Der Teilchenphysiker Christof Gattringer wurde im Februar zum Präsidenten des Wissenschaftsfonds gewählt, seit April ist er im Amt.

Foto: FWF / Daniel Novotny

Das Timing für den Amtsantritt des neuen Präsidenten des Wissenschaftsfonds FWF hätte kaum besser sein können: Bei seinem ersten medienöffentlichen Termin konnte Christof Gattringer, der dem FWF seit Anfang April vorsteht, die seit langem in Vorbereitung befindliche Exzellenzinitiative präsentieren.

Zuvor war der Teilchenphysiker Vizerektor für Forschung und Nachwuchsförderung an der Universität Graz. Dem FWF ist Gattringer schon lange verbunden: Als Postdoc konnte er einst selbst ein Schrödinger-Stipendium des FWF lukrieren, später leitete er über zehn Jahre ein vom FWF gefördertes Doktoratskolleg.

STANDARD: Die Corona-Pandemie hat die Aufmerksamkeit für Wissenschaft einerseits erhöht, andererseits haben auch Verschwörungstheorien regen Zulauf erfahren. Wie hat sich das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft Ihrer Meinung nach im vergangenen Jahr verändert?

Gattringer: Für mich war unglaublich faszinierend, wie rasch es möglich war, einen Impfstoff zu entwickeln. Vor einem Jahr waren wir im ersten Lockdown und wussten nicht, wie es weitergeht. Im Herbst waren die Alten- und Pflegeheime in den Schlagzeilen, und man musste sich große Sorgen um ältere Angehörige machen. Inzwischen hat sich all das entschärft, und zwar aus einem Grund: weil die Impfung wirkt. Wissenschaft funktioniert einfach – da kann man Skeptiker sein, soviel man möchte.

STANDARD: Der Beginn Ihrer Amtszeit als Präsident des Wissenschaftsfonds FWF steht im Zeichen der Exzellenzinitiative. Wo stand die Initiative, als Sie im Februar zum FWF-Präsidenten gewählt wurden?

Gattringer: Die Exzellenzinitiative beschäftigt mich nun seit etwa zwei Jahren. Damals war ich Vizerektor an der Universität Graz, und mich hat die Frage beschäftigt, wie wir uns positionieren, wenn die Exzellenzinitiative startet. Als ich zum FWF gewechselt bin, ist es sehr schnell darum gegangen, wie wir die Exzellenzinitiative möglicht rasch umsetzen, zunächst einmal die Exzellenzcluster. Der FWF hat ein sehr großes Budget dafür vorgesehen, insgesamt 150 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren, dazu kommen 40 Prozent Eigenleistungen von den Universitäten. Mit so viel Geld geht natürlich auch eine hohe Verantwortung einher.

STANDARD: Die Exzellenzcluster bieten eine völlig neue Möglichkeit der Förderung von Grundlagenforschung in Österreich – sowohl zeitlich als auch budgetär. Was sind die Besonderheiten?

Gattringer: Um so einen Cluster zu beantragen, schließen sich drei bis acht Forschungsstätten zusammen und suchen ein Thema, das groß genug ist, um ein wissenschaftliches Programm für bis zu zehn Jahre zu tragen. Wir wollen mit den Exzellenzclustern die wirklich großen Fragen fördern. Auf zehn Jahre ausgelegt, kann ein Cluster bis zu 70 Millionen Euro lukrieren. Erstmals erlauben wir auch die Beantragung von Großforschungsinfrastruktur. Wenn es etwa um Geräte geht, die fünf Millionen Euro kosten, sind das Beträge, die eine Universität aus ihrem Regelbudget nur sehr schwer stemmen kann.

STANDARD: Das sind zwar völlig neue Möglichkeiten für die ausgewählten Konsortien. Wie kann aber gewährleistet werden, dass die Grundlagenforschung in Österreich abseits der Exzellenzcluster nicht auf der Strecke bleibt?

Gattringer: Der FWF steht immer für Spitzenforschung. Wir sind keine Organisation, die Disziplinen, die an bestimmten Forschungsstätten hinterherhinken, aufbaut. Wir schauen immer nur auf die Exzellenz, das ist unsere Arbeitsmethode. Die Herausforderung ist, die Rahmenbedingungen so aufzusetzen, dass sich alle exzellenten Forscherinnen und Forscher darin wiederfinden – egal ob sie mit Papier und Bleistift oder mit teuren Geräten arbeiten.

STANDARD: Die Bewilligungsquote liegt derzeit bei etwas über 20 Prozent. Vier von fünf eingereichten Projekten erhalten also keine Förderung. Sind Sie zufrieden mit dieser Quote?

Gattringer: Die korrekte Bewilligungsquote wäre dort, wo wir alle exzellent begutachteten Projekte fördern können. Derzeit gibt es leider mehr exzellent begutachtete Projekte, als wir fördern können, daher kann ich mit der Quote nicht zufrieden sein. Wir würden momentan etwa 60 Millionen Euro mehr pro Jahr benötigen. Wenn wir exzellente Projekte nicht fördern, machen wir einen Fehler. Dahinter steht auch eine forschungspolitische Frage, wie viel Geld man wo hineinsteckt. Ich verweise dabei auf den Report der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) von 2018, wo klar drinsteht: Im Wettbewerb vergebene Mittel könnten in Österreich deutlich höher sein. 60 Millionen Euro mehr pro Jahr für im Wettbewerb vergebene Mittel für Grundlagenforschung wären ein erster Schritt in die richtige Richtung.

STANDARD: Wo steht Österreich bei der Forschungsförderung im internationalen Vergleich?

Gattringer: Wenn man sich die Gesamtquote ansieht, die für Forschung ausgegeben wird, schaut Österreich auf dem Papier gar nicht schlecht aus: Das sind etwa 3,2 Prozent vom BIP. Aber wenn man sich den Mix der verschiedenen Förderinstrumente etwas genauer ansieht, dann wird das sichtbar, was auch die OECD im Vergleich zu anderen Ländern bemängelt: Jener Anteil, der auf Qualität basierend im Wettbewerb vergeben wird, ist in Österreich viel zu klein. Beispielsweise ist die Forschungsprämie ein Instrument, das in Richtung Wirtschaftsförderung geht. Ich schließe mich der Meinung der OECD an, dass man diese Komponente etwas zurückfahren könnte und dafür die Wettbewerbskomponente, für die der FWF steht, erhöhen sollte. Das wäre ein ganz wichtiger Schritt für die österreichische Grundlagenforschung, aber auch für die angewandte Forschung: Um die Konkurrenzfähigkeit zu steigern, sollten mehr Mittel im Wettbewerb vergeben werden.

STANDARD: Welche Strategie verfolgt der FWF bei der Frauenförderung? Das Auslaufen des Lise-Meitner- und des Hertha-Firnberg-Programms hat für viel Aufregung gesorgt.

Gattringer: Für die Postdoc-Phasen von akademischen Karrieren, für die das Lise-Meitner- und das Hertha-Firnberg-Programm konzipiert waren, haben wir nun das Esprit-Programm geschaffen. Dabei ist eine Frauenquote von 50 Prozent festgelegt, das ist also wesentlich ambitionierter als das, was wir mit früheren Programmen erzielen konnten.

STANDARD: Die Förderung von Doktorandinnen und Doktoranden durch den FWF musste durch den Ausfall der Nationalstiftung vorübergehend pausiert werden. Wo stehen die Gespräche mit dem Wissenschaftsministerium – gibt es bereits eine Nachfolgekonstruktion?

Gattringer: Nein, noch nicht. Auch mir persönlich tut das sehr leid, weil mir die Doktoratsprogramme sehr am Herzen liegen. Ich hoffe, dass es bald eine Lösung gibt.

STANDARD: Die Umsetzung der Exzellenzinitiative nimmt einen wichtigen Teil Ihrer Amtszeit als FWF-Präsident ein. Welche weiteren Ziele verfolgen Sie?

Gattringer: Mein Ziel ist, dass die Fördersummen des FWF weiter wachsen und damit noch mehr Geld in kompetitive Grundlagenforschung geht. Wir wollen diese Expertise auch breiter nutzbar machen: Es soll sichtbar gemacht werden, wo in Österreich Expertinnen und Experten zu verschiedenen Themen arbeiten, und diese Expertise wollen wir noch breiter zugänglich machen. Es ist uns im FWF ein großes Anliegen, den Wissenstransfer in die Gesellschaft zu unterstützen. Das ist auch eine unserer gesetzlichen Aufgaben. FWF-Förderungen werden mit Steuergeld finanziert, und die Bevölkerung hat ein Anrecht darauf, zu erfahren, was hier erforscht wird. (Tanja Traxler, 2.6.2021)