An der "Indispensable Strait" rumort es schon seit geraumer Zeit. Die "unverzichtbare Meerenge" trennt die Salomonen-Insel Malaita im Norden von Guadalcanal und den Florida-Inseln im Süden. Benannt ist sie nach dem Segelschiff Indispensable, mit dem der britische Kapitän William Wilkinson im Jahr 1794 die Straße entdeckte. Sie trennt nicht nur mehrere Provinzen des südpazifischen Inselstaates, sondern stellt auch eine Grenze zwischen China und Taiwan dar – zumindest zwischen den Einflusssphären der beiden chinesischen Staaten.

36 Jahre lang standen die Salomonen auf der Seite Taipehs. Im September 2019 jedoch vollzog die Regierung in der Hauptstadt Honiara auf Guadalcanal eine Kehrtwende hin zu Peking. Peking sieht Taiwan als chinesisches Territorium und ist mit seiner Ein-China-Politik bestrebt, die Insel international zu isolieren. Dabei kommt neben diplomatischem Druck auch jede Menge Geld zum Einsatz. Im Oktober 2019 wurde bekannt, dass China den Salomonen um 74 Millionen Dollar ein neues Stadion für die Pazifik-Spiele in Honiara errichten werde – dem salomonischen Premierminister Manasseh Sogavare zufolge handelt es sich dabei um einen finanziellen Zuschuss und keine Leihgabe.

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Am 17. September 2019 wurde die Flagge Taiwans bei der Botschaft in Honiara eingeholt.
Foto: Reuters

Doch die Regierung der Provinz Malaita wollte den Wechsel der salomonischen Zentralregierung nicht mitmachen und unterhält zum Ärger Pekings weiterhin enge Verbindungen zu Taiwan.

Eskalation

Im vergangenen Juni eskalierte der Streit, als sich der Premierminister Malaitas, Daniel Suidani, öffentlich für taiwanesische Hilfslieferungen bedankte. Pekings Botschaft in Honiara reagierte scharf und rief die salomonische Regierung dazu auf, Sorge dafür zu tragen, dass "Chinas Souveränität" nicht verletzt werde.

Am 9. Oktober 2019 besuchte der salomonische Regierungschef Manasseh Sogavare seinen neuen Freund Xi Jinping in Peking.
Foto: AFP/Song

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Im August 2020 beklagte Taiwans Außenministerium, dass die Regierung in Honiara medizinische Hilfsgüter zur Pandemiebekämpfung für Malaita beschlagnahmt habe. Die Salomonen sind allerdings bisher von der Corona-Pandemie weitgehend verschont geblieben, bisher wurden nur wenige eingeschleppte Infektionsfälle nachgewiesen. Allerdings wurde die importabhängige Wirtschaft der Salomonen durch internationale Grenzsperren massiv getroffen.

Im September schließlich brachte Suidani gar ein Unabhängigkeitsreferendum für Malaita ins Spiel. Honiara bezeichnete diesen Vorstoß als illegal. Die USA wiederum unterstützen Malaita im Jahr 2020 mit Hilfsgeldern in der Höhe von 25 Millionen Dollar.

Suidani erkrankt

Der neueste Zündpunkt des Konflikts ist nun eine rätselhafte Erkrankung Suidanis – respektive die Behandlung dieser Erkrankung ausgerechnet in Taiwan.

Die Ärzte in Honiara hatten Suidani Anfang März dieses Jahres wegen des Verdachts auf eine lebensbedrohliche Läsion im Gehirn dringend zu einer CT- und MRT-Untersuchung im Ausland geraten und seinen Fall an das zuständige Komitee für Übersee-Überweisungen des National Referral Hospital in Honiara weitergegeben. Von hier gab es jedoch in der Folge keine Reaktion.

Crowdfunding

Unterstützer Suidanis versuchten sogar, per Crowdfunding hunderttausend australische Dollar aufzutreiben, um ihm die Behandlung in Australien zu finanzieren. Auf der Spendenplattform Gofundme heißt es, Suidani sei ein prinzipientreuer und zuverlässiger Führer der indigenen Bevölkerung Malaitas. Seit seinem Amtsantritt 2019 habe er sich gegen Widerstände und Korruption für den Schutz der Regenwälder und die Würde der indigenen Bevölkerung Malaitas eingesetzt. Er habe die Regierung der Salomonen nicht um offizielle Unterstützung gebeten, da er anerkenne, dass sich diese in einer finanziellen Notlage befinde. Er wolle seine Gesundheitsprobleme jedoch auch nicht politisieren.

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Die Flaggen der Salomonen und Chinas einträchtig auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking.
Foto: Reuters

Präsidentin Tsai interveniert

Zwar kam auf der Spendenplattform bei weitem nicht die gewünschte Summe zusammen, doch die Angelegenheit erreichte eine gewisse Publizität. Die kanadische Pazifikexpertin Cleo Paskal des Washingtoner Thinktanks Foundation for Defense of Democracies berichtete in der Radiosendung "The John Batchelor Show", Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen habe schließlich über einen indischen Universitätsprofessor die Information über Suidanis kritischen Gesundheitszustand erhalten.

Tsai ersuchte daraufhin Taiwans Regierung, sich darum zu kümmern, dass Suidani mit seiner Frau und einem Mitarbeiter zur Behandlung nach Taiwan kommen könne. "Bei der humanitären Hilfe aus Taiwan geht es nicht um Politik, sondern darum, dass gute Menschen durch eine prinzipientreue Haltung andere gute Menschen aufbauen. Das ist der Weg nach vorne im indopazifischen Raum", sagte Paskal.

Behandlung nach Quarantäne

Am 26. Mai kam Suidani schließlich in Begleitung seiner Frau und seines Beraters Celsus Irokwato Talifilu in Taiwan an und begab sich in die obligatorische Corona-Quarantäne. Nach der Absolvierung dieser soll bei Untersuchungen eine genaue Diagnose erstellt und die weitere Behandlung geplant werden.

Peking macht Druck auf Honiara

Erneut reagierte die Botschaft Pekings in Honiara pikiert: Es gebe nur ein China auf der Welt, und Taiwan sei ein unveräußerlicher Teil von Chinas Territorium, schrieb die diplomatische Vertretung in einer Stellungnahme. "Das Ein-China-Prinzip ist eine allgemein anerkannte Norm der internationalen Beziehungen und ein Konsens der internationalen Gemeinschaft. Chinas Position zu taiwanesischen Fragen ist konsistent und klar. China widersetzt sich entschieden jeglichen offiziellen Kontakten zwischen Taiwan und allen offiziellen Vertretern aus Ländern, die diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik China unterhalten. Die chinesische Seite hat bereits Bedenken bei der Regierung der Salomonen gemeldet und hofft, dass die betreffende Angelegenheit nach dem Ein-China-Prinzip ordnungsgemäß behandelt wird", heißt es weiter.

Ein letzter Händedruck: Noch am 9. September 2019 besuchte der salomonische Außenminister Jeremiah Manele seinen Kollegen Joseph Wu in Taipeh. Wenige Tage später wechselte Honiara die Seiten.
Foto: AFP/Yeh

Talifilu sagte in einem Gespräch mit Channel News Asia, er bedauere die Äußerungen der Botschaft. Die Salomonen seien aber ein demokratischer Staat, und die Einwohner der Salomonen könnten überall hinreisen. Suidani sei Taiwan dankbar für die humanitäre Hilfe.

Taiwans Außenministerium erklärte, die Reise Suidanis habe ausschließlich medizinische Gründe. Suidani habe als langjähriger Unterstützer Taiwans zugestimmt, in Taiwan behandelt zu werden, und Taipeh habe dies aus humanitären Gründen ermöglicht. (Michael Vosatka, 2.6.2021)