Christian Pilnacek und Wolfgang Brandstetter pflegten eifrig zu kommunizieren.

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Es war ein Tag, den Christian Pilnacek nicht so schnell vergessen wird. Ab Mittag wurde gestern, Dienstag, vor dem Bundesverwaltungsgericht über seine Suspendierung verhandelt, während tröpfchenweise brisante Chatnachrichten aus seiner Kommunikation mit Politikern und Kollegen an die Öffentlichkeit kamen. "Uns fehlt ein Trump", schrieb er dem einstigen Justizminister Wolfgang Brandstetter beispielsweise, als die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in der ÖVP-Schredderaffäre ermittelte.

Pilnacek galt jahrzehntelang als Eminenz im Justizministerium. 2010 war er zum Leiter einer "Supersektion" geworden, die Gesetze entwickelt (Legistik) und Ermittlungen beaufsichtigt (Strafrecht). Immer wieder gab es Vorwürfe, Pilnacek greife zugunsten konservativer und rechter Kreisen in Verfahren ein. Beweise dafür materialisierten sich nie.

Mit der grünen Übernahme des Justizministeriums im Jänner 2020 war jedoch klar, dass er um seine Macht kämpfen müsste. Zu heftig waren seine Gefechte mit der WKStA gewesen, etwa rund um die Causa Eurofighter. Staatsanwälte hatten eine Dienstbesprechung dazu aufgenommen, das Protokoll gelangte an die Medien. Weithin bekannt wurde Pilnaceks Rat, einzelne Verfahrensstränge des "Scheißakts" zu "derschlagen". Es folgten gegenseitige Anzeigen und eine Mediation, wirklich bessern sollte sich das Verhältnis aber nicht mehr.

"Missratene" WKStA

Wenige Monate nach dem Amtsantritt von Justizministerin Alma Zadić war alles anders: Die "Supersektion" wurde aufgetrennt, Pilnacek leitete ab da ausschließlich die Legistiksektion und nicht mehr die Fachaufsicht über die Staatsanwälte. Für den streitbaren Juristen war das ein "Foul", wie in etlichen Chats zu lesen ist. Mit einem Anwalt, der Ex-Politiker in Korruptionsverfahren vertrat, schimpfte er über Kollegen. Als "Urschel" bezeichnete der Anwalt die Justizministerin; als "missratene Staatsanwaltschaft" Pilnacek die WKStA. Einige Vertreter der Behörde kennt Pilnacek seit langem: Sie haben einst bei ihm gearbeitet, sich aber danach emanzipiert – und offenbar entfremdet.

Gut befreundet ist Pilnacek mit dem früheren Justizminister Brandstetter, der inzwischen Richter am Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist. Mit ihm unterhielt er sich oft. So bat er den "Präsidenten", wie er ihn nennt (Brandstetter ist Präsident des Filmarchiv Austria), heuer um eine Unterstützung seiner Frau, die Präsidentin des Straflandesgerichts in Graz ist. Ausgeschrieben sei die Führungsposition im Oberlandesgericht Graz, ließ er Brandstetter wissen.

Unterstützung für Pilnaceks Frau

Man könnte ja seine "Frau ein wenig fördern", das wäre auch eine "Gelegenheit, das an mir begangene Foul auszumerzen". Brandstetter: "Ja, das wär schon was (...) Wenn ich irgendetwas tun kann, lass es mich wissen." Und, hat er was getan? Laut Brandstetters Anwalt Georg Krakow habe er nur "aufmunternde Worte für Pilnacek gefunden", aber weder etwas getan, noch hätte er etwas tun können.

Gefragt wurde auch der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP), der auch nichts für die Juristin getan haben will, wie eine Sprecherin ausrichtet. Schützenhöfers Sohn, den Pilnacek um die Nummer seines Vaters gebeten hatte, ließ ihn dagegen wissen: "Die Frage, wie wir in dieser Sache konkret helfen können, hat uns ohnehin schon beschäftigt."

"Mein Mann hatte im Zusammenhang mit der Besetzung des Postens eines Präsidenten des Oberlandesgericht Graz keine Funktion und keine Einflussmöglichkeit kraft Amtes", erklärt Pilnaceks Frau dazu auf STANDARD-Anfrage. "Zu meiner privaten Kommunikation mit meinem Ehemann werde ich keine Stellung beziehen."

VfGH-Mitglied als Müllfrau

Freilich gab es zwischen Sektionschef Pilnacek und VfGH-Mitglied Brandstetter auch Fachliches zu besprechen: Viel gemeinsames Kopfzerbrechen bereitete etwa das Thema Sterbehilfe, über das der VfGH Ende 2020 entschieden hat. Im Herbst davor schilderte Brandstetter dem Ex-Generalsekretär, dass er bei den Beratungen im VfGH vorgeschlagen habe, ein Papier zu erarbeiten, welche Folgen die Aufhebung des Sterbehilfeverbots zeitigen könnte. Offenbar rechnete er mit mit der Aufhebung: "Das kann auch schiefgehen." Tatsächlich hob der VfGH die Bestimmung auf. In Pilnaceks Augen ein Fehler: "Einem vom VfGH fehlgeleiteten Rechtsstaat kann man nicht mehr dienen."

Wobei er einzelnen Mitgliedern des Höchstgerichts gegenüber wenig Respekt erkennen ließ. Als gerade berichtet wurde, dass in Kuba künftig auch Müllfahrzeuge aus Österreich eingesetzt würden, zog Pilnacek folgenden Schluss: Man könne ja den VfGH "nach Kuba exportieren". Und: Mit der schwarzen Vize hätten die Kubaner sicherlich ihre Freude, ätzte der einst höchste Beamte des Justizministeriums, eine andere gebe eine "gute Müllfrau" ab.

Urteil kommt schriftlich

Die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ging am Dienstag ohne Urteil zu Ende: Es ging um mehrere Vorwürfe, vom Verrat des Amtsgeheimnisses bis zur Verletzung der Treuepflicht. Die ganze Sache sei zu komplex, um sofort zu entscheiden, ließ Richter Mario Dragoni wissen: Das Urteil ergeht in den nächsten Wochen schriftlich. (Renate Graber, Fabian Schmid, 2.6.2021)