Karoline Edtstadler (ÖVP, links) und Alma Zadić (Grüne) haben noch einiges zu besprechen, bis das Informationsfreiheitsgesetz in Kraft treten kann.

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Wien – Über zu wenig Arbeit kann sich der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt dieser Tage nicht beschweren: Rund 200 Stellungnahmen sind im Rahmen des Begutachtungsprozesses zum Informationsfreiheitsgesetz eingelangt – und es obliegt den Juristinnen und Juristen, diese zu sichten und zu analysieren. Dabei sind die einzelnen Stellungnahmen teils höchst detailliert.

Vor allem aber sind viele der Stellungnahmen besonders kritisch. Und zwar in beide Richtungen: Gemeinden, Landtage, Ministerien und Gerichte fürchten in erster Linie einen überbordenden Arbeitsaufwand durch die Abschaffung des Amtsgeheimnisses und das neu geschaffene Grundrecht für alle Bürgerinnen und Bürger, Informationen bei öffentlichen Stellen abzufragen.

Gemeinden verlangen Gespräch über Kosten

Gemeinden und Länder versuchen auch nach dem Begutachtungsverfahren noch, Einfluss geltend zu machen: Die Landeshauptleutekonferenz regte etwa noch einen Termin mit den neun Landesamtsdirektoren und dem Verfassungsdienst an, um das Gesetz zu besprechen.

Und der Gemeindebund verlangte in seiner Stellungnahme die Einsetzung eines Konsultationsmechanismus – eines Verfahrens zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, in dem die drohenden Kosten eines Gesetzesvorhabens abgeklärt werden sollen. Indirekt steht somit eine finanzielle Abgeltung des Mehraufwands für die Gemeinden im Raum.

Kritik von Informations-NGOs

Am anderen Ende des Spektrums liegt die Kritik all jener, die sich für mehr Transparenz einsetzen: Die Ausnahmen seien zu umfassend, die Fristen für Anfragebeantwortungen zu lang, und das Fehlen eines Informationsfreiheitsbeauftragten erschwere in der Praxis die Ausübung des neuen Grundrechts. Eine deutliche Aufforderung, bei den Bestimmungen noch nachzubessern, kam zuletzt von der internationalen Transparenz-NGO Access Info Europe.

"Wir nehmen die Kritik sehr ernst und werden die Bedenken und Anregungen ausführlich prüfen", heißt es aus dem Büro der zuständigen Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). "Ziel muss sein, dass wir ein Gesetz auf den Weg bringen, das praxisnahe und umsetzbar ist und auch auf eine breite Akzeptanz stößt."

Kompromisse wurden gefunden

Die höchst unterschiedlichen Stellungnahmen machen aber klar, dass das Ziel einer "breiten Akzeptanz" schwierig wird. Das ist auch der Grund, warum sich am Regierungsentwurf zunächst wenig Substanzielles ändern dürfte: Denn schon in den koalitionsinternen Verhandlungen zwischen Volkspartei und Grünen wurden die nun eingebrachten Interessen im Wesentlichen ausgehandelt.

Es ist etwa davon auszugehen, dass die türkisen Verhandler den transparenztechnisch zurückhaltenden Standpunkt von Gemeinden, Ländern und Ministerien berücksichtigt haben; umgekehrt mussten die Grünen Druck für ihr Prestigeprojekt Informationsfreiheit machen. Der Kompromiss zwischen den beiden Polen war mühsam auszuhandeln. Dass er nun von beiden Seiten kritisiert wird, spricht aus Sicht mancher Beteiligter für ihn.

Edtstadler schickt Vorschlag an Zadić

Dazu kommt: Die wichtigsten Rahmenbedingungen des neuen Informationsfreiheitsgesetzes sind bereits im türkis-grünen Regierungsprogramm verankert. Das betrifft das Grundrecht auf Information, die Länge der Fristen – und auch das Fehlen eines Beauftragten.

In den kommenden Wochen wird Edtstadler einen Vorschlag an ihr grünes Visavis, Justizministerin Alma Zadić, schicken, wie die Stellungnahmen ins Gesetz eingearbeitet werden können. Sind sich die Koalitionsparteien einig, geht die Regierungsvorlage ins Parlament.

SPÖ könnte Änderungen verlangen

Und dort könnte es dann doch noch zu deutlicheren Änderungen kommen – denn für die Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes braucht die Koalition eine Zweidrittelmehrheit, also die Stimmen von SPÖ oder FPÖ. Als wahrscheinlicherer Partner gelten die Sozialdemokraten, die ebenfalls bereits Kritik am Entwurf geäußert haben und noch Änderungen hineinverhandeln können. Ihre Verhandlungsposition ist angesichts des enden wollenden Interesses der FPÖ an dem Thema gut.

Auch die Zeit ist hier ein Faktor: Ursprünglich war der erste Regierungsentwurf für die Informationsfreiheit schon für Sommer 2020 angekündigt, fertig wurde er aber erst im Frühjahr 2021. Weitere Verzögerungen wollen sich vor allem die Grünen nicht leisten – zumal das Gesetz eine Übergangsfrist von 18 Monaten vorsieht. (Sebastian Fellner, 3.6.2021)