Plädiert für einen Atlas aller Religionen statt der "Islam-Landkarte": Kardinal Christoph Schönborn.

Foto: APA / Georg Hochmuth

Wien – Kardinal Christoph Schönborn denkt einen Religionsatlas als Alternative zur "Islam-Landkarte" an. In einem Kommentar für die Tageszeitung "Heute" fragt er sich, warum eine Religion "herausgepickt" worden sei. Der vorbildliche Religionsfrieden in Österreich basiere auf gegenseitigem Vertrauen, auf Dialog und Wertschätzung. Während Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer ein Ende des Projekts empfiehlt, sprach sich Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) für eine Fortführung aus.

Raab für Fortsetzung des Projekts

Die Ressortchefin versicherte in einer schriftlichen Stellungnahme, dass die Karte nach einem Wechsel des IT-Betreibers wieder voll verfügbar sein werde. Sie trage auf wissenschaftlicher Basis dazu bei, Transparenz zu schaffen und "die Trennlinie zwischen der Religion des Islam und der gefährlichen Ideologie des politischen Islam als Nährboden für Extremismus und Parallelgesellschaften klar zu ziehen". Sie werde sich nicht beirren lassen und Schluss machen mit dem "Zudecken und Verschleiern". Auch Projektbetreiber Ednan Aslan sieht das Projekt nicht am Ende, sondern am Anfang, wie er auf ORF 3 betonte.

Grüne wollen Karte offline nehmen

Maurer meinte hingegen gegenüber ATV, dass es sehr empfehlenswert wäre, die Karte offline zu nehmen. Das "schwer verunglückte Projekt" führe zu einer massiven Stigmatisierung von muslimischen Einrichtungen. Zudem gebe es datenschutzrechtliche Probleme. Direkte Handlungsmöglichkeit sieht die Grünen-Klubchefin nicht: "Es ist ein Projekt eines Universitätsprofessors, und dementsprechend liegt es außerhalb des Einflussbereichs der Regierung."

Die Grünen werden indes selbst aktiv und laden zu einem runden Tisch zur Landkarte. Wie Klubobfrau Maurer betonte, gehe die Initiative von ihr und Integrationssprecherin Faika El-Nagashi aus. Für Ende Juni will man Vertreter muslimischer Organisationen an einen runden Tisch einladen. Ziel sei es, in einen fortgesetzten Dialog auf Augenhöhe zu kommen.

El-Nagashi meint dazu im "Kurier": "Wir brauchen jetzt einen Neustart der Beziehungen zur muslimischen Community." Wenn es nach den Grünen gehe, müsse die Karte nicht wieder online gehen.

"Gefährlicher Eindruck"

Das sieht zumindest der Initiator der Landkarte anders. Ednan Aslan schreibt auf der Homepage, dass es sich lediglich um eine kurzzeitige Unterbrechung aufgrund eines Wechsels des IT-Betreibers handle. Die Seite ist aktuell zwar nicht offline, die entscheidende Suchfunktion aber nicht in Betrieb. Zuletzt war angedacht, dass man erst nach einer Registrierung Zugang erhält.

Schönborn hält es für gefährlich, wie er schreibt, wenn der Eindruck entstehe, eine der Religionsgemeinschaften werde unter Generalverdacht gestellt. Das Strafrecht sei klar genug, um staatsfeindliche, terroristische Tendenzen zu verfolgen, wo immer sie auftreten. Dass es Radikale gebe, sei kein Grund, die Politik oder die Religion als Brutstätten des Radikalismus zu betrachten.

Neue "Warnschilder" aufgetaucht

Indes hat die Polizei wie zuvor in Wien auch in St. Pölten in der Nähe von islamischen Einrichtungen angebrachte "Warnschilder" sichergestellt. Die Beamten entfernten am Donnerstag drei dieser Tafeln in der niederösterreichischen Landeshauptstadt. Die von Unbekannten angebrachten Schilder tragen analog zu jenen in Wien die Aufschrift "Achtung! Politischer Islam in deiner Nähe" und verweisen auf die Webseite der "Islam-Landkarte".

Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung hat Ermittlungen aufgenommen und prüft den Verdacht der Verhetzung, teilte die Exekutive am Freitag mit. Darüber hinaus seien Polizisten im Außendienst dazu angehalten, Schilder unverzüglich zu entfernen und sicherzustellen, falls diese auftauchen. (APA, 4.6.2021)