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Jetzt ist es also soweit: In Israel ist am Mittwoch nur wenige Minuten vor dem Verstreichen einer entscheidenden Frist um Mitternacht (Ortszeit) doch noch eine Vereinbarung einer acht Parteien umfassenden Allianz getroffen worden, derzufolge die Ära Benjamin Netanjahu beendet werden soll.

Naftali Bennett (li.) und Yair Lapid (re.) haben einen Plan geschmiedet, der allerdings in der Knesset erst eine Mehrheit finden muss.
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Naftali Bennett von der Rechtspartei Jamina und Oppositionsführer Yair Lapid von der liberalen Zukunftspartei wollen an der Sitze dieser Allianz gemeinsam das Ruder übernehmen – zunächst soll zwei Jahre lang Bennett als Ministerpräsident fungieren, dann soll Lapid übernehmen, der in der Zwischenzeit bis 2023 den Außenminister geben will.

Doch nur weil die Vereinbarung es so vorsieht, muss es noch lange nicht so kommen: Denn formal gesehen, haben Bennett und Lapid lediglich eine von mehreren Fristen nützen können, die das israelische Wahlgesetz zur Regierungsbildung einräumt. Ob dieser Plan dann auch tatsächlich umgesetzt werden kann und umgesetzt werden darf, das entscheidet wohl erst Ende nächster Woche die Knesset: das israelische Parlament.

Netanjahu gibt noch nicht auf

Dort wird die Stimmenmehrheit für die ungewöhnliche Allianz – wenn sie denn überhaupt zustande kommt – sehr, sehr knapp sein. Und die wird erst dann Realität sein, wenn das Votum tatsächlich vorüber ist – und nicht vorher.

Noch hat Langzeitpremier Netanjahu, ohne den die israelische Innenpolitik für viele Menschen im Land gar nicht mehr vorstellbar zu sein scheint, nicht aufgegeben. Noch will er das Feld nicht räumen, noch argumentiert und wettert er, noch fährt er schwere rhetorische Geschütze auf und noch pokert er hoch; droht sogar damit, jede Rücksichtnahme auf die regionalpolitischen Interessen der USA zu beenden und die offene Konfrontation mit dem Iran zu suchen – in der Hoffnung, so die Zauderer und Zweifler für sich zu gewinnen.

Benjamin Netanjahu hat noch nicht aufgegeben.
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Dieser Poker könnte tatsächlich noch aufgehen: Etliche Abgeordnete könnten ins Grübeln kommen, überlegen, ob es trotz aller Antipathien und Vorbehalte nicht doch besser ist, halbwegs kontrolliert mit jemandem an der Regierungsspitze weiterzumachen, den man zwar loswerden will, den man aber immerhin gut kennt und einschätzen kann – oder ob man ein in vielen Aspekten völlig unvorhersehbares Experiment riskieren soll.

Denn sicher wäre mit dieser neuen Regierung Bennett-Lapid nur eines: Die beiden Partner trennt wohl mehr als sie eint. So oder so spricht viel dafür, dass es eher früher als später wieder heißen wird: Zur Neuwahl antreten, bitte! Das wäre zum fünften Mal in zwei Jahren. (Gianluca Wallisch, 2.6.2021)