Brahim Ghali, Chef der Befreiungsbewegung Polisario und Präsident der Exilregierung der seit 1975 von Marokko besetzten ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara, hat in der Nacht auf Mittwoch Spanien an Bord eines Flugzeugs der algerischen Regierung Spanien verlassen.

Brahim Ghali erholt sich nun in Algerien von seiner Covid-19-Erkrankung. Eine Klage in Spanien gegen ihn wurde abgewiesen.
Foto: EPA / Agerian Presidency

Der 75-Jährige, der in Spanien seit dem 18. April wegen einer schweren Covid-19-Erkrankung behandelt worden war, liegt jetzt in Algier in einem Krankenhaus, um sich völlig von der Krankheit zu erholen. Die Ausreise erfolgte nur wenige Stunden, nachdem der Polisario-Chef vor dem obersten spanischen Strafgericht im Rahmen einer Klage wegen Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit per Videokonferenz vernommen worden war.

Richter Santiago Pedraz lehnte den Antrag der Kläger auf Untersuchungshaft oder zumindest Passentzug gegen Ghali ab. Die Kläger hätten "keine Beweise geliefert, die zumindest das Vorhandensein von Gründen belegen, um ihn für ein Verbrechen verantwortlich zu machen". Ghalis Ausreise stand also formaljuristisch nichts im Wege.

"Fabrizierte Anklage"

Die Beschuldigungen stammen von zwei Sahrauis und der im von Marokko besetzten Teil der Westsahara ansässigen Sahrauischen Vereinigung zur Verteidigung der Menschenrechte (Asadedh), die sich um mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen in den Flüchtlingscamps unter Führung der Polisario in Südalgerien kümmert, dem Vernehmen nach aber bei Vergehen der marokkanischen Besatzer wegschaut. "Die Anklage wurde in Marokko fabriziert", versicherte Ghalis spanischer Anwalt Manuel Ollé, Spezialist für Menschenrechte und internationales Strafrecht.

"Ghali folterte mit seinen eigenen Händen", erklärte hingegen der Hauptkläger, der heute 66-jährige Dahi Aguai, im Gespräch mit der konservativen spanischen Tageszeitung La Razón. Er sei 1975 selbst Opfer Ghalis geworden. Arguai, der die spanische Staatsangehörigkeit besitzt, berichtete außerdem von einem angeblichen Plan der Polisario, all diejenigen Sahrauis auszurotten, "die unter spanischer Flagge geboren wurden, um anschließend ihre Identität an Algerier weiterzugeben, damit im Fall der Unabhängigkeit Algerier in der unabhängigen Sahara regieren".

"Kriminelle Bande"

Die Polisario sei "eine kriminelle Bande", deren Mitglieder nicht aus der Westsahara stammten. Sie hätten Sahrauis in den Kampf gegen Marokko geschickt und sie dort von hinten erschießen lassen – "anschließend heirateten sie ihre Frauen". Ghali, der in der spanischen Kolonie geboren wurde und in jungen Jahren bei den Nomadentruppen der spanischen Verwaltung diente, sei 23-mal verheiratet – was nicht belegt ist.

Der Fall Ghali hatte in den vergangenen Wochen eine schwere Krise ausgelöst. Marokkanische Polizisten schauten tatenlos zu, wie Tausende den Grenzzaun zur spanischen Exklave Ceuta umschwammen. "Spanien lässt sich vom Willen leiten, Probleme zu schaffen und die Anstrengungen Marokkos, seine territoriale Integrität zu festigen, zu vereiteln", erklärte der marokkanische Regierungssprecher Saaid Amzazi im Vorfeld der Vernehmung.

Für die Uno gehört die Westsahara nicht zu Marokko. Allerdings erkannte der ehemalige US-Präsident Donald Trump den Anspruch Rabats auf die spanische Ex-Kolonie an. Marokko will im Gegenzug die Beziehungen zu Israel zu normalisieren. (Reiner Wandler, 4.6.2021)