Nach Monaten des Lockdowns kehren die Jugendlichen an nichtkommerzielle Orte in der Stadt zurück, zum Beispiel an den Donaukanal. In der öffentlichen Diskussion werden sie jedoch oft als Sündenböcke dargestellt.

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Wie so oft in der Pandemie waren Jugendliche am vergangenen Wochenende Stein des Anstoßes. Einmal mehr ging es ums Feiern im öffentlichen Raum. Sowohl am Donaukanal als auch auf dem Karlsplatz hielten sich weit nach der Gastro-Sperrstunde um 22 Uhr hunderte Jugendliche auf. Abstandsregeln wurden zum Teil nicht eingehalten, die Polizei stellte mehrere Dutzend Anzeigen und Organmandate aus. "Donaukanal-Partys rauben Anrainern den Schlaf", titelte der Boulevard.

Es ist davon auszugehen, dass auch in der Nacht vor dem Feiertag und am kommenden Wochenende wieder im Freien gefeiert wird. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) nahm die Jugendlichen in Schutz, er sagte Anfang der Woche im Ö1-"Morgenjournal", es sei nachvollziehbar, dass man sich jetzt wieder treffe. "Ich verstehe es und gönne es ihnen auch", sagte er in Richtung Jugendliche und sah keine schwerwiegenden Verstöße. Die Polizei trete beratend auf, es habe nur wenige gegeben, die es übertrieben hätten.

Folgen der Lockdowns

Jugendliche, das belegen in der Zwischenzeit zahlreiche Studien, hatten und haben es in der Pandemie besonders schwer. Eine Untersuchung der Donau-Uni Krems und der Medizin-Uni Wien hat etwa ergeben, dass mehr als die Hälfte der über 14-Jährigen an depressiver Symptomatik und Angstsymptomen leidet. 16 Prozent haben suizidale Gedanken. Der Weg zur Normalität nach der Pandemie ist zum Teil also noch ein weiter.

Den Jugendlichen nach den zahlreichen Lockdowns ihren Platz zurückzugeben, hier setzt das Projekt Citysurfer der Initiative Space and Place an. Es soll vermittelt werden, dass man sich Raum nehmen darf und die Stadt selbst aktiv mitgestalten kann. Ziel sei es, die Wahrnehmung Jugendlicher für öffentlichen urbanen Raum zu schärfen, heißt es seitens der Organisatoren.

Workshops für Jugendliche

Konkret angesprochen werden Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren, die eingeladen sind, an Workshops teilzunehmen. Gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern sollen sie den öffentlichen Raum durch einen Photowalk, das Gestalten von Gesprächsfetzen-Gedichten und Soundcollagen, durch einen Impro-Theaterworkshop und die temporäre Gestaltung einer Wohnstraße durch Beklebung zurückerobern. Am 25. Juni präsentieren die Jugendlichen ihre Ergebnisse bei einem #wohnstrassenleben, einem Event in einer Wohnstraße.

Platz zum Verweilen

Wohnstraße, was ist das überhaupt? Es gibt davon fast 200 in Wien, die Bezirksvertretungen können sie beantragen. In Wohnstraßen sind das Betreten der Fahrbahn und das Spielen gestattet, was allerdings die wenigsten wissen. Autofahrer dürfen zu Fuß Gehende oder Radfahrer nicht behindern oder gefährden. Sie dürfen nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren. In Wohnstraßen darf nur an den dafür gekennzeichneten Stellen geparkt werden. Der Verein Space and Place bespielt sie in regelmäßigen Abständen, um die Anrainerinnen und Anrainer auf die Möglichkeiten vor Ort aufmerksam zu machen.

Jugendliche "sehr respektvoll"

"Wohnstraßen erhalten gerade in Zeiten von Corona einen neuen Stellenwert als Treffpunkt und Möglichkeitsraum", sagt Brigitte Vettori, Kultur- und Sozialanthropologin und Initiatorin von Space and Place. Sie habe die Jugendlichen in der Pandemie als "sehr respektvoll gegenüber den anderen Gruppen" erlebt, dabei seien sie in einer Lebensphase, "wo sie rausmüssen". Man entwickle in diesem Alter seine Persönlichkeit, "es muss unglaublich schwer sein, stets bei den Eltern zu Hause zu sein".

Nun gelte es, den Mut zu haben, wieder hinauszugehen, mit dem Projekt Citysurfer wolle man die Jugendlichen dabei unterstützen. (Rosa Winkler-Hermaden, 2.6.2021)