Das Aufsichtsgremium, eine unabhängige, vom Unternehmen finanzierte Gruppe, ist der Meinung, dass die gleichen Regeln für alle Nutzer gelten sollten.

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Facebook will Politiker in Zukunft anscheinend nicht mehr gesondert behandeln. Wie "The Verge" am Donnerstag berichtet, sollen diese nicht mehr von Regeln der Inhaltsmoderation ausgenommen werden. Es werde erwartet, dass Facebook sich möglicherweise am Freitag schon zu den Empfehlungen seiner unabhängigen Aufsichtsbehörde äußere. Sollte das Unternehmen tatsächlich von seiner bisherigen Handhabung abweichen, könnte das weltweite Auswirkungen auf das Nutzungsverhalten gewählter Vertreter haben.

Das Aufsichtsgremium, eine unabhängige, vom Unternehmen finanzierte Gruppe, ist der Meinung, dass die gleichen Regeln für alle Nutzer gelten sollten. Es kritisierte außerdem, dass Facebook die Sperrung des Profils des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump nach dem Aufstand im Kapitol am 6. Jänner auf unbestimmte Zeit verhängte. Der Vorstand gab dem Unternehmen danach sechs Monate Zeit, um über eine "verhältnismäßige Reaktion" im Fall Trump zu entscheiden. Bereits nach 30 Tagen müsse eine Antwort auf die Empfehlungen des Boards folgen. Eine angemessene Reaktion könne darin bestehen, das Profil des ehemaligen Präsidenten wiederherzustellen, es dauerhaft zu sperren oder für einen bestimmten Zeitraum zu sperren.

Undurchsichtige Moderation

Offenbar plant Facebook außerdem, mehr Informationen über das bisher undurchsichtige System der "Strikes" preiszugeben, die Nutzer im Falle eines Regelbruchs erhalten. Dadurch sollen diese künftig informiert werden, wenn sie eine Regel verletzt haben und dieser Bruch zu einer Sperre führen könnte. "Buzzfeed News" berichtete, dass Facebook-Mitarbeiter in der Vergangenheit intervenierten, damit politische Seiten nicht zu hart bestraft würden.

Zusätzlich will das soziale Netzwerk in Zukunft anscheinend offenlegen, wann es bei der Moderation Ausnahmen macht, weil Inhalte – die eigentlich gegen die Content-Regeln verstoßen würden – einen besonders hohen Nachrichtenwert haben.

Falls diese Änderungen tatsächlich umgesetzt werden sollten, wäre das ein drastischer Umschwung bezüglich des Umgangs mit Inhalten und Konten politischer Vertreter. In der Vergangenheit verfolgte Facebook nämlich einen "Hands off"-Ansatz. Unter anderen CEO Mark Zuckerberg sagte, dass Facebook nicht die Aussagen von Politikern überwachen oder gar zensurieren sollte, was diese gegenüber den Bürgern sagen wollen.

Konten mit Sonderrechten?

Das Unternehmen führt laut "The Information" seit einigen Jahren sogar eine interne Liste politischer Accounts, für die nicht die üblichen Factchecking- und Moderationsregeln gelten. Schon 2019 bat eine Gruppe Mitarbeiter offenbar um die Auflösung ebendieser. Dabei beriefen sie sich auf interne Nachforschungen Facebooks, laut denen die Menschen Falschinformationen am ehesten glauben, wenn sie von einem gewählten Vertreter stammen.

Noch im selben Jahr sagte Nick Clegg, Vice President of Global Affairs bei Facebook: "Wir werden Reden von Politikern als nachrichtenwürdige Inhalte behandeln, die in der Regel gehört werden sollten." Ausgenommen davon seien nur klar illegale Inhalte, zum Beispiel Darstellungen des Kindesmissbrauchs. Die Plattform wolle nur dann gegen Aussagen von Politikern vorgehen, wenn glaubhaft gemacht werden könne, dass sie zu körperlichem Schaden führen oder einen negativen Einfluss auf das Wahlverhalten haben.

Doch auch im Fall eines tatsächlichen Kurswechsels sollen die Beiträge von Politikern nicht für das Netzwerk unabhängiger Factchecker zugänglich werden. Allerdings würde es dadurch erstmalig möglich, Amtsträger anhand ähnlicher Regeln zu moderieren wie auch andere Nutzer. Facebook lehnte eine Stellungnahme bisher ab. (mick, APA, 4.6.2021)