Mit den neuen Smartwatches Huawei Watch 3 und 3 Pro unternehmen die Chinesen nun auch einen erneuten Versuch, die bisher dominante Position der Apple Watch infrage zu stellen.

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Huawei hat am Mittwoch sein neues Betriebssystem Harmony OS auf den Markt gebracht, das auf diversen unterschiedlichen Geräten zum Einsatz kommen soll – also nicht nur auf Smartphones und Tablets, sondern auch auf Smartwatches und IoT-Geräten sowie über Plug-Ins auch auf herkömmlichen PCs. Sogar auf Geräten mit nur 128 Kb RAM – wie etwa einem smarten Standmixer – soll das Betriebssystem laufen.

Alles ist verbunden

Mit Harmony OS möchte man dadurch ein Ökosystem schaffen, in dem die Geräte nahtlos miteinander kommunizieren sowie Anwendungen und Inhalte miteinander geteilt werden können. In der Praxis bedeutet das etwa: Erhält man im Badezimmer einen Anruf und hat gerade kein Handy bei der Hand, so kann rasch die Smartwatch zum Telefonieren verwendet werden. Betritt man anschließend das Wohnzimmer, so wird der Videocall sofort auf den Smart TV übertragen.

Huawei Mobile

Ein anderes, vielleicht weniger alltägliches Beispiel, das ebenfalls am Mittwoch gezeigt wurde: Wird der Call auf einer einsamen Insel angenommen und hat man zufällig gerade eine Drohne dabei, so können auch die Luftaufnahmen derselben in den Call eingebunden werden, um vor der besten Freundin damit zu prahlen.

Harmony OS Control Panel: Alles auf einen Blick

Um die Verbindung übersichtlicher zu gestalten, wurde das "Harmony OS Control Panel" in das Betriebssystem integriert. Dieses läuft auf Huaweis Smartphones sowie auch auf den Tablet-PCs und Smartwatches.

Auf diesem lassen sich nicht bloß Wifi und Bluetooth verwalten, sondern es ist auch ersichtlich, welche Geräte im Haushalt gerade miteinander verbunden sind. Und diese lassen sich nun an zentraler Stelle koordinieren – also ohne dass man für jedes Gerät eine separate App installieren muss, wie man bei Huawei betont.

Die Verbindung mit diversen smarten Küchengeräten soll über NFC-Tags erfolgen – auf nicht-technischem Deutsch bedeutet das: Man hält das Smartphone an einen Chip an der Außenseite des Geräts und die Verbindung wird automatisch hergestellt. Anschließend lässt sich die optimale Temperatur im Kühlschrank ermitteln, das System soll auch – je nach Art der zu kühlenden Speise – entsprechende Vorschläge machen.

"Super Device Widget": Kreislauf des Gerätelebens

Präsentiert wurde in diesem Kontext am Mittwoch auch das "Super Device Widget", in welchem das gerade verwendete Gerät – etwa das Smartphone – von anderen Geräten in einem Kreis umringt wird. Will man die Geräte vernetzen, so zieht man diese einfach aus dem äußeren Kreis ins Zentrum. So soll es leichter sein, vom internen Lautsprecher des Smartphones etwa auf smarte Lautsprecher im Wohnzimmer zu wechseln oder ein Video auf den Smart TV zu übertragen.

Diese Verbindung soll jedoch nicht nur mit smarten Haushaltsgeräten möglich sein, sondern dank eines Plug-Ins auch mit herkömmlichen PCs. Hier wird das Smartphone auf dem PC dann als Laufwerk angezeigt, mit dem Dateien – etwa Bilder und Videos – ausgetauscht werden können. Zugleich kann auch ein Bild vom PC direkt in eine Messenger-App auf dem Smartphone gezogen werden.

Harmony OS als Angriff auf iOS und Android

Laut Eigenangaben hat Huawei bereits vor fünf Jahren mit der Entwicklung von Harmony OS begonnen. Den Schritt zu diesem eigenen Betriebssystem vergleicht man nun – nicht gerade bescheiden – mit dem Sprung vom Feature Phone zum Smartphone. Denn während das Smartphone den Nutzern die Freiheit zum Installieren individueller Apps ermöglicht habe, so soll Harmony OS den nahtlosen Übergang zwischen verschiedenen Hardware-Produkten erleichtern.

Der chinesische Technologiekonzern unternimmt mit Harmony OS den Versuch, neben iOS von Apple und Android von Google eine dritte Mobilplattform zu etablieren. Zuletzt war der Softwaregigant Microsoft an dem Versuch gescheitert, mit Windows der dritte maßgebliche Player auf dem Spielfeld zu werden.

Die neuen Huawei-Smartwatches: Watch 3 und Watch 3 Pro.
Foto: screenshot/huawei

Außerdem versucht Huawei mit HarmonyOS, den Schaden einzudämmen, den die Sanktionen der USA insbesondere beim Smartphone-Geschäft des Konzerns angerichtet haben. Nach den vom damaligen US-Präsidenten Donald Trump initiierten Handelsbeschränkungen darf Huawei beim Mobilsystem Android nicht mehr die Google Play Services verwenden.

Damit sind der Google Play Store für Millionen von Android-Apps sowie viele populäre Apps wie Gmail und Google Maps nur über einen Webbrowser erreichbar. Andere populäre Apps fehlen komplett. Die Sanktionen wurden bisher auch nicht von Trumps Nachfolger Joe Biden aufgehoben.

Vorerst für Tablets und Smartwatches

Obwohl Harmony OS vor allem für Smartphones entwickelt wurde, soll das neue Betriebssystem in Österreich und Deutschland zunächst noch nicht auf Mobiltelefonen erscheinen.

Es wird zunächst in den neuen Smartwatches Huawei Watch 3 und Huawei Watch 3 Pro sowie den neuen Premium-Tablets MatePad 11 und MatePad Pro 12.6 zum Einsatz kommen, die am Mittwoch zusammen mit der neuen Software vorgestellt wurden.

Auch neue Bildschirme, Tablets, Kopfhörer und das Matepad Pro gehörten am Mittwoch zum Huawei-Produktfeuerwerk.
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Allerdings heißt es auch, dass schrittweise immer mehr ältere Geräte mit dem neuen Harmony OS ausgestattet werden sollen – rund 100 Modelle sollen ein Upgrade erhalten. Wer bereits ein Huawei-Gerät besitzt, soll sich über die "My Huawei"-App für einen frühzeitigen Test anmelden können.

Apple Watch infrage stellen

Mit den neuen Smartwatches Huawei Watch 3 und 3 Pro unternehmen die Chinesen nun auch einen erneuten Versuch, die bisher dominante Position der Apple Watch infrage zu stellen. Die Huawei-Modelle kommunizieren nicht nur mit hauseigenen Smartphones, sondern auch mit dem iPhone von Apple sowie den meisten Android-Geräten. Ähnlich wie die Apple Watch können sie nicht nur sportliche Aktivitäten tracken, sondern auch Gesundheitsdaten wie die Pulsfrequenz und die Blut-Sauerstoffwerte aufzeichnen.

Und auch hier betont man wieder die Integration von Harmony OS – und somit die Einbindung in ein größeres Ökosystem. So soll man etwa auch auf der Smart Watch Videocalls durchführend sowie Geräte im Smart Home steuern und den Auslöser der Handykamera aktivieren können.

Bei den Smartwatches trifft Huawei allerdings auch auf starke Konkurrenz aus dem Android-Lager. Zuletzt hatten Samsung und die Google-Marke Fitbit eine umfassende Initiative angekündigt, um das Google-Betriebssystem Wear voranzubringen. (APA/dpa/stm, 2.6.2021)