-Fußabdruck von Betrieben, denen sie ihr Geld anvertrauen wollen oder eben nicht. Es gibt viele Baustellen. Das ist auch beim Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV der Fall.

Der Verkauf an den Tankstellen geht zurück, die Suche nach neuen Einnahmequellen hat in der OMV längst begonnen.
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Im Windschatten der notwendig gewordenen Nachbesetzung des Chefsessels hat somit wenig überraschend eine heftige Debatte über die künftige Ausrichtung der teilstaatlichen OMV begonnen. Rainer Seele, der seit Juli 2015 an der Spitze des größten österreichischen Industriekonzerns steht, will seinen im Sommer 2022 auslaufenden Vertrag erfüllen und dann abtreten. Vorausgegangen sind mehr oder weniger verdeckt geführte Angriffe gegen die aktuelle Strategie des Konzerns, für die Seele steht. Vereinfacht gesagt: weg vom Verbrennen von Öl und Gas hin zur Veredelung zu petrochemischen Produkten.

Angst um Machtverlust

Der aus Deutschland stammende Manager hat den Konzern in den vergangenen Jahren zur Freude vieler Aktionäre mit dem strategischen Schwenk Richtung Kunststoffproduktion an der Börse gepusht, sich damit intern aber auch viele Feinde gemacht. Dabei geht es auch um Ängste im Bereich Exploration und Produktion (E&P), Geld, Macht und Einfluss zulasten der Chemiesparte zu verlieren.

Dass mit Öl und Gas allein kein Staat mehr zu machen ist, haben viele auch in der OMV inzwischen verstanden. Noch wird damit zwar Geld verdient, wenn auch deutlich weniger als noch vor fünf Jahren. Je schneller sich aber Elektroautos durchsetzen und die Treibstoffnachfrage zurückgeht, desto eher versiegt diese nicht unwichtige Einnahmequelle.

Empfehlungen von Greenpeace

Die Umweltgruppe Greenpeace hat im Vorfeld der anstehenden Neubesetzung des CEO-Postens schon einmal ihre "Empfehlungen" abgegeben. Die OMV müsse raus aus Öl und Gas und stattdessen erneuerbare Energien forcieren. Nur so könne sich das Unternehmen zukunftsfit aufstellen. Johann Pleininger, dem für das Upstream-Geschäft zuständigen OMV-Vorstandsdirektor, wird nachgesagt, dass er Windkraft, Photovoltaik und Geothermie ausbauen möchte, sollte er die Nummer eins im Konzern werden. Alfred Stern, der als interner Konkurrent von Pleininger im Rennen um den CEO-Posten gehandelt wird, stehe hingegen für Kontinuität. Der frühere Chef der inzwischen zu 75 Prozent der OMV gehörenden Kunststofftochter Borealis, der seit Anfang April im Vorstand der OMV für den neu geschaffenen Bereich Chemicals and Materials zuständig ist, setze wohl weiter auf dieses Pferd, heißt es.

Chemie und CO2-Einsparung

Doch wie grün ist Chemie, und wie grün kann sie sein? "Die Frage ist die nach der Alternative, nicht nur des Konzerns, sondern des Lebens", sagt OMV-Sprecher Andreas Rinofner. "Chemie und Kunststoffe spielen in allen Lebensbereichen eine Rolle und sind nicht mehr wegzudenken." Angefangen bei Windrädern, Solarpaneelen, Mobiltelefonen, Autos, Möbeln, Datenleitungen und Stromkabeln bis hin zu medizinischen Anwendungen – überall sei Kunststoff drin. Nichtsdestotrotz setze die OMV alles daran, den CO2-Ausstoß weiter zu reduzieren, sowohl in den Eigenanlagen als auch in den Produkten für Kunden.

Laut dem im vergangenen Sommer vorgelegten Plan zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks will die OMV die CO2-Intensität ihrer Geschäftstätigkeit von 2020 bis 2025 um mindestens 30 Prozent über alles verringern. In absoluten Zahlen entspräche dies einer Million Tonnen CO2 weniger, die aus OMV-Anlagen in die Atmosphäre entweichen. Bis 2025 sollen CO2-arme bzw. CO2-freie Produkte mindestens 60 Prozent des Portfolios ausmachen.

Klimaneutraler Betrieb

Der klimaneutrale Betrieb soll durch Energieeffizienzmaßnahmen, neue Technologien wie CO2-Abscheidung, CO2-Speicherung und CO2-Verwendung, Wasserstoff sowie durch erneuerbare Energien erreicht werden. Mit der neuen Strategie sollen im zweiten Halbjahr auch die CO2-Ziele erneuert werden. "Derzeit wird gerade gerechnet", sagte Rinofner.

In der Raffinerie in Schwechat will die OMV mit der größten Elektrolyse Österreichs CO2-freien Wasserstoff herstellen. Die Post hat bereits Interesse an einer Abnahme angemeldet.
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Eine Reihe von Projekten zur Verringerung des CO2-Ausstoßes wurde bereits auf den Weg gebracht, inklusive Investitionsentscheidung. Aus Glyzerin sollen beispielsweise in der Raffinerie in Schwechat biogene Treibstoffe entwickelt werden. In Sachen Wasserstoff baut die OMV ebenfalls in Schwechat zusammen mit der Kommunalkredit als Finanzpartner Österreichs größte Elektrolyseanlage. Mit der Post wurde ein Memorandum of Understanding unterschrieben, was die Abnahme des erzeugten Wasserstoffs für deren Lkws betrifft. Einen weiteren Schwerpunkt setzt die OMV beim Recycling von Plastik. Über Zwischenschritte soll in einem patentierten Verfahren wieder Öl gewonnen werden.

Kohle raus und in Zukunft wohl auch weniger Öl und Gas, stattdessen mehr erneuerbare Energien: Der Weg hin zu einer grünen Wirtschaft ist steinig. (Günther Strobl, 31.5.2021)