Fellner musste wegen der Belästigungsvorwürfe mehrmals als Zeuge vor Gericht aussagen. Er bestritt jegliche Vorwürfe.

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Eine weitere Ex-Mitarbeiterin des Wiener Medienmachers Wolfgang Fellner erhebt Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen ihren früheren Chef. Die Wiener Journalistin Angela Alexa sagt in einem Artikel der "Zeit" vom Dienstag, Fellner habe sie während einer Firmenweihnachtsfeier im Jahr 2017 begrapscht und während der Arbeitszeit mehrmals ihr Aussehen kommentiert und bewertet. Fellner erklärt auf STANDARD-Anfrage, diese Vorwürfe seien "frei erfunden".

Fellner bestreitet auch gegenüber dem STANDARD alle Vorwürfe: Alexa sei "zu keinem Zeitpunkt" sexuell belästigt und/oder beschimpft worden. Außerdem sei er während der Weihnachtsfeier durchgehend von seiner Marketingleiterin und seiner Lebensgefährtin begleitet worden. Um ihn seien "permanent dutzende Mitarbeiter" gewesen, es habe keinen "Po-Grapscher" gegeben.

Nausner verneint

Fellners Mediengruppe übermittelte auch eine Stellungnahme von Alexander Nausner, als verantwortlicher Programmdirektor und Morgenmoderator mit Alexa. Sie habe sich während ihrer gesamten Dienstzeit nie beschwert oder einen Vorfall gemeldet. Dies könne auch sein Chef vom Dienst, Marko Knöbl, bestätigen. Das Team von Radio Oe24 habe mit Alexa "ein einer gemeinsamen Gruppe" bei der Weihnachtsfeier 2017 gefeiert, erklärt Nausner, Fellner "war niemals Teil dieser Gruppe, einen Po-Grapscher von ihm an Frau Alexa hat es definitiv nicht gegeben". Auch sei Fellner "nie" wie von der "Zeit" geschildert ins Studio der Morgenshow gestürmt, schreibt Nausner.

Laut "Zeit" erinnern sich zwei Ex-Kollegen Alexas: Sie habe ihnen damals von dem Vorfall erzählt, sagen der Fernsehmoderator René Ach und der Radiojournalist Markus Spörk. Spörk sei damals als Chef vom Dienst einer von Alexas Vorgesetzten gewesen. Die Vorfälle seien aber nicht ernst genommen worden, behauptet Alexa. Die heute 28-Jährige arbeitete ab 2015 knapp vier Jahre lang für Fellners damaligen Radiosender Ö24, manchmal soll sie auch als Moderatorin bei Oe24.TV aufgetreten sein.

"Niedergeschrien und gekündigt"

Beide Männer sagten zur "Zeit", dass Alexas Beschwerde nicht die einzige gewesen sein soll, und kritisieren den Umgang mit derartigen Vorwürfen in Fellners Unternehmen: "Wer in diesem Unternehmen arbeitet, lernt, dass es eigentlich nur eine Konsequenz gibt, wenn man solche Vorwürfe gegen Wolfgang Fellner erhebt oder sich hinter betroffene Frauen stellt: Man wird niedergeschrien und gekündigt", sagte Spörk der "Zeit".

Spörk und Ach seien nie Vorgesetzte von Alexa gewesen, erklärt Fellner dem STANDARD. Ihr "einziger" Vorgesetzter sei Programmdirektor Alex Nausner gewesen. Spörk sei nie Chef vom Dienst gewesen. Der damalige Dienstvertrag Spörks liegt dem STANDARD vor. Unter Aufgabenbereiche steht, dass Spörk auch als Chef vom Dienst tätig sei.

Alexa ist derzeit die dritte Frau, die gegen Fellner öffentlich Vorwürfe wegen sexueller Belästigung erhebt. Die Moderatorin Raphaela Scharf brachte die Causa ins Rollen: Sie klagt derzeit ihren Ex-Arbeitgeber wegen ihrer fristlosen Entlassung bei Oe24.TV. Fellner wiederum klagt sie auf Unterlassung der Behauptung, er habe sie bei einem Fotoshooting begrapscht. Erst vergangene Woche schränkte Fellner seine Unterlassungsklage auf diesen mutmaßlichen Vorfall ein.

Weitere Frauen mit Vorwürfen

Scharf wirft Fellner weiters vor, sie mehrmals mittels Whatsapp-Nachrichten und bei gemeinsamen Essen sexuell belästigt zu haben. Fellner bestritt bislang jegliche Vorwürfe und sieht darin eine "Racheaktion" auf eine von Scharf verlangte Gehaltserhöhung, der er nicht nachkommen wollte.

Die zweite Frau ist Katia Wagner, mittlerweile mit Scharf als Moderatorin bei Fellners Konkurrenz Krone TV tätig. Sie legte vergangene Woche ausführliche Gedächtnisprotokolle von einem Abendessen und einer Autofahrt mit Fellner vor. DER STANDARD konnte die Protokolle verifizieren. Fellner bezeichnete die Aussagen auf Nachfrage als "völlig frei erfunden".

Außerdem äußerte sich im Unterlassungsverfahren eine weitere Ex-Mitarbeiterin Fellners als Zeugin. Auch ihr soll Fellner einmal auf den Po "geklapst" haben. Das sei aber "spaßhalber" und ohne sexuelles Motiv geschehen, sagte sie. Fellner sagte am vergangenen Mittwoch vor Gericht, dass nie ein derartiger Poklapser stattgefunden habe.

Im Jahr 2016 gab es gegen Fellner ein Ermittlungsverfahren, das aber mangels Beweisen eingestellt wurde. Eine Frau zeigte Fellner damals an: Er habe sie in Paris sexuell bedrängt und belästigt, DER STANDARD berichtete. Fellner bestritt damals jedwede Belästigung und erstattete Gegenanzeige wegen Verleumdung. Auch diese Ermittlungen wurden eingestellt.

Erklärungen der Chefetagen

Vergangene Woche legte Fellner im Prozess gegen Scharf zahlreiche Erklärungen von Chefredakteurinnen und -redakteuren, Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern sowie Programmdirektorinnen aus seinem Unternehmen vor. In quasi identischen Formulierungen garantierten sie mit ihrer Unterschrift vor Gericht, keine Beschwerden über sexuelle Belästigung durch Fellner erhalten zu haben. Die 13 Unterschriften stellte Fellner in seiner eigenen Zeitung als Erklärungen "aller" Chefredakteure seines Unternehmens dar.

Allerdings fehlen nach STANDARD-Recherchen zumindest sieben Chefredakteurinnen und zwei Chefredakteure von Magazinen, die im Besitz der Mediengruppe Österreich sind. So sagte etwa die Chefredakteurin des Magazins "Naturlust", Claudia Semrau, dass sie nicht gefragt worden sei und von dem Verfahren nichts wisse. "Naturlust" gebe es seit zwei Jahren nicht mehr als regelmäßige Publikation, sondern lediglich als Sonderheft, erklärt Fellner dazu.

Der "Österreich"-Herausgeber erläutert die Stellungnahme so: Für die Magazine seiner Unternehmensgruppe gebe es eine Erklärung der Herausgeberin und Chefredakteurin der gesamten Magazin-Gruppe, Daniela Schimke; die Zeitschriften würden "als eine Unit geführt". Die Erklärungen sind also sehr wohl komplett, betont Fellner.

Im Prozess gab Fellner an, dass die Unterschriften im Zuge einer internen Compliance-Untersuchung gesammelt worden seien. Ob es sich bei der von Fellner angesprochenen Untersuchung um jene der Wirtschaftskanzlei BDO handle, die Fellner beauftragt hatte, konnte Fellner vor Gericht nicht mit Sicherheit beantworten.

BDO Österreich beantwortete keine Fragen zu ihrem Auftrag. Auch ob bei der Untersuchung Ex-Mitarbeiterinnen befragt werden oder Datenträger des Unternehmens ausgewertet werden sollen, wollte die Wirtschaftskanzlei nicht beantworten. Der Rechtsanwalt Michael Rami bot BDO jedenfalls via offenem Brief seine Hilfe bei der Aufklärung der Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Fellner an. BDO stellte Rami in Aussicht, ihn zu kontaktieren. (Laurin Lorenz, 1.6.2021)