Salzburgs erste Impfstraße startete bereits im Februar. In diesem Bundesland will man bis Ende Juni alle Impfwilligen, die bereits angemeldet sind, mit einem Erststich versorgen.

APA / Barbara Gindl

Am 3. April 2021 machte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) den Bewohnern Österreichs ein großes Versprechen: In den nächsten 100 Tagen könnten sich alle Menschen in Österreich impfen lassen, die das wollen. Wenig später äußerte sich Kurz in einer eigenen Sonder-"ZiB" noch optimistischer: Das Ziel sei nicht erst am 12. Juli (das wären 100 Tage ab 3. April), sondern schon Ende Juni zu erreichen.

Die Ankündigung sollte damals wohl auch davon ablenken, dass Österreich sich suboptimal mit Impfstoffen eingedeckt hatte, wie DER STANDARD berichtete. Da Österreich vor allem beim Einkauf des Impfstoffs von Biontech/Pfizer sparte und sich mit 90 Prozent der möglichen Liefermenge begnügte, wird das Land bis zum Sommer bei der Impfstoffversorgung innerhalb der EU auf die hinteren Ränge zurückfallen.

Die umstrittene Tischvorlage der EU mit den Biotech/Pfizer-Anteilen. Hier nicht berücksichtigt sind die Lieferausfälle insbesondere bei Astra Zeneca (vorletzte Spalte), aber auch die zusätzlichen Impfdosen von Biontech/Pfizer. Österreich wird davon im Juni eine Million zusätzlich erhalten.
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Zumindest Kurz’ Versprechen mit Stichtag 30. Juni wird laut neuen Prognosen aber nicht halten. Laut Umfragen der APA in den Bundesländern sehen sich nur Niederösterreich und Salzburg imstande, die Prognose des Kanzlers auch tatsächlich einzulösen. Und selbst in diesen Bundesländern tut man das nur mit Einschränkungen.

Anmeldung muss schon erfolgt sein

In Niederösterreich sollen nach Angaben von Gesundheitslandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ) bis Ende Juni nämlich nur all jene Personen, die sich bereits für die Corona-Schutzimpfung angemeldet haben, den ersten Stich erhalten. Die Termine waren im Bundesland vom 10. Mai an für alle Menschen ab 16 Jahren verfügbar.

In Salzburg wiederum könnten bis Ende Juni all jene Impfwilligen den ersten Stich erhalten haben, die sich bis 26. Mai dazu angemeldet haben. Wer sich erst danach für die Impfung entschieden hat beziehungsweise entscheiden wird, kommt dann ab Juli an die Reihe, sagte Gesundheitsreferent Christian Stöckl. Da sich wohl auch danach immer wieder noch Menschen zur Immunisierung entschließen werden, sei ein abschließendes Datum nicht zu nennen.

In den meisten anderen Bundesländern sieht man sich außerstande, das Ziel zu erreichen, oder wollte sich nicht festlegen, wie lange es noch mit den Erststichen für alle Impfwilligen dauern wird. Zum einen seien genaue Planungen aufgrund der Lieferengpässe schwer möglich. Zum anderen verweisen Bundesländervertreter darauf, dass sich nach wie vor viele Leute erst anmelden. In Wien etwa kommen 10.000 neue Vormerkungen täglich dazu. Anders gesagt: Man weiß einfach nicht, wie viele sich impfen lassen wollen.

Etliche offene Fragen

Diese Auskünfte aus den Bundesländern lassen mehrere grundsätzliche Fragen offen – nicht nur die, warum es sich in manchen Ländern womöglich mit Ende Juni ausgeht und in anderen nicht. Differiert die regionale Impfbereitschaft tatsächlich so stark? Wie viele Bewohnerinnen und Bewohner Österreichs wollen sich überhaupt impfen lassen? Und wie viel Impfstoff ist denn nun überhaupt bis Ende Juni zu erwarten? Hier wird es nun etwas kompliziert und spekulativ. Denn auf keine der Fragen gibt es exakte Antworten.

Beginnen wir mit der Impfstoffmenge. Das Gesundheitsministerium ist diesbezüglich in seiner Informationspolitik zurückhaltend, um es höflich zu formulieren, was freilich auch mit den Lieferausfällen durch die Firmen zu tun hat. Bis inklusive Kalenderwoche 23 (also bis zum 13. Juni – weiter reicht die Vorschau des Ministeriums nicht) sollten in Österreich insgesamt knapp 6,6 Millionen Impfdosen eingelangt sein, davon rund zwei Drittel von Biontech/Pfizer.

Vorläufige Prognosen

Geht es in der für die ersten beiden Juniwochen prognostizierten, stark steigenden Lieferfrequenz weiter, kommen danach knapp 600.000 Dosen pro Woche dazu. Macht bis 4. Juli großzügig gerechnet rund 8,4 Millionen verimpfbare Dosen, bis 11. Juli insgesamt neun Millionen. Bis 1. Juni wurden rund 5,1 Millionen Impfeinheiten in Österreich verabreicht, damit wurden etwa 3,6 Millionen Personen zumindest erstgeimpft, und 1,5 Millionen davon haben beide Dosen erhalten bzw. sind mit einem Stich Janssen (das betrifft etwa 100.000 Personen) bereits vollimmunisiert.

Gehen wir davon aus, dass von diesen 2,1 Millionen nur Erstgeimpften die allermeisten einen Zweitstich bis 12. Juli erhalten werden, sind bis zu diesem Termin gut sieben Millionen Impfdosen "vergeben", die dafür sorgen werden, dass 3,6 Millionen beide Impfungen erhalten haben werden.

5,6 Millionen bis 12. Juli?

Bleiben bis 12. Juli also grob geschätzt zwei Millionen Dosen für Erstimpfungen. Addiert man diese zwei Millionen zu den bis jetzt 3,6 Millionen Erstgeimpften, erhält man 5,6 Millionen potenziell impfbare Personen, die bis zum 12. Juli zumindest eine Erstimpfung erhalten können. Impfbar sind in Österreich seit kurzem 7,87 Millionen Personen (7,53 Millionen über 16 Jahren plus 340.000 Teenager ab zwölf). 5,6 Millionen wären rund 71 Prozent. Bis Ende Juni 2021 allerdings werden wir unter den fünf Millionen Erstgeimpften bleiben, die Kurz noch Anfang April anvisierte, bei einer geschätzten Impfquote von 66 Prozent.

Dass dieser Schwellenwert österreichweit nicht erreicht wird, bestätigte sich nun quasi auch "empirisch" auf Basis der Prognosen aus den Bundesländern. Darauf angesprochen meinte Bundeskanzler Kurz am späten Dienstagnachmittag, dass es sich mit Ende Juni deshalb nicht ausgehen werde, weil sich die Zahl der impfbaren Menschen "ausgedehnt" habe. Erstens sei die Impfbereitschaft mittlerweile höher als im April angenommen; zudem seien die Jugendlichen dazugekommen. Er geht nun davon aus, dass sich in Österreich zumindest 5,5 Millionen Menschen impfen lassen wollen, das wären also rund 70 Prozent.

Aber wie geschrieben: Auch mit 5 Millionen Erstimpfungen wird es sich wegen der mangelnden Impfstoffbestellungen und -lieferungen bis Ende Juni vermutlich knapp nicht ausgehen – im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern, die besser bestellten. (Klaus Taschwer, 1.6.2021)