FPÖ-Chef Norbert Hofer legte am Dienstag seine Funktion als freiheitlicher Bundesparteiobmann zurück.

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Wien – Es war sein erster Arbeitstag. Drei Wochen Reha hatte Norbert Hofer gerade hinter sich. Der Grund: ein Bandscheibenvorfall. Im Jahr 2003 war der FPÖ-Politiker mit einem Paragleiter abgestürzt. Seine Wirbelsäule wurde dabei schwer verletzt, die erste Diagnose lautete: Querschnittslähmung. "Es war ein langer Weg zurück", sagt Hofer heute. Inzwischen erinnert Außenstehende vor allem der Krückstock an den Tag seines Unfalls. Am Dienstag nach der kurzen Auszeit, um die Bandscheiben zu kurieren, nahm Hofer seine Arbeit als FPÖ-Chef wieder auf. Für seine Mitarbeiter schien eigentlich alles normal zu sein.

Tom und Jerry der FPÖ

Hofer besprach ein paar Termine, Interviews wurden vereinbart. Dann, so wird es in seinem Umfeld erzählt, soll es um Inhaltliches gegangen sein: Was werden die großen Themen sein? Was steht an? FPÖ-Klubchef Herbert Kickl hatte Hofer in seiner Auszeit wenig Ruhe gelassen. Der frühere Innenminister verkündete, im Fall einer Neuwahl als Spitzenkandidat auch selbst zur Verfügung zu stehen. Hofer konterte aus der Reha: "Wenn die Katze aus dem Haus ist, haben die Mäuse Kirtag." Doch Kickl schlug prompt zurück: Die Situation erinnere ihn an "Tom und Jerry" – jene ziemlich brutale Kindersendung, in der die Katze stets das Nachsehen hat.

Am Dienstag sei deshalb klar gewesen, das große Thema der kommenden Wochen wird die blaue Obmannfrage sein; das Verhältnis zwischen Hofer und Kickl, der Machtkampf. Hofer, so sei recht schnell klar gewesen, habe auf diese Spielchen aber keine Lust mehr. In der FPÖ galt er spätestens seit der Bundespräsidentschaftswahl 2016 als der salonfähige Rechte, der freundliche Freiheitliche, der massentauglich Blaue. Er war der Gegenpol zum wetternden, polternden Kickl. Während seiner Reha sollen in der Partei nun auch Gerüchte über seinen schlechten Gesundheitszustand gestreut worden sein. Hofer wollte das alles nicht mehr länger mitmachen – dass es so schnell gehen könnte, damit hatte in der FPÖ aber niemand gerechnet.

Eigenes Büro löscht seinen Tweet

Hofer führte noch ein paar Telefonate. Seinen konkreten Schritt sah offenbar trotzdem keiner voraus. Zwölf Minuten nach 16 Uhr setzte Hofer am Dienstag einen Tweet über seinen offiziellen Account ab: "Heute ist mein erster Tag nach der Reha – und mein erster Tag nach der Tagespolitik. Ich lege meine Funktion als Bundesparteiobmann zurück und wünsche meinem Nachfolger alles Gute."

In seinem Büro brach daraufhin Hektik aus. Denn seine Mitarbeiter waren nicht informiert. Sie sahen den Tweet – und konnten ihn nicht einordnen. Hat das wirklich der Chef geschrieben? Und wenn nicht Hofer – wer dann? Die Verunsicherung durch die verbalen Angriffe Kickls in der jüngsten Vergangenheit sei so groß gewesen, dass die Mitarbeiter eine innerhalb einer Parteienfamilie schier unglaubliche Überlegung angestellt haben sollen: Was, wenn das Lager Kickls Zugriff auf den Account bekommen hat – und Hofer mit diesem Tweet endgültig abmontiert werden sollte?

Das Büro Hofers – das Zugang zum Twitter-Kanal des Politikers hat – entschied, den Tweet zu löschen. Wenige Minuten, nachdem er öffentlich wurde, war er wieder weg.

Viele Telefonate

In den Redaktionen des Landes, in der FPÖ – auch in den anderen Parteien und in der Bevölkerung – begann also das Rätselraten: Was passiert da gerade? Hofer griff zum Telefonhörer und soll mit einigen mächtigen Parteifunktionären telefoniert haben. Dann tat er über den Boulevard seine Stellungnahme kund: Ja, er trete als Parteichef zurück, er möge nicht mehr. Er lasse sich nicht täglich ausrichten, dass er fehl am Platz sei – womit sich Hofer offen auf Kickl bezog.

Am Mittwoch folgte ein milderes, offizielles Statement via Facebook: Auch wenn es überraschend kam, sei der Entschluss seines Rücktritts "schon lange gereift". Nun sei es für seine Partei wichtig, "Geschlossenheit an den Tag zu legen". Hofer ist auch dritter Nationalratspräsident für die FPÖ, die Funktion wird er weiterhin bekleiden. Ob er noch einmal als Bundespräsident antreten will, hält er offen. Auch Kickl bedankte sich am Mittwoch bei Hofer: "Ich nehme seine persönliche Entscheidung mit Respekt zur Kenntnis", erklärte er. (Katharina Mittelstaedt, 3.6.2021)