FPÖ-Klubchef Herbert Kickl drängt auch auf den Posten des Parteichefs. Nach dem Abgang Norbert Hofers hat er die besten Karten.

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Der Machtkampf in der FPÖ scheint entschieden. Nach dem Rücktritt von Bundesparteiobmann Nobert Hofer am Dienstag deutet vieles darauf hin, dass Klubobmann Herbert Kickl auch in der Partei die Macht übernehmen wird. Die Parlamentsabgeordneten stehen klar hinter ihm, wie zuletzt die Debatte über das Maskentragen im Hohen Haus zeigte. Die burgenländische Landespartei hat sich bereits klar für Kickl ausgesprochen, auch aus Tirol und seinem Herkunftsbundesland Kärnten gab es am Dienstag positive Signale für eine Kür des Ex-Innenministers. FPÖ-Intimus Andreas Mölzer legte sich im "ZiB 2"-Interview ebenfalls fest: "Für die Oppositionspartei FPÖ heißt die Losung Herbert Kickl."

Doch noch ist es nicht so weit. Gemäß den Parteistatuten rückt nach Hofers chaotischem Abgang sein an Lebensjahren ältester Stellvertreter nach, es ist dies der Nationalratsabgeordnete Harald Stefan. Der 55-jährige Notar hat nun die Aufgabe, eine geordnete Nachfolge in die Wege zu leiten. Wie lange das dauern wird, ist aber unklar, wie Stefan dem Ö1-"Morgenjournal" am Mittwoch sagte: "Ich kann noch keinen Zeitrahmen nennen."

Landtagswahl in Oberösterreich

Der Faktor Zeit spielt allerdings eine wichtige Rolle für die blaue Dynamik. Kickls einzigem gewichtigen Widersacher, dem oberösterreichischen Parteichef und Vizelandeshauptmann Manfred Haimbuchner, steht nämlich ein Wahlkampf unmittelbar bevor, da in Oberösterreich Ende September gewählt wird. Für Haimbuchner kommt die Nachfolgefrage in der Bundespartei "zur Unzeit", wie Politikberater Thomas Hofer in Ö1 sagte. Haimbuchner werde "den Teufel tun", sich jetzt einem Zweikampf mit Kickl zu stellen, zumal ihm eine innerparteiliche Niederlage im Landeswahlkampf wohl nicht gut zu Gesicht stünde.

Doch auch mit einer raschen, reibungslosen Machtübernahme Kickls ist der mächtigen oberösterreichischen Landespartei nicht gedient. Denn Haimbuchner will die FPÖ als bürgerliche, gemäßigt rechte Kraft positionieren und die Zusammenarbeit mit der ÖVP prolongieren. "Da kann er die sprachliche Radikalität und Brandreden von Herbert Kickl nicht brauchen", erklärte Politikwissenschafter Peter Filzmaier in der "ZiB 2". Ein rabiater Kickl, der sich als Fürsprecher der Corona-Verharmloser in Szene setzt und wüste Attacken auf die ÖVP reitet, käme bei der Verhandlung einer neuerlichen schwarz-blauen Koalition in Oberösterreich nicht gelegen. Am Mittwoch zu Mittag sprach sich Haimbuchner in der "ZiB" auch öffentlich klar gegen Kickl als Parteichef aus: "Nach derzeitiger Sicht würde ich hier eine offensive Unterstützung nicht kundtun."

Verzögerung möglich

Haimbuchner könnte mithin versuchen, einen außerordentlichen Parteitag inklusive Obmannwahl bis weit in den Herbst hinein zu verzögern, glaubt Filzmaier. Ob das gelingt, wird freilich davon abhängen, welches Lager sich in den Gremien mit dem Terminwunsch für einen Parteitag durchsetzen kann. Haimbuchner selbst sagte am Mittwoch, er werde wegen der Landtagswahl nicht zum Parteichef kandidieren.

ORF

Einig sind sich die meisten Beobachterinnen und Beobachter, dass eine Neuauflage von Türkis-Blau unter einer Kickl-FPÖ auf absehbare Zeit unwahrscheinlich wäre. Immerhin ist die Koalition 2019 nicht zuletzt deshalb geplatzt, weil Kanzler Kurz nach Publikwerden des Ibiza-Videos Kickls Entlassung als Minister betrieben hatte. Für Kickl wiederum ist "Kurz muss weg" seither die oberste Prämisse. Jene Kräfte in der FPÖ – darunter so manche Burschenschafter – die auf Regierungsverantwortung samt Posten und Pöstchen schielen, müssten ihre Karrierehoffnungen unter Kickl auf absehbare Zeit begraben. Unter dem Haimbuchner-Kurs hätten sie bessere Chancen. Wobei sich die Burschenschafter nicht eindeutig einem Lager zuordnen lassen, immer herrscht im Kickl-treuen Klub eine hohe Burschenschafter-Dichte. Auch bei den Landesparteien sind die Positionen nicht überall klar: Am Mittwoch wollten sich jedenfalls noch nicht alle Länder auf Kickl kaprizieren, etwa die Steirer unter Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek. Kickl sei "nur eine Optionen" von vielen, sagte Kunasek zur APA.

Gegen Doppelspitze

Prinzipiell denkbar wäre noch eine neuerliche Aufteilung der blauen Führungsrollen – diesmal zwischen Kickl und Haimbuchner. So müsste im Falle einer Neuwahl der Parteichef nicht notwendigerweise auch der Spitzenkandidat sein. Die vielen Streitereien zwischen Kickl und Hofer sprechen allerdings nicht unbedingt für die Funktionstüchtigkeit eines blauen Duos, das zwischen Fundamentalopposition und verbindlichem Ton zu oszillieren versucht. Der niederösterreichische Landesparteichef Udo Landbauer erklärte am Mittwochmorgen vorsorglich: "Das Wort Doppelspitze darf in der FPÖ nicht mehr vorkommen."

Bleibt noch die Option, dass ein lachender Dritter aus dem Konflikt zwischen Kickl und Haimbuchner als Bundesparteiobmann hervorgeht. Kolportiert wurde etwa der Name Mario Kunasek, doch auch er winkte am Mittwoch ab, weil er in der Steiermark bleiben will. (Theo Anders, 2.6.2021)