Schulen mit besonderen individuellen Herausforderungen können durch einen "Mini-Chancen-Index" etwas mehr Lehrkräfte als bisher erhalten.

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Die neue Lehrstellenverteilung innerhalb Wiens bringt laut der Stadt auch mehr Fairness – weil Herausforderungen wie Deutschförderbedarf und soziale Schwierigkeiten berücksichtigt werden.

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Wien – Die Stadt Wien erhält vom Bund für das kommende Schuljahr mehr Planstellen zugeteilt. Im Schuljahr 2021/22 sind es insgesamt 12.500 Planstellen für die Pflichtschulen – 130 Vollzeitstellen mehr als bisher. Dieses leichte Plus bei den Lehrkräften ist auf das Bevölkerungswachstum zurückzuführen, das sich auch in mehr Schulen und Schülern widerspiegelt, wie Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) erläuterte. Insgesamt sind im Wiener Pflichtschulbereich 14.000 Pädagoginnen und Pädagogen in 450 Pflichtschulen im Einsatz. Das Plus bei den Lehrkräften beträgt damit rund ein Prozent.

Abseits dieser zusätzlichen Zuteilung des Bundes wird überhaupt die Vergabe der Planstellen an Schulstandorten in Wien neu aufgestellt. Das neue System wird dazu führen, dass einige Pflichtschulen mehr Lehrkräfte als bisher erhalten. "Es gibt aber auch Schulen, die weniger Mittel erhalten werden", sagte Bildungsdirektor Heinrich Himmer.

Soziale Herausforderungen

So erhält jeder Schulstandort aufgrund der Schülerzahl ein Basiskontingent. Dazu kommen Zuschläge, die es für Deutschförderung, schulische Tagesbetreuung oder einen "Mini-Chancen-Index" gibt: Mit diesem sollen die besonderen individuellen Schwierigkeiten der Schule berücksichtigt werden. Dazu zählen neben hohen Schülerzahlen pro Klasse vor allem jene Herausforderungen, die gemeinhin eine sogenannte "Brennpunktschule" ausmachen – auch wenn dieses Wort im Bildungsbereich weitgehend vermieden wird. Das können Sprachdefizite von Schülern und ihren Eltern sein – oder soziale Probleme wie Gewalt und Radikalisierung.

Eine große Rolle spielt hier der Bildungsstandards-Bericht sowie der dort angeführte Index der sozialen Benachteiligung. Für Vizebürgermeister Wiederkehr ist etwa "der Bildungsabschluss der Eltern der relevanteste Faktor", wichtig sei auch die Umgangssprache der Eltern. Laut Himmer müssen zwei Drittel der 450 Wiener Pflichtschulen mit hohen sozialen Herausforderungen umgehen.

Mehr Planstellen für Lehrkräfte können zudem jene Schulstandorte ergattern, die pädagogische Projekte wie Schulschwimmen oder muttersprachlichen Unterricht umsetzen. Die Feinumsetzung soll hier in den kommenden Wochen zwischen den Schulen und den sogenannten Schulqualitätsmanagern erfolgen.

Keine großen Lehrkräfte-Verschiebungen

Bahnbrechende Lehrkräfte-Verschiebungen innerhalb des Pflichtschulbereichs wird es freilich nicht geben: Himmer meint, dass in 99 Prozent der Fälle Schulen bis zu zwei Planstellen mehr oder weniger als bisher zugeteilt bekommen. Der Bildungsdirektor erwähnt auch zwei Beispiele: In einer Neuen Mittelschule in Favoriten kommen zwei Lehrkräfte dazu, weil die Klassen sehr voll sind und der Standort wegen eines großen Deutschförderbedarfs für die Schüler vom "Mini-Chancen-Index" profitiert. Eine Schule innerhalb des Gürtels erhält eine Lehrkraft weniger, weil es im kommenden Schuljahr weniger Kinder mit Deutschförderbedarf sowie weniger Anmeldungen zur Nachmittagsbetreuung gibt.

Für eine größere Reform bei der Verteilung bräuchte es einen österreichweiten Chancenindex, um Brennpunktschulen besser unter die Arme greifen zu können, so Wiederkehr und Himmer. Aktuell bereitet der Bund ein Pilotprojekt für österreichweit 100 Schulen mit besonderen Herausforderungen vor, die zusätzliche Ressourcen erhalten sollen. 15 Millionen Euro sind 2021/22 dafür budgetiert. In Wien wurden mehr als 30 Schulen ausgewählt, die Projekte einmelden können. "Das Programm ist zwar gut, aber viel zu klein", meinte Wiederkehr dazu.

200 neue Freizeitpädagogen

Über die Planstellen des Bundes hinaus wird Wien wie in diesem Schuljahr erneut 220 Vollzeitstellen für Fördermaßnahmen oder für die schulische Tagesbetreuung übernehmen. Dazu kommt, dass 200 neue Freizeitpädagoginnen und -pädagogen ab dem Herbst angestellt werden – und zwar über die Bildung im Mittelpunkt GmbH (BiM). Das ist immerhin eine Aufstockung um zehn Prozent gegenüber diesem Schuljahr. Zusätzlichen Bedarf gibt es etwa in den zwölf weiteren verschränkten Ganztagsschulen, die 2021/22 den Betrieb aufnehmen. (David Krutzler, 2.6.2021)