Michelle McNamara und ihr Mann, Patton Oswalt.

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"Golden State Killer" Joseph DeAngelo wurde 2020 verurteilt.

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Aus der Jagd nach dem Mörder wurde schon bald eine Obsession: "Sobald Tochter und Ehemann eingeschlafen waren, jagte ich den Killer mit meinem Laptop." Die US-Autorin Michelle McNamara startete 2006 ihren True-Crime-Blog "True Crime Diary", um alte Mordfälle, Cold Cases, zu rekonstruieren. Besonders ein Fall zog sie in ihren Bann: In den 70er- und 80er-Jahren terrorisierte ein Serientäter junge Frauen und Paare in ganz Kalifornien. Wie sich erst nach vielen Jahren herausstellen sollte, gingen mehr als 45 Vergewaltigungen und 13 Morde auf sein Konto. Er wurde später "Golden State Killer" genannt, hieß in Wirklichkeit Joseph DeAngelo, war ein Ex-Polizist und bis zu seiner Überführung der schlimmste unbekannte Serientäter in den USA.

Tod nach Überdosis

Dass er am 24. April 2018 in Sacramento verhaftet werden konnte, ist den akribischen Recherchen McNamaras und ihrer Mitstreiter zu verdanken. Die Bloggerin heftete sich jahrelang mithilfe der Opfer, die seine Attacken überlebt hatten, und der Analyse tausender Seiten an Fallakten an seine Fersen und wurde selbst zur Getriebenen: "Ich war geradezu besessen von diesen Verbrechen, und sie sollten mich nie wieder loslassen", erklärte sie in einem Interview: "Die Geschichte der Opfer muss erzählt werden." Koste es, was es wolle. Im Fall McNamaras war es die eigene Gesundheit. Sie war medikamentensüchtig und starb 2016 an einer Arzneimittelwechselwirkung. "Der Fall packte mich, weil er lösbar schien. Aus Neugierde wurde Besessenheit", sagte sie ein paar Jahre davor.

Buch nach dem Tod

Ihr Mann, der geniale Schauspieler und Comedian Patton Oswalt (Spence Olchin in "King of Queens"), beendete nach McNamaras Tod gemeinsam mit anderen True-Crime-Autoren das Buch über die Serienmorde, das zum Bestseller avancieren sollte: "Ich ging in die Dunkelheit: Eine wahre Geschichte von der Suche nach einem Mörder". Es brachte schließlich die Ermittler auf die Spur des Mörders. Über welche Um- und Irrwege das geschehen ist, zeigt die sechsteilige HBO-Doku-Serie "I'll be gone in the dark", die ab Donnerstag um 20.15 Uhr in Doppelfolgen auf Sky Crime sowie auf den Plattformen Sky X und Sky Q zu sehen ist.

"Sie hat ihr Gehirn mit sehr dunklen Informationen überlastet", sagte Oswalt nach dem Tod seiner Frau der "New York Times". Ihr habe die Erfahrung gefehlt, damit umgehen zu können. Oswalt wollte nicht, dass McNamaras Arbeit vergebens war, und vollendete ihr Werk, indem er ihre Notizen und die etwa 3500 Dateien auf ihrem PC durchforsten ließ. Die Aufarbeitung und die verschiedenen Puzzleteile flossen in das Buch, das auf Englisch "I’ll Be Gone in the Dark: One Woman’s Obsessive Search for the Golden State Killer" heißt.

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Das Opfer ist selbst schuld

Die Doku-Serie, der STANDARD konnte vorab zwei Episoden sehen, rückt einerseits die Detektivarbeit Michelle McNamaras und die Opfer Joseph DeAngelos in den Fokus, andererseits zeichnet sie auch das gesellschaftliche Klima der 70er- und 80er-Jahre nach, das die grauenvollen Taten begünstigte. "Vergewaltigung stand in den 1970er-Jahren strafrechtlich auf derselben Stufe wie eine einfache Körperverletzung: Man bekam 30 oder 90 Tage Haft oder Bewährung", sagt Melanie Barbeau, Hobbydetektivin und Mitstreiterin McNamaras. Die Hierarchie zwischen Frauen und Männern spiegelt sich im Strafrecht wider. Oft gab man den Frauen die Schuld, weil sie sich angeblich aufreizend verhalten hätten, kritisiert Barbeau.

Verurteilt zu lebenslanger Haft

DeAngelos Verbrechen, die er von 1973 bis 1986 beging, wurden zunächst verschiedenen Personen zugeordnet und konnten erst im Jahr 2001 zusammengeführt werden. Er trug bei seinen Taten immer eine Skimaske, fesselte die Männer, wenn sie anwesend waren, und vergewaltigte ihre Frauen. Manche von ihnen tötete er danach. Den Namen "Golden State Killer" bekam er von Michelle McNamara verpasst. Er wurde schließlich mithilfe der öffentlichen Genealogie-Datenbank "GED Match" gefasst. Die DNA-Profile seiner Cousins dritten und vierten Grades führten die Ermittler schließlich zu DeAngelo. Er wurde am 21. August 2020 zu lebenslanger Haft verurteilt. (Oliver Mark, 3.6.2021)