Bei der Landtagswahl 2016 erreichte die AfD in Sachsen-Anhalt 24,3 Prozent. Diesmal spitzt sie auf den Posten des Regierungschefs.

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Deutschland ist am Ende. Und es wird noch schlimmer werden. So zumindest sieht es an einem lauen Spätnachmittag Björn Höcke. Der AfD-Chef von Thüringen – nach wie vor der Star der gesamten Partei – steht auf dem Rolandplatz im sachsen-anhaltinischen Burg und fordert ein "Ja zur deutschen Nation".

Er zählt auf, wer Deutschland angeblich ruiniert: "eine Deutschland-Hasserin wie Merkel". Und nach der Bundestagswahl dann die "Deutschland-Hasserin Baerbock" – eine grüne Bundeskanzlerin Annalena Baerbock also.

"Buh!"

Das Publikum ruft "Buh!" und pfeift. Es war schon voller bei der AfD, aber einige sind schon gekommen, um die lokale AfD-Prominenz und Höcke zu hören.

Der ist extra aus Thüringen angereist, um die Landespartei zu unterstützen. Im Osten ist die AfD ohnehin stark, in Sachsen-Anhalt hat sie bei der Landtagswahl vor fünf Jahren eines ihrer besten Ergebnisse eingefahren: 24,3 Prozent. Danach reichte es erstmals nicht mehr für ein Bündnis aus Union und SPD.

Also kamen die Grünen mit ins Regierungsboot, Schwarz, Rot und Grün bildeten die erste "Kenia-Koalition", nach den Farben der kenianischen Landesflagge.

Regierungschef in Sorge

An diesem Sonntag könnte es in dem 2,1-Millionen-Einwohner-Land, durch das sich die Elbe schlängelt und in dem die Luther-Gedenkstädte Eisleben und Wittenberg liegen, für die CDU und ihren Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (67) noch schlimmer kommen. Zeitweise stand die AfD in Umfragen vor der CDU. Jetzt, auf den letzten Metern, ist sie wieder hinter der CDU, sitzt ihr aber im Nacken.

"Macht die AfD zur stärksten Kraft, und alles ist möglich", ruft Höcke in Burg. Dann werde es ein "Willkommensgeld" nur für deutsche Kinder geben. Man könne zudem auf deutsche Autos wieder stolz sein, es drohe auch keine "Ökodiktatur", betont AfD-Landeschef Martin Reichardt. Dieser spricht die CDU direkt an und sagt: "Ich rufe die konstruktiven Kräfte der CDU auf. Macht euch von Merkel und Haseloff frei!"

Die Furcht in Berlin

Ein Bündnis mit der CDU, unter Führung eines AfD-Ministerpräsidenten – das ist die Wunschvorstellung der AfD. Da müsste die CDU aber erst einmal mitmachen. Und das ist genau der Punkt, vor dem sich viele in Berlin fürchten.

Zwar würde sich Ministerpräsident Haseloff wohl eher die rechte Hand abhacken lassen als mit der AfD zu paktieren. Er hat im Dezember seinen Innenminister Holger Stahlknecht entlassen, weil dieser bei einem Koalitionsstreit um Rundfunkgebühren einen Bruch des Bündnisses und eine CDU-Minderheitsregierung in Spiel gebracht hatte. Diese wäre aber auf AfD-Stimmen angewiesen gewesen.

Doch es gibt in der sachsen-anhaltinischen CDU durchaus Kräfte, die sich der AfD nicht verschließen wollen. So hatte der Vizefraktionschef im Landtag, Ulrich Thomas, schon 2019 erklärt, man solle eine Zusammenarbeit nicht ausschließen.

Gemeinsam mit seinem Fraktionskollegen Lars-Jörn Zimmer verfasste er ein Positionspapier, in dem es heißt, CDU- und AfD-Wähler hätten ähnliche Ziele. Es sei ein Fehler der CDU gewesen, die Sehnsucht nach Heimat zu vernachlässigen. Nun müsse es gelingen, "das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen".

Laschets Brandmauer

In der Bundes-CDU reagiert man auf derlei Überlegungen ziemlich allergisch und verweist auf einen Beschluss, wonach die CDU weder mit der AfD noch mit den Linken koalieren werde. CDU-Chef Laschet war im Wahlkampf auch in Sachsen-Anhalt und hat noch einmal betont: "Wir wollen keine Kooperation mit der AfD auf keiner Ebene. Mehr Brandmauer geht nicht."

Dieser Ansicht war auch einmal seine Vorgängerin, CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, gewesen. Doch dann machten ihr, im Februar des Jahres 2020, die Parteifreunde in Thüringen einen gewaltigen Strich durch die Rechnung und wählten gemeinsam mit der AfD den FDP-Mann Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten.

"AKK" fuhr extra nach Thüringen, um für eine Bereinigung der Situation zu sorgen. Doch sie scheiterte und trat nach diesem Debakel als CDU-Chefin zurück.

Hartes Pflaster für Laschet

Nach der Wahl könnte Laschet vor einem ähnlichen Problem stehen. Leicht hatte er es in Sachsen-Anhalt ohnehin nicht. Es ist kein Geheimnis, dass Haseloff lieber CSU-Chef Markus Söder als Kanzlerkandidaten gehabt hätte.

Doch es kam anders, und nun braucht Laschet bei der letzten Landtagswahl vor der Bundestagswahl am 26. September einen Erfolg. Das gilt auch für die Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock. Sie kann im für die Grünen traditionell schwierigen Osten immerhin auf eine Verdoppelung des Fünf-Prozent-Ergebnisses von 2016 hoffen. (Birgit Baumann aus Burg in Sachsen-Anhalt, 2.6.2021)