VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter ist über einige Kommentare des suspendierten Justizsektionschefs empört.

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Der Präsident des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), Christoph Grabenwarter, hat sich am Freitag im Ö1-"Morgenjournal" zum Rückzug Wolfgang Brandstetters vom VfGH geäußert. Brandstetter, der für die ÖVP von 2013 bis 2017 als Justizminister amtierte, war seit 2018 auf Vorschlag der türkis-blauen Regierung Verfassungsrichter. Eigentlich hätte der 63-Jährige noch bis zum Erreichen der Altersgrenze von 70 – also bis ins Jahr 2027 – Verfassungsrichter bleiben sollen. Doch am Donnerstag hat der unter Druck geratene Brandstetter seinen Abgang zum Monatsende angekündigt.

Grund dafür ist das Publikwerden von Chats mit dem derzeit suspendierten Justizsektionschef Christian Pilnacek. Pilnacek schreibt darin abfällig über den VfGH, etwa dass man diesen "nach Kuba exportieren" solle. Und: Mit der schwarzen VfGH-Vizepräsidentin hätten die Kubaner sicherlich ihre Freude, ätzte der einst höchste Beamte des Justizministeriums, eine andere gäbe eine "gute Müllfrau" ab. Brandstetter trat diesen Diffamierungen nicht entgegen. Zudem berichtete er Pilnacek über seine eigene abweichende Position in den Beratungen zur Frage der Sterbehilfe, über die der VfGH zu entscheiden hatte, obwohl die Abstimmungen am VfGH eigentlich geheim sein sollten.

Keine Chat-Analyse im Detail

VfGH-Präsident Grabenwarter sagte, er sei am Mittwoch "erschrocken und bestürzt" gewesen, als er Berichte über die Chats zwischen Pilnacek und Brandstetter gelesen habe. Daraufhin habe er sich sofort mit Kolleginnen und Kollegen ausgetauscht und mit Brandstetter ein Gespräch vereinbart, das an diesem Freitag hätte stattfinden sollen. Es sei ihm da noch nicht um ein formales Amtsenthebungsverfahren gegangen, sondern zunächst um ein Gespräch, um Brandstetters Erklärungen anzuhören. Auf Brandstetters Wunsch fand das Gespräch dann schon früher, am Donnerstag, statt.

Brandstetter habe "von sich aus erkannt", dass er dem VfGH "am besten dienen kann, indem er zurücktritt", sagte Grabenwarter. Insofern habe er mit Brandstetter erst gar nicht einzelne Chatverläufe im Detail durchgehen müssen. Auf Pilnaceks abfällige Nachrichten über Verfassungsrichterinnen gemünzt, hielt Grabenwarter auf Ö1 aber fest: "Herabwürdigende Äußerungen über Menschen aus Gründen ihrer Hautfarbe oder ihres Geschlechts haben in einer demokratischen Debatte keinen Platz." Dieser Auffassung sei auch Brandstetter im Gespräch gewesen.

Unqualifizierte Kritik am VfGH

Pilnaceks im Kontext des Sterbehilfe-Erkenntnisses getroffene Aussage im Chat mit Brandstetter, wonach man es in Österreich mit einem "vom VfGH fehlgeleiteten Rechtsstaat" zu tun habe, wies Grabenwarter "aufs Schärfste" zurück. Der VfGH sei eine der wichtigsten Stützen des Rechtsstaats, so Grabenwarter. Kritik am VfGH sei immer legitim, in juristischen Fachkreisen habe es auch eine sehr differenzierte Auseinandersetzung mit der höchstgerichtlichen Aufhebung der Strafbarkeit der Suizidbeihilfe gegeben. Aber: "Unqualifizierte, pauschale Kritik nützt niemandem."

Oberlandesgerichtspräsidenten weisen Attacken auf Justiz zurück

Am Freitagvormittag wandten sich auch die vier Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte Österreichs gegen Verunglimpfungen der Justiz. Bezugnehmend auf die Pilnacek-Brandstetter-Chats schreiben sie: "Wir distanzieren uns nachdrücklich von jeder Art der Herabwürdigung, Beschimpfung und Schmähung des Verfassungsgerichtshofs, seiner Mitglieder und seiner Entscheidungen."

Zudem halten sie in Anspielung auf die Attacken der ÖVP gegen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und einen einzelnen Staatsanwalt fest: "Wir weisen alle Versuche zurück, aus parteipolitischen, persönlichen oder populistischen Gründen das Vertrauen in die Justiz, insbesondere auch in die zur gesetzlichen Strafverfolgung berufenen Staatsanwaltschaften und ihre Amtsträger*innen, zu erschüttern." (ta, 4.6.2021)